Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Betriebsrat macht Schluss mit der Zollern-Kultur
Erstmals äußert sich die Mitarbeitervertretung öffentlich zum Austritt aus dem Arbeitgeberverband
SIGMARINGEN - „So eine hohe Beteiligung hatten wir noch nie“, sagt Alfons Venturino, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Zollern. Mehr als 1000 Mitarbeiter kamen zur Betriebsversammlung vor zwei Wochen, zu der der Betriebsrat eingeladen hatte. Weil die Lage in den beiden Werken im Kreis Sigmaringen aus Sicht des Betriebsrats nach wie vor angespannt ist – beinahe alle Geschäftsbereiche befinden sich in Kurzarbeit – wurde die Betriebsversammlung lediglich unterbrochen. „So können wir kurzfristig wieder eine Sitzung einberufen, ohne Fristen einhalten zu müssen“, sagen die Betriebsräte.
Die Mitarbeiter in den beiden Werken in Laucherthal und Herbertingen werden von insgesamt 17 Betriebsräten vertreten. Die vier freigestellten Mitarbeitervertreter beantworteten am Freitagnachmittag die Fragen der „Schwäbischen Zeitung“. In erster Linie wollen die Mitarbeiter zurück in den Tarifvertrag. „Das ist unser Auftrag, das ist unsere Botschaft“, sagt Alfons Venturino.
Das metallverarbeitende Unternehmen hatte im Dezember den Austritt aus dem Arbeitgeberverband verkündet. „Für uns war das ein Schlag ins Gesicht“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Eberhard Fischer. „Wir hätten im Vorfeld Gespräche erwartet“, sagt Fischer und lässt durchblicken, dass der Betriebsrat zu Zugeständnissen bereit gewesen wäre.
Der Hersteller von Stahlprofilen, Guss- und Schmiedeteilen sowie Getrieben begründete den Austritt mit steigenden Kosten auf der einen und Preisdruck im Wettbewerb auf der anderen Seite. Die deutlichen Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre seien für das Unternehmen mit weltweit 3000 Mitarbeitern zu einer Belastung geworden. Aktuell „humpeln“nach Angaben des Betriebsrats alle Geschäftsfelder.
Der Zollern-Betriebsrat im Kreis Sigmaringen hatte unter der Belegschaft und in Gewerkschaftskreisen den Ruf, eng mit der Unternehmensleitung verbunden zu sein. Jahrzehnte galt in Laucherthal die Devise: Beim Fürst streikt man nicht. Doch da das Fürstenhaus nun den Austritt aus dem Arbeitgeberverband mitträgt, sieht sich der Betriebsrat nicht mehr an die Zollern-Kultur gebunden. „Diese Zeiten sind vorbei“, sagt der Vorsitzende.
Per Unterschrift fordern 900 der 1500 Mitarbeiter an den beiden Standorten im Kreis den Wiedereintritt. Ihre Angst ist, dass weitere Einschnitte folgen. Das Hauptargument ist das Werben um Fachkräfte: „Die Tarifbindung hat uns als Arbeitgeber attraktiver gemacht“, sagt Thomas Späth.
Wie realistisch ist ein Wiedereintritt? Zollern-Geschäftsführer Klaus F. Erkes gilt als harter Hund. „Biegen lässt er sich normalerweise nicht“, sagt Alfons Venturino. Deshalb lägen die Chancen lediglich bei 50 Prozent.