Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Aus sechs Windrädern werden fünf
Die Projektpartner des Windparks Röschenwald nennen weitere Details – Die wichtigsten Fragen und Antworten
AULENDORF/WOLPERTSWENDE Statt sechs Windrädern sollen jetzt nur noch fünf im Röschenwald stehen. Der zweite Informationsabend über den geplanten Windpark nördlich von Mochenwangen und südlich von Zollenreute war wieder gut besucht, was zeigt, welch großes Interesse an dem Projekt besteht. Rund 300 Bürger aus den anliegenden Ortschaften und Gemeinden, aber auch Interessierte aus ganz Oberschwaben waren am Donnerstagabend ins Schulzentrum Aulendorf gekommen, um sich über das Projekt informieren zu lassen. An dieser Stelle fasst die „Schwäbische Zeitung“die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.
Was ist geplant?
Im nördlichen Röschenwald, einem Teil des Altdorfer Waldes, soll östlich der Landesstraße 284 zwischen Mochenwangen und Zollenreute ein Windpark mit fünf Windrädern entstehen. Ursprünglich wurde jedoch mit sechs Windrädern geplant.
Warum fiel das sechste Windrad plötzlich weg?
Nach Bekanntwerden der Pläne und der ersten Informationsveranstaltung im Juni 2019 in Wolpertswende gab es große Sorgen, insbesondere in Zollenreute, wegen der Nähe zur Wohnbebauung. Seitens der Politik wurde angeregt, dieses nördlichste Windrad zu überdenken. Laut der Projektpartner wäre auch dieses Windrad genehmigungsfähig gewesen, allerdings habe man auf die Bevölkerung eingehen wollen. Laut WKBO-Geschäftsführer Helmut Hertle sei dies auch die ertragreichste Anlage gewesen. Auf die Frage, ob es definitiv bei fünf Anlagen bleiben wird, antwortete er: „Es bleibt bei den fünf Anlagen. Das Maximum ist gesetzt.“
Wer steckt hinter dem Projekt?
Für den Windpark Röschenwald haben sich die Windkraft BodenseeOberschwaben GmbH & Co. KG (WKBO) mit der Enercon GmbH zusammengefunden. An der WKBO sind zu 45 Prozent die TWS aus Ravensburg, zu 45 Prozent das Stadtwerk am See aus Friedrichshafen und zu zehn Prozent die Stadtwerke Bad Saulgau beteiligt. Geschäftsführer ist Helmut Hertle. Enercon mit Sitz in Aurich in Niedersachsen ist Windkraftanlagenhersteller. Enercon trägt das Projektrisiko. Heißt: Sollte der Windpark doch nicht kommen, bliebe Enercon auf den Kosten sitzen, die bereits im Vorfeld anfallen, zum Beispiel für die umfangreichen und teuren Gutachten.
Wie kam es zur Standortwahl? Und warum befindet der sich ausgerechnet im Wald?
Enercon-Projektentwickler Frank Holfert erläuterte, dass verschiedene Faktoren zur Standortwahl führten. Wer einen Windpark bauen will, muss geltende Gesetze einhalten, die Mindestabstände zu Siedlungen vorschreiben. Außerdem müssen Grenzwerte wie beispielsweise Lärmschutz eingehalten werden. Auch Arten wie etwa der Rotmilan oder Schwarzstorch dürfen nicht gefährdet werden. So scheiden von vornherein viele Standorte und Freiflächen aus. Theoretisch reicht ein einziger Rotmilan, um einen Windpark zu verhindern. Da sich die Jagdgebiete des Rotmilans hauptsächlich auf Freiflächen beschränken, blieb nur der Rückzug in den Wald.
Seit wann wird am jetzigen Projekt geplant?
Nach einer Ausschreibung des Staatsforstes kam es im März 2016 zu einem Gestattungsvertrag mit Forst BW, dem die besagte Fläche gehört. Im gleichen Jahr gab es erste Untersuchungen. 2017 wurden diese wieder gestoppt. Die WKBO suchte nach einem Kooperationspartner und fand Enercon. 2019 folgten Gespräche mit dem Landratsamt und es wurde mit Windmessungen begonnen. Diese laufen noch bis nächste Woche.
Wie viel Wald muss für den Windpark gerodet werden?
Es wird von etwa einem Hektar für den Aufbau eines Windrads ausgegangen. Frank Holfert von der Enercon präzisierte bei der Informationsveranstaltung am Donnerstag: „Alles, was gerodet wird, wird auch sofort neu gepflanzt. Dauerhaft gerodet bleiben pro Windrad etwa 0,4 bis 0,5 Hektar.“
Ist schon sicher, dass der Windpark definitiv kommen wird?
Nein. Dafür braucht es eine Genehmigung des Landratsamtes Ravensburg. Ein Genehmigungsantrag wurde noch nicht gestellt. Stand heute gehen WKBO und Enercon davon aus, dass sie Ende dieses Jahres mit dem Genehmigungsverfahren starten wollen. Vorgespräche mit der Behörde
habe es schon gegeben. Der Projektentwickler Frank Holfert von Enercon sagte am Donnerstagabend: „Stand heute gehen wir von einer Genehmigungsfähigkeit aus.“Heißt: Man ist sich ziemlich sicher, dass es zum Bau des Windparks kommen wird. Wenn alles nach Plan läuft, kann mit einer Inbetriebnahme in den Jahren 2024/2025 gerechnet werden.
Welche Windräder sollen gebaut werden?
Es handelt sich um sogenannte Schwachwindanlagen der Firma Enercon. Solche Anlagen können auch in windarmen Gegenden viel Strom erzeugen. Konkret heißt es um den Typ „E-138 EP3 E2“. Dieses Windrad hat eine Nabenhöhe von 160 Metern. Das heißt, der Rotor wird sich auf einer Höhe von 160 Metern drehen. Zum Vergleich: Das Ulmer Münster ist 162 Meter hoch. Der Rotordurchmesser hat 138 Meter. Somit kommt eine Anlage auf eine Gesamthöhe von 230 Metern. Laut Hersteller handelt es sich um eine getriebelose Anlage mit variabler Drehzahl und einem Vollumrichter. Das Windrad kann sich bis zu 10,8-mal pro Minute drehen. Die Nennleistung entspricht 4200 Kilowatt.
Warum müssen die Windräder so hoch sein?
Prinzipiell gilt: Je höher, desto mehr
Wind. In höheren Lagen kann also mehr Strom produziert werden als in niedrigen Höhen.
Wie wird das Fundament aussehen?
Laut Frank Holfert wird ein Fundament einen Durchmesser von 20 bis 30 Meter haben und etwa drei Meter tief sein. „Bei wenigen Standorten muss man mit Pfählen im Untergrund arbeiten. Davon gehen wir hier im Röschenwald aber nicht aus“, sagte Holfert.
Wer wird mit den Anlagen Geld verdienen?
Im Wesentlichen wollen die Projektbetreiber, also Enercon und WKBO, Geld verdienen. Als angenehmer Nebeneffekt darf die klamme Gemeinde Wolpertswende auf Gewerbesteuereinnahmen hoffen. WKBO und Enercon bekräftigten am Donnerstag erneut, dass eine Bürgerbeteiligung fest vorgesehen sei. Das heißt, auch Bürger können sich in den Windpark einkaufen. Wie hoch allerdings die Rendite sein wird, sei momentan noch nicht absehbar, so Helmut Hertle.
Wie soll diese Bürgerbeteiligung konkret aussehen?
Diese Frage ist noch nicht geklärt.
Wie viel Strom kann der Windpark im Röschenwald produzieren?
Grob gerechnet geht man von Strom für 2500 Haushalte pro Windrad aus. Das macht bei fünf Anlagen also etwa 12 500 Haushalte mit vier Personen aus. Da mit der nördlichsten Anlage die profitabelste wegfällt, dürften es etwas weniger sein.
Wie soll der Strom abtransportiert werden?
Helmut Hertle versprach, dass dies ausschließlich über Erdkabel geschehen soll. Freileitung wird es nicht geben. Man plane momentan, den Strom über das Umspannwerk Baindt ins Netz einzuspeisen.
Was sagen die Windmessungen?
Noch laufen die Windmessungen. Sie versprächen allerdings gute Werte. Das abschließende Windgutachten steht aber noch aus. Da dieses Kosten im sechsstelligen Bereich verursachen würde, habe man sich aus Kostengründen für den Standort Wannenbühl entschieden. Der befindet sich zwischen Bergatreute und Enzisreute in der Nähe von Engenreute. Dort soll bekanntlich auch ein Windpark entstehen, wo ebenfalls Enercon als Projektpartner im Boot ist. Allerdings plant hier nicht die WKBO, sondern die Bio-Energie Allgäu mit Sitz in Kempten. (Die SZ berichtete mehrfach.)
Wie lange könnte der Windpark betrieben werden?
Bei den Windkraftanlagen wird von einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren ausgegangen. Was danach passiert, ist offen. Laut Helmut Hertle gibt es zwei Szenarien. Szenario 1: In 25 Jahren hat sich die Technik so weit verändert, dass es bessere Methoden gibt, Strom zu produzieren, und die Anlagen werden abgebaut. Szenario 2: Die Windräder werden überprüft, ob sie weiterbetrieben werden können. Wahrscheinlich werden sie aber komplett abgebaut werden und neue müssen aufgebaut werden. Dafür wäre aber ein erneutes Genehmigungsverfahren erforderlich.
Was passiert, wenn der Windpark rückgebaut wird? Und was passiert mit den alten Anlagen?
Zuständig dafür sind die Betreiber, also WKBO und Enercon. „Dafür müssen wir eine Bürgschaft bei der Bank hinterlegen“, sagt Frank Holfert. Das seien pro Windrad etwa 100 000 bis 150 000 Euro. Das soll absichern, dass die Windräder erstens wieder abgebaut werden können und zweitens die Fläche in den Urzustand versetzt werden kann – sprich Aufforstung. Laut Holfert werde auch das gesamte Fundament aus dem Boden entfernt. Das sei sogar einfacher, als nur Teile davon zu entfernen.
Wie sieht es mit Lärm aus?
Durch den Wegfall der sechsten Anlage haben sich auch die Prognosen der Schallimmissionen im Umfeld des Parks etwas verändert. Bei den folgenden Werten habe man den schlimmsten Fall angenommen. Sprich: Alle Anlagen laufen auf Volllast und der Lärm wird direkt an die jeweiligen Orte weitergetragen. Befindet man sich direkt an der Anlage, wären das 55 Dezibel. Das wird verglichen mit einem Radio auf Zimmerlautstärke. Im engsten Kreis sind es 50 Dezibel, vergleichbar mit Vogelgezwitscher. Bis zur Bahnlinie sind es maximal 45 Dezibel, vergleichbar mit einer ruhigen Wohnung. Bei 40 Dezibel trifft der Schall der Anlage erstmals auf Wohnbebauung. 40 Dezibel werden auf der Seite www.laermorama.ch mit einem ruhigen Wohngebiet verglichen.
Wie war die Stimmung am Informationsabend?
Die Veranstaltung dauerte mehr als zweieinhalb Stunden und zeigte, dass die Bürger ein großes Interesse und Informationsbedürfnis hatten. Die Diskussion verlief sachlich. Anwohner, vor allem aus Zollenreute, äußerten ihre Sorgen und Ängste, aber auch Zweifel am Projekt. Allerdings gab es einige Fürsprecher für den Windpark, die großen Applaus für ihre Wortmeldungen bekamen.