Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vergleich im VW-Dieselskandal gescheitert
Verbraucherschützer und Konzern schieben sich gegenseitig die Schuld zu – VW will Kläger außergerichtlich entschädigen
BERLIN - Die Vergleichsverhandlungen zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Volkswagen im Rahmen der Musterfeststellungsklage für rund 460 000 VW-Kunden sind gescheitert. Das teilten beide Seiten am Freitag mit. Trotzdem will Volkswagen seinen Kunden die bereits ausgehandelte Entschädigungssumme von bis zu 830 Millionen Euro als Ausgleich für den durch die Manipulationen an Dieselmotoren entstandenen Schaden anbieten.
Über die unerwartete Zuspitzung bis hin zum Scheitern der Verhandlungen verbreiten beide Seiten unterschiedliche Versionen. Laut VW platzte der bereits erreichte Kompromiss, weil die Anwälte des vzbv für dessen Umsetzung ohne besonderen Leistungsnachweis hohe Honorare verlangten. „Die 50 Millionen Euro, die die Anwälte ohne eine konkrete Rechtfertigung forderten, waren inakzeptabel“, erklärte Hiltrud Werner, die Rechts-Vorständin von VW.
Dieser Darstellung widersprach vzbv-Chef Klaus Müller vehement. „Die Vergleichsverhandlungen sind leider an der Bereitschaft von Volkswagen gescheitert, ein transparentes, vertrauenswürdiges und für Verbraucher sicheres System der Abwicklung zu ermöglichen“, sagte Müller. Um 11:53 Uhr am Freitag habe VW dem Verband einen Vergleich angeboten, der eine Kostenübernahme in Höhe von 50 Millionen Euro vorsah. An diesem Mittwoch habe er dem Unternehmen auch noch angeboten, dass VW die Abwicklung übernehmen kann und die Juristen des Verbands nur eine Kontrolle durchführen. Das Unternehmen habe abermals alles dafür getan, Vertrauen zu zerstören, sagte Müller.
Am Nachmittag präsentierten die Wolfsburger den Kunden am vzbv vorbei ein Angebot. Bis zu 830 Millionen Euro bietet der Konzern den Klägern in der Musterfeststellungsklage. „Wir sind überzeugt, dass die Vergleichslösung als solche im Sinne der Kunden ist“, begründete Werner die Offerte. Und der Chefjustitiar von Volkswagen, Manfred Döss, verwies auf die womöglich jahrelange Auseinandersetzung, bevor die Kunden mit rechtskräftigen Urteilen rechnen müssten. Bis Ende März will VW nun eine Plattform im Internet aufbauen (www.vergleich.volkswagen.de), über die Kunden auf das Vergleichsangebot eingehen können.
Rein rechnerisch kann jeder, der das Angebot des Unternehmens annimmt, auf rund 1800 Euro bis 2100 Euro Entschädigung hoffen. Sicher ist dies allerdings laut vzbv nicht. Der ursprünglich ausgehandelte Kompromiss sah demnach einen Ausgleich in Höhe von 15 Prozent des Kaufpreises vor. Laut vzbv sieht die Formel aber auch einen Nutzungsabschlag vor. Wie viel der einzelne Autobesitzer tatsächlich bekommen wird, ist daher offen. Die Ermittlung des individuellen Anspruchs wollten die Verbraucherschützer durch ihre Anwälte kontrollieren lassen. Das ist nun wohl nicht mehr möglich.
Vzbv-Chef Müller hofft nun auf einen schnellen Termin vor dem Braunschweiger Landgericht, das die Musterfeststellungsklage verhandelt. „Wir kämpfen weiter“, kündigt er an. Die für die Klage registrierten Kunden müssten sich um nichts kümmern. Rückenwind erhoffen sich die Verbraucherschützer Anfang Mai vom Bundesgerichtshof, der sich voraussichtlich grundsätzlich mit den Schadenersatzansprüchen von VW-Kunden befassen wird. Stellen die obersten Richter Entschädigungsansprüche fest, könnte es für VW viel teurer werden. Davon hätten all jene Kläger in der Musterfeststellungsklage, die sich auf das Vergleichsangebot einlassen, nichts mehr. Ihre Ansprüche wären mit der einmaligen Zahlung abgegolten.