Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Plätzlerball ermittelte den „Superäct“
Beim Narrenfestabend im Kuko feierte die Plätzlerzunft die Fasnet – und sich selbst
WEINGARTEN - Wenn Rotkäppchen mit dem Wolf das Tanzbein schwingt, der Teufel einem Engel zart über die Flügel streicht, der Polizeipräsident in eine Kapitänsuniform geschlüpft ist und Oberbürgermeister Markus Ewald die Narrenkappe aufgesetzt hat, dann ist vermutlich – Plätzlerball. Schon allein auch deshalb, weil Fasnetspapst Jürgen Hohl unter den Anwesenden war.
Die 81. Auflage einer der Höhepunkte der Weingartener Fasnet stand im Zeichen von Abschieden, Erinnerungen und einer eigenwilligen Interpretation beliebter Castingsshows. Doch vor allem feierten die Plätzler im vollbesetzten Kulturund Kongresszentrum in Weingarten am Samstagabend die Fasnet und insbesondere sich selbst. Das Zunftratsballett suchte den „Superäct“, doch keine Darbietung war der hart urteilenden Jury gut genug – man wählte kurzerhand sich selbst als beste Attraktion des Abends.
Doch wie es sich für einen gemütlichen Samstagabend gehört, gab es zunächst einmal nach dem Einspringen der Narren die „Tagesschau“zur Einstimmung. Die wichtigste Nachricht kam natürlich zuerst: Eugen Hund darf sich „Weltmeister“im Karbatschen-Schnellen nennen (SZ berichtete), auch wenn dieser Titel nur inoffiziell ist, aber wen interessiert das schon. Interessant war auch die Meldung, das Problem der 14Nothelfer-Krankenhausschließung sei nun endgültig gelöst.
Alternativ habe nun im Rathaus ein „Campus“geöffnet mit Notaufnahme im Erdgeschoss und Geburtsstation ein Stockwerk darüber. Das kompetente Team von Chefarzt Professor Doktor Markus Ewald, flankiert vom Leiter der Hebammen-Abteilung Professor Doktor Alexander Geiger sowie einer der Koryphäen auf dem Gebiet der Ernährungsberatung, Professor Doktor Rainer Beck, habe die Pläne für diese Notfallsituation schon lange in der Schublade gehabt. Betten gäbe es im Bären nebenan, das Essen wäre vorzüglich.
Auch von einer Helmpflicht für Schüler berichtete Nachrichtensprecher Florian Bodenmüller, die aufgrund des maroden Zustands der Weingartener Bildungsanstalten eingeführt worden sei. Lehrkräfte seien zu Renovierungsarbeiten abgezogen worden, das spare Kosten.
Und auch eine wesentliche Forderung der Unesco zur Anerkennung des Blutritts als Kulturerbe sei nun endlich erfüllt. Zukünftig werde auch das Fasnetsbutzarössle an Europas größter Reiterprozession teilnehmen. Die Maßnahme würde auch dem Reiterrückgang entgegenwirken. Soweit die wichtigsten Nachrichten in Kürze.
Sichtlich gealtert schwelgten dann Zunftmeisterin Susanne Frankenhauser und der Ex-Ball- und
Zahlmeister Markus Uhl vor der Kulisse des Weingartener Stadtgartens in Erinnerungen an die Tage der Plätzlertanzgruppe unter der Leitung von Evelyn Otten. Doch die ebenfalls betagten Tänzerinnen schlagen dem Alter ein Schnippchen – „DJ hau de Beat nei“– und blicken noch einmal auf die vergangenen Jahre zurück. Mit einem Tanzmedley aus 13 Jahren huldigten sie und ihre männlichen Statisten ihrer Leiterin Evelyn Otten, die nun nach 1865 Stunden Arbeit und Spaß aufhört. Ob das aber auch das Ende der Gruppe ist? Man wagt es nicht zu denken und die Zukunft ist bekanntlich ungewiss und offen.
Sicher ist aber der Abschied von Markus Uhl als Moderator, der sich mit einer Version des Frank-SinatraKlassikers „My way“auf seine Weise verabschiedete. Sein Nachfolger Jürgen Selg tritt in seine großen Fußstapfen.
Sicher ist auch das Ergebnis der Castingshow „Plätzler sucht den Superäct“,
einer hauseigenen Interpretation von „Deutschland sucht den Superstar“und Co. Nichts, aber auch gar nichts wollte der Jury des Titels würdig sein. Nicht Mireille Mathieus „Basilika adieu“, dargestellt von Patric Münkel, die sich kurzerhand selbst in die Jury wählte, nicht ein gruseliger Karbatschenauftritt, nicht Milena und Vanessa, die sich in ihrer Stuhlchoreografie zwischen Kunst und Katastrophe „bewegten“, nicht das Balletttrio im weißen Tüll. Auch ein Udo-Jürgens-im-BademantelVersuch, der dem Publikum eine „Fasnet ohne Leiden“versprach und die Weingartener ABBA-Version hielten der gnadenlosen Kritik nicht stand. Es blieb am Ende nur ein Kandidat übrig, der sich des Titels „TopÄct“als würdig erwies: die Plätzler selbst.
Und das wurde würdig gefeiert mit Tanzmusik, dem Fanfarenzug „Löwen“aus Baienfurt, den Schussagugga aus Weingarten und Xälzbäre aus Dürnau.