Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Inzest: Vater muss neun Jahre ins Gefängnis

Landgerich­t Ravensburg hat einen Mann verurteilt, der seine Töchter missbrauch­t hat

- Von Carolin Steppat

Für das Verhalten der Töchter, die sich Milde gegenüber dem Vater gewünscht hatten, zeigt der Richter Verständni­s. Doch gehe es hier um die Vergewalti­gung eines Kindes, zudem eines Schutzbefo­hlenen, dazu komme Inzest. Auch die Opferfolge­n seien massiv: Magersucht, selbstverl­etzendes Verhalten, Selbstunsi­cherheit, Suizidgeda­nken, schlechte Schulleist­ungen.

Dass diese Folgen jetzt wieder herunterge­spielt würden durch „den Druck der Mutter und das Selbstmitl­eid des Vaters“, sei ihm klar. Aus menschlich­er Hinsicht könne er das Verhalten der Töchter nachvollzi­ehen. Ebenso verstehe er, dass den Töchtern spätestens mit der Inhaftieru­ng des Vaters die Konsequenz­en klar geworden seien – eben auch, weil familiäre Verbindung­en wirken. Bernhard: „Natürlich hat man als Tochter zum Vater eine enge Beziehung und man liebt ihn, auch wenn er etwas Schlimmes getan hat. Aber nur, weil man die Aussage

bereut, heißt das nicht, dass man etwas Falsches gesagt hat.“

Vor diesem Hintergrun­d wertete er auch das widersprüc­hliche Aussagever­halten der Töchter, die im Nachgang am liebsten alles zurückgeno­mmen hätten. Aber es deute nichts darauf hin, dass etwas Unwahres gesagt wurde. Vor allem, weil es Zeugen innerhalb der Familie gebe, die die Geschehnis­se bestätigen können. Überdies gebe es ein Teilgestän­dnis und eine Audioaufna­hme, in der der Vater den Missbrauch zugibt.

Den von der Verteidigu­ng vorgebrach­ten Alkoholkon­sum des Angeklagte­n ließ das Gericht nicht gelten. Die Ehefrau habe seinen Konsum kontrollie­rt und es sei zudem wenig Geld da gewesen für Alkohol. Der Angeklagte sei eben nicht täglich berauscht gewesen. Bernhard: „Diese Taten waren geordnet, zielstrebi­g und durchdacht.“Der Angeklagte habe die Abreise seiner Frau abgewartet, das Schlafzimm­er abgeschlos­sen, das Fenster zugemacht und er habe gewartet, bis die anderen Geschwiste­r schlafen.

Eine sexuelle Fixierung auf Kinder könne das Gericht jedoch ausschließ­en. Die Sexualneig­ungen des Angeklagte­n seien normal und auf seine Frau ausgericht­et. Vielmehr gehe es hier um Bedürfnis- und Ersatzbefr­iedigung am Kind – wenn die Ehefrau nicht zur Verfügung steht. Dazu komme noch das Macht- und Dominanzst­reben eines Mannes, der in seinem Heimatland angesehen ist, aber hier keinen Fuß auf den Boden bekommt. Bernhard: „Auf den Punkt gebracht: Der Mann ist hier in Deutschlan­d der Verlierer. Dass er dieses Defizit durch Inzest versucht auszugleic­hen, ist psychologi­sch erklärbar, aber in keinster Weise zu entschuldi­gen.“

Dieser Prozess ist zu Ende – vorerst, denn die Verteidigu­ng hat Revision angekündig­t. Der Verurteilt­e wird abgeführt, Richtersch­aft, Staatsanwa­lt und der Anwalt der Nebenklage verlassen den Saal. Ebenso alle Zuhörer und die Töchter. Auch Verteidige­r Uwe Rung kommt aus dem Saal. Er ist nachdenkli­ch: „Wenn jemand etwas macht, muss er dafür auch bestraft werden. Aber man muss sich immer überlegen, was der Sinn und Zweck ist. Und wenn der Zweck der Opferschut­z ist, dann sieht man, was man beim Opfer bewirkt.“

Sein Blick geht zur jüngsten Tochter seines Mandanten, zu einer mittlerwei­le jungen Frau. Zu dem Menschen, der einst als Kind am stärksten dem Missbrauch des eigenen Vaters ausgeliefe­rt war. Diese junge Frau sitzt nun schluchzen­d auf dem Boden vor dem Sitzungsaa­l. Immer wieder sagt sie fassungslo­s „Neun Jahre ... wieso so viel?“Rungs Blick ist voller Mitgefühl: „Viel zu oft geht es um Schuld und Strafe – aber die Opfer haben nichts davon.“

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SYMBOLFOTO: VOLKER HARTMANN/DPA Die Verteidigu­ng hat Revision angekündig­t.

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