Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Stadt hat beim Eschersteg nur noch ein Schlupfloch
Wie geht es weiter mit dem ungeliebten Industriedenkmal?
RAVENSBURG - 2180 Menschen haben mittlerweile die Petition der „Mündigen Bürger Ravensburg“gegen die Sanierung und den Wiederaufbau des Escherstegs unterzeichnet. Am kommenden Samstag wollen die Initiatoren um Hermann Heisler zum letzten Mal auf dem Marienplatz stehen und jenen Einwohnern die Gelegenheit zum Unterschreiben geben, die noch nicht online sind. Baubürgermeister Dirk Bastin bezweifelt allerdings, dass dadurch die Sanierung verhindert werden kann.
„Der Landtag wird sich mit der Petition zwar auseinandersetzen, die Wahrscheinlichkeit, dass das zum Erfolg führt, setze ich aber als sehr, sehr niedrig an“, äußert sich Bastin auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“zu den Erfolgsaussichten der Petition. Und auch ein Antrag aus dem Gemeinderat, der nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“vorbereitet wird und eine Mehrheit finden könnte, würde an der Verpflichtung zum Wiederaufbau des unbeliebten Industriedenkmals nichts ändern, meint der Baubürgermeister. „Kulturdenkmäler haben für Kommunen Verfassungsrang. Das ist in Baden-Württemberg viel strenger geregelt als in anderen Bundesländern.“Heißt konkret: Selbst wenn der Gemeinderat einstimmig beschließen sollte, den Eschersteg als Altmetall zu verschrotten, müsste Oberbürgermeister Daniel Rapp diesem Beschluss widersprechen.
Einzige theoretische Möglichkeit, den Wiederaufbau doch noch zu verhindern, wäre demnach ein Beschluss des Gemeinderats, die
Denkmaleigenschaft des Escherstegs gerichtlich überprüfen zu lassen. „Man könnte sich ja auf den Standpunkt stellen, dass der Eschersteg durch die Überformungen seine Denkmaleigenschaft verliert“, erklärt der Baubürgermeister. Damit gemeint sind die baulichen Veränderungen, die wegen der Südbahn-Elektrifizierung vorgenommen werden müssen: die Höherlegung von bis zu einem Meter und die Schutzvorkehrungen, damit niemand, der über den Fußgängerweg geht, an die elektrischen Leitungen fassen kann. Die Angelegenheit käme dann vor Gericht,
genauer vors Verwaltungsgericht in Sigmaringen.
Die Stadt hat sich zwischenzeitlich aber darauf eingestellt, die etwa 100 Jahre alte Nietenkonstruktion sanieren lassen zu müssen. Um sich ein Bild von den Korrosionsschäden zu machen, die seit dem Abbau des Stegs über die Bahngleise im Jahr 2005 und auch schon teilweise davor entstanden sind, hat die Verwaltung jetzt die Experten von der fachlichen Denkmalschutzbehörde des Regierungspräsidiums Stuttgart in Esslingen eingeladen. Dort haben in den vergangenen Jahren einige neue Leute angefangen, die den Steg selbst noch nie zu Gesicht bekommen haben, unter anderem der auf Stahlbau spezialisierte Fachmann und die Referatsleiterin für Bauund Kunstdenkmalpflege. Bastin: „Es ist kein Vorwurf, aber sie können den Steg ja noch gar nicht kennen.“Anders als die rechtlichen Fachleute von der Denkmalschutzbehörde des Regierungsprädiums Tübingen, die 2018 zu der Auffassung gelangt waren, dass der Steg unbedingt erhaltenswert sei – und die Stadt folglich mit ihrem Antrag scheiterte, die Fußgängerbrücke aus der Denkmalliste streichen zu lassen.