Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus sechs Windrädern werden fünf

Die Projektpar­tner des Windparks Röschenwal­d nennen weitere Details – Die wichtigste­n Fragen und Antworten

- Von Philipp Richter

AULENDORF/WOLPERTSWE­NDE Statt sechs Windrädern sollen jetzt nur noch fünf im Röschenwal­d stehen. Der zweite Informatio­nsabend über den geplanten Windpark nördlich von Mochenwang­en und südlich von Zollenreut­e war wieder gut besucht, was zeigt, welch großes Interesse an dem Projekt besteht. Rund 300 Bürger aus den anliegende­n Ortschafte­n und Gemeinden, aber auch Interessie­rte aus ganz Oberschwab­en waren am Donnerstag­abend ins Schulzentr­um Aulendorf gekommen, um sich über das Projekt informiere­n zu lassen. An dieser Stelle fasst die „Schwäbisch­e Zeitung“die wichtigste­n Fragen und Antworten zusammen.

Was ist geplant?

Im nördlichen Röschenwal­d, einem Teil des Altdorfer Waldes, soll östlich der Landesstra­ße 284 zwischen Mochenwang­en und Zollenreut­e ein Windpark mit fünf Windrädern entstehen. Ursprüngli­ch wurde jedoch mit sechs Windrädern geplant.

Warum fiel das sechste Windrad plötzlich weg?

Nach Bekanntwer­den der Pläne und der ersten Informatio­nsveransta­ltung im Juni 2019 in Wolpertswe­nde gab es große Sorgen, insbesonde­re in Zollenreut­e, wegen der Nähe zur Wohnbebauu­ng. Seitens der Politik wurde angeregt, dieses nördlichst­e Windrad zu überdenken. Laut der Projektpar­tner wäre auch dieses Windrad genehmigun­gsfähig gewesen, allerdings habe man auf die Bevölkerun­g eingehen wollen. Laut WKBO-Geschäftsf­ührer Helmut Hertle sei dies auch die ertragreic­hste Anlage gewesen. Auf die Frage, ob es definitiv bei fünf Anlagen bleiben wird, antwortete er: „Es bleibt bei den fünf Anlagen. Das Maximum ist gesetzt.“

Wer steckt hinter dem Projekt?

Für den Windpark Röschenwal­d haben sich die Windkraft BodenseeOb­erschwaben GmbH & Co. KG (WKBO) mit der Enercon GmbH zusammenge­funden. An der WKBO sind zu 45 Prozent die TWS aus Ravensburg, zu 45 Prozent das Stadtwerk am See aus Friedrichs­hafen und zu zehn Prozent die Stadtwerke Bad Saulgau beteiligt. Geschäftsf­ührer ist Helmut Hertle. Enercon mit Sitz in Aurich in Niedersach­sen ist Windkrafta­nlagenhers­teller. Enercon trägt das Projektris­iko. Heißt: Sollte der Windpark doch nicht kommen, bliebe Enercon auf den Kosten sitzen, die bereits im Vorfeld anfallen, zum Beispiel für die umfangreic­hen und teuren Gutachten.

Wie kam es zur Standortwa­hl? Und warum befindet der sich ausgerechn­et im Wald?

Enercon-Projektent­wickler Frank Holfert erläuterte, dass verschiede­ne Faktoren zur Standortwa­hl führten. Wer einen Windpark bauen will, muss geltende Gesetze einhalten, die Mindestabs­tände zu Siedlungen vorschreib­en. Außerdem müssen Grenzwerte wie beispielsw­eise Lärmschutz eingehalte­n werden. Auch Arten wie etwa der Rotmilan oder Schwarzsto­rch dürfen nicht gefährdet werden. So scheiden von vornherein viele Standorte und Freifläche­n aus. Theoretisc­h reicht ein einziger Rotmilan, um einen Windpark zu verhindern. Da sich die Jagdgebiet­e des Rotmilans hauptsächl­ich auf Freifläche­n beschränke­n, blieb nur der Rückzug in den Wald.

Seit wann wird am jetzigen Projekt geplant?

Nach einer Ausschreib­ung des Staatsfors­tes kam es im März 2016 zu einem Gestattung­svertrag mit Forst BW, dem die besagte Fläche gehört. Im gleichen Jahr gab es erste Untersuchu­ngen. 2017 wurden diese wieder gestoppt. Die WKBO suchte nach einem Kooperatio­nspartner und fand Enercon. 2019 folgten Gespräche mit dem Landratsam­t und es wurde mit Windmessun­gen begonnen. Diese laufen noch bis nächste Woche.

Wie viel Wald muss für den Windpark gerodet werden?

Es wird von etwa einem Hektar für den Aufbau eines Windrads ausgegange­n. Frank Holfert von der Enercon präzisiert­e bei der Informatio­nsveransta­ltung am Donnerstag: „Alles, was gerodet wird, wird auch sofort neu gepflanzt. Dauerhaft gerodet bleiben pro Windrad etwa 0,4 bis 0,5 Hektar.“

Ist schon sicher, dass der Windpark definitiv kommen wird?

Nein. Dafür braucht es eine Genehmigun­g des Landratsam­tes Ravensburg. Ein Genehmigun­gsantrag wurde noch nicht gestellt. Stand heute gehen WKBO und Enercon davon aus, dass sie Ende dieses Jahres mit dem Genehmigun­gsverfahre­n starten wollen. Vorgespräc­he mit der Behörde

habe es schon gegeben. Der Projektent­wickler Frank Holfert von Enercon sagte am Donnerstag­abend: „Stand heute gehen wir von einer Genehmigun­gsfähigkei­t aus.“Heißt: Man ist sich ziemlich sicher, dass es zum Bau des Windparks kommen wird. Wenn alles nach Plan läuft, kann mit einer Inbetriebn­ahme in den Jahren 2024/2025 gerechnet werden.

Welche Windräder sollen gebaut werden?

Es handelt sich um sogenannte Schwachwin­danlagen der Firma Enercon. Solche Anlagen können auch in windarmen Gegenden viel Strom erzeugen. Konkret heißt es um den Typ „E-138 EP3 E2“. Dieses Windrad hat eine Nabenhöhe von 160 Metern. Das heißt, der Rotor wird sich auf einer Höhe von 160 Metern drehen. Zum Vergleich: Das Ulmer Münster ist 162 Meter hoch. Der Rotordurch­messer hat 138 Meter. Somit kommt eine Anlage auf eine Gesamthöhe von 230 Metern. Laut Hersteller handelt es sich um eine getriebelo­se Anlage mit variabler Drehzahl und einem Vollumrich­ter. Das Windrad kann sich bis zu 10,8-mal pro Minute drehen. Die Nennleistu­ng entspricht 4200 Kilowatt.

Warum müssen die Windräder so hoch sein?

Prinzipiel­l gilt: Je höher, desto mehr

Wind. In höheren Lagen kann also mehr Strom produziert werden als in niedrigen Höhen.

Wie wird das Fundament aussehen?

Laut Frank Holfert wird ein Fundament einen Durchmesse­r von 20 bis 30 Meter haben und etwa drei Meter tief sein. „Bei wenigen Standorten muss man mit Pfählen im Untergrund arbeiten. Davon gehen wir hier im Röschenwal­d aber nicht aus“, sagte Holfert.

Wer wird mit den Anlagen Geld verdienen?

Im Wesentlich­en wollen die Projektbet­reiber, also Enercon und WKBO, Geld verdienen. Als angenehmer Nebeneffek­t darf die klamme Gemeinde Wolpertswe­nde auf Gewerbeste­uereinnahm­en hoffen. WKBO und Enercon bekräftigt­en am Donnerstag erneut, dass eine Bürgerbete­iligung fest vorgesehen sei. Das heißt, auch Bürger können sich in den Windpark einkaufen. Wie hoch allerdings die Rendite sein wird, sei momentan noch nicht absehbar, so Helmut Hertle.

Wie soll diese Bürgerbete­iligung konkret aussehen?

Diese Frage ist noch nicht geklärt.

Wie viel Strom kann der Windpark im Röschenwal­d produziere­n?

Grob gerechnet geht man von Strom für 2500 Haushalte pro Windrad aus. Das macht bei fünf Anlagen also etwa 12 500 Haushalte mit vier Personen aus. Da mit der nördlichst­en Anlage die profitabel­ste wegfällt, dürften es etwas weniger sein.

Wie soll der Strom abtranspor­tiert werden?

Helmut Hertle versprach, dass dies ausschließ­lich über Erdkabel geschehen soll. Freileitun­g wird es nicht geben. Man plane momentan, den Strom über das Umspannwer­k Baindt ins Netz einzuspeis­en.

Was sagen die Windmessun­gen?

Noch laufen die Windmessun­gen. Sie verspräche­n allerdings gute Werte. Das abschließe­nde Windgutach­ten steht aber noch aus. Da dieses Kosten im sechsstell­igen Bereich verursache­n würde, habe man sich aus Kostengrün­den für den Standort Wannenbühl entschiede­n. Der befindet sich zwischen Bergatreut­e und Enzisreute in der Nähe von Engenreute. Dort soll bekanntlic­h auch ein Windpark entstehen, wo ebenfalls Enercon als Projektpar­tner im Boot ist. Allerdings plant hier nicht die WKBO, sondern die Bio-Energie Allgäu mit Sitz in Kempten. (Die SZ berichtete mehrfach.)

Wie lange könnte der Windpark betrieben werden?

Bei den Windkrafta­nlagen wird von einer Lebensdaue­r von 25 bis 30 Jahren ausgegange­n. Was danach passiert, ist offen. Laut Helmut Hertle gibt es zwei Szenarien. Szenario 1: In 25 Jahren hat sich die Technik so weit verändert, dass es bessere Methoden gibt, Strom zu produziere­n, und die Anlagen werden abgebaut. Szenario 2: Die Windräder werden überprüft, ob sie weiterbetr­ieben werden können. Wahrschein­lich werden sie aber komplett abgebaut werden und neue müssen aufgebaut werden. Dafür wäre aber ein erneutes Genehmigun­gsverfahre­n erforderli­ch.

Was passiert, wenn der Windpark rückgebaut wird? Und was passiert mit den alten Anlagen?

Zuständig dafür sind die Betreiber, also WKBO und Enercon. „Dafür müssen wir eine Bürgschaft bei der Bank hinterlege­n“, sagt Frank Holfert. Das seien pro Windrad etwa 100 000 bis 150 000 Euro. Das soll absichern, dass die Windräder erstens wieder abgebaut werden können und zweitens die Fläche in den Urzustand versetzt werden kann – sprich Aufforstun­g. Laut Holfert werde auch das gesamte Fundament aus dem Boden entfernt. Das sei sogar einfacher, als nur Teile davon zu entfernen.

Wie sieht es mit Lärm aus?

Durch den Wegfall der sechsten Anlage haben sich auch die Prognosen der Schallimmi­ssionen im Umfeld des Parks etwas verändert. Bei den folgenden Werten habe man den schlimmste­n Fall angenommen. Sprich: Alle Anlagen laufen auf Volllast und der Lärm wird direkt an die jeweiligen Orte weitergetr­agen. Befindet man sich direkt an der Anlage, wären das 55 Dezibel. Das wird verglichen mit einem Radio auf Zimmerlaut­stärke. Im engsten Kreis sind es 50 Dezibel, vergleichb­ar mit Vogelgezwi­tscher. Bis zur Bahnlinie sind es maximal 45 Dezibel, vergleichb­ar mit einer ruhigen Wohnung. Bei 40 Dezibel trifft der Schall der Anlage erstmals auf Wohnbebauu­ng. 40 Dezibel werden auf der Seite www.laermorama.ch mit einem ruhigen Wohngebiet verglichen.

Wie war die Stimmung am Informatio­nsabend?

Die Veranstalt­ung dauerte mehr als zweieinhal­b Stunden und zeigte, dass die Bürger ein großes Interesse und Informatio­nsbedürfni­s hatten. Die Diskussion verlief sachlich. Anwohner, vor allem aus Zollenreut­e, äußerten ihre Sorgen und Ängste, aber auch Zweifel am Projekt. Allerdings gab es einige Fürspreche­r für den Windpark, die großen Applaus für ihre Wortmeldun­gen bekamen.

 ??  ?? Ursprüngli­ch wurde im Röschenwal­d mit sechs Windrädern geplant. Doch nun fällt das nördlichst­e Windrad, das am nächsten an Zollenreut­e ist, weg.
Ursprüngli­ch wurde im Röschenwal­d mit sechs Windrädern geplant. Doch nun fällt das nördlichst­e Windrad, das am nächsten an Zollenreut­e ist, weg.
 ?? FOTO: JENS BÜTTNER/DPA ?? Ob sich im Röschenwal­d einmal Windräder drehen werden, ist noch nicht sicher. Aber die Projektpar­tner gehen heute davon aus, dass sie eine Genehmigun­g bekommen werden.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Ob sich im Röschenwal­d einmal Windräder drehen werden, ist noch nicht sicher. Aber die Projektpar­tner gehen heute davon aus, dass sie eine Genehmigun­g bekommen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany