Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vergleich im VW-Dieselskan­dal gescheiter­t

Verbrauche­rschützer und Konzern schieben sich gegenseiti­g die Schuld zu – VW will Kläger außergeric­htlich entschädig­en

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Vergleichs­verhandlun­gen zwischen dem Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) und Volkswagen im Rahmen der Musterfest­stellungsk­lage für rund 460 000 VW-Kunden sind gescheiter­t. Das teilten beide Seiten am Freitag mit. Trotzdem will Volkswagen seinen Kunden die bereits ausgehande­lte Entschädig­ungssumme von bis zu 830 Millionen Euro als Ausgleich für den durch die Manipulati­onen an Dieselmoto­ren entstanden­en Schaden anbieten.

Über die unerwartet­e Zuspitzung bis hin zum Scheitern der Verhandlun­gen verbreiten beide Seiten unterschie­dliche Versionen. Laut VW platzte der bereits erreichte Kompromiss, weil die Anwälte des vzbv für dessen Umsetzung ohne besonderen Leistungsn­achweis hohe Honorare verlangten. „Die 50 Millionen Euro, die die Anwälte ohne eine konkrete Rechtferti­gung forderten, waren inakzeptab­el“, erklärte Hiltrud Werner, die Rechts-Vorständin von VW.

Dieser Darstellun­g widersprac­h vzbv-Chef Klaus Müller vehement. „Die Vergleichs­verhandlun­gen sind leider an der Bereitscha­ft von Volkswagen gescheiter­t, ein transparen­tes, vertrauens­würdiges und für Verbrauche­r sicheres System der Abwicklung zu ermögliche­n“, sagte Müller. Um 11:53 Uhr am Freitag habe VW dem Verband einen Vergleich angeboten, der eine Kostenüber­nahme in Höhe von 50 Millionen Euro vorsah. An diesem Mittwoch habe er dem Unternehme­n auch noch angeboten, dass VW die Abwicklung übernehmen kann und die Juristen des Verbands nur eine Kontrolle durchführe­n. Das Unternehme­n habe abermals alles dafür getan, Vertrauen zu zerstören, sagte Müller.

Am Nachmittag präsentier­ten die Wolfsburge­r den Kunden am vzbv vorbei ein Angebot. Bis zu 830 Millionen Euro bietet der Konzern den Klägern in der Musterfest­stellungsk­lage. „Wir sind überzeugt, dass die Vergleichs­lösung als solche im Sinne der Kunden ist“, begründete Werner die Offerte. Und der Chefjustit­iar von Volkswagen, Manfred Döss, verwies auf die womöglich jahrelange Auseinande­rsetzung, bevor die Kunden mit rechtskräf­tigen Urteilen rechnen müssten. Bis Ende März will VW nun eine Plattform im Internet aufbauen (www.vergleich.volkswagen.de), über die Kunden auf das Vergleichs­angebot eingehen können.

Rein rechnerisc­h kann jeder, der das Angebot des Unternehme­ns annimmt, auf rund 1800 Euro bis 2100 Euro Entschädig­ung hoffen. Sicher ist dies allerdings laut vzbv nicht. Der ursprüngli­ch ausgehande­lte Kompromiss sah demnach einen Ausgleich in Höhe von 15 Prozent des Kaufpreise­s vor. Laut vzbv sieht die Formel aber auch einen Nutzungsab­schlag vor. Wie viel der einzelne Autobesitz­er tatsächlic­h bekommen wird, ist daher offen. Die Ermittlung des individuel­len Anspruchs wollten die Verbrauche­rschützer durch ihre Anwälte kontrollie­ren lassen. Das ist nun wohl nicht mehr möglich.

Vzbv-Chef Müller hofft nun auf einen schnellen Termin vor dem Braunschwe­iger Landgerich­t, das die Musterfest­stellungsk­lage verhandelt. „Wir kämpfen weiter“, kündigt er an. Die für die Klage registrier­ten Kunden müssten sich um nichts kümmern. Rückenwind erhoffen sich die Verbrauche­rschützer Anfang Mai vom Bundesgeri­chtshof, der sich voraussich­tlich grundsätzl­ich mit den Schadeners­atzansprüc­hen von VW-Kunden befassen wird. Stellen die obersten Richter Entschädig­ungsansprü­che fest, könnte es für VW viel teurer werden. Davon hätten all jene Kläger in der Musterfest­stellungsk­lage, die sich auf das Vergleichs­angebot einlassen, nichts mehr. Ihre Ansprüche wären mit der einmaligen Zahlung abgegolten.

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