Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
An der Südbahn wird rund um die Uhr gearbeitet
Das passiert ab Montag während der Sperrung auf der Strecke zwischen Aulendorf und Ravensburg
KREIS RAVENSBURG - Die Arbeiten für die Elektrifizierung der Südbahn zwischen Aulendorf und Ravensburg sind schon jetzt in vollem Gange. Von Montag, 2. März, bis inklusive Sonntag, 12. Juli, wird der Streckenabschnitt zusätzlich für den Zugverkehr gesperrt, damit die rund 800 Maste gestellt werden, die Oberleitung eingezogen und in den Bahnhöfen Aulendorf und Ravensburg die ersten Arbeiten beginnen können. Für Bahnreisende heißt es dann, mehr als vier Monate lang auf den Bus umzusteigen.
Seit dem Frühjahr 2018 wird an der Südbahn zwischen Ulm und Lindau an der Elektrifizierung gearbeitet. Seit Herbst 2018 gibt es abschnittsweise Sperrungen und Schienenersatzverkehr. Ab Ende Dezember 2021 sollen dann endlich auch vom Bodensee bis nach Ulm endgültig die Dieselloks durch ELoks ersetzt werden. Damit fällt auch der lästige Loktausch im Ulmer Hauptbahnhof weg, der Zeit frisst.
Zuständig für die Elektrifizierung der Südbahn ist das Unternehmen Spitzke SE aus Großbeeren im Süden von Berlin. „Wir werden mit etwa 70 Monteuren im Abschnitt zwischen Aulendorf und Ravensburg im Einsatz sein“, sagt Mario Atzler, Projektleiter bei der Firma Spitzke. Untergebracht werden die Mitarbeiter in Wohncontainern in einer Umlandgemeinde.
Zwar beginnt die Streckensperrung zwischen Aulendorf und Ravensburg erst am Montag, aber die eigentlichen Arbeiten an diesem Abschnitt laufen schon seit Monaten, wie Mario Atzler erklärt. „Seit Juli 2019 waren wir durchgängig im Durchschnitt mit 20 Monteuren im Abschnitt von Aulendorf bis Friedrichshafen vor Ort für die Vorbereitungsarbeiten“, so der Projektleiter. Unter anderem haben sie vermessen, die Bodenbeschaffenheit ausgewertet und nach Kampfmitteln gesucht. Gefunden wurden allerdings keine. Den ganzen Februar über hat es nachts Logistikfahrten gegeben. Sprich: Pfeiler, Rohre und weiteres Material sind entlang der Strecke verteilt worden, damit mit Start der Streckensperrung sofort mit den Arbeiten begonnen werden kann. Wer aufmerksam unterwegs ist, der hat dieser Tage Spitzke-Autos entlang der Bahnlinie beobachten können.
Ab März wird es dann ernst und man wird den Baufortschritt offensichtlich verfolgen können. Begonnen wird jeweils in den Bahnhöfen Aulendorf und Ravensburg sowie auf der freien Strecke dazwischen. Man arbeite parallel und zeitlich versetzt, um möglichst schnell voranzukommen. „In Aulendorf sind die Arbeiten vom 2. März bis 22. August geplant. Die Arbeiten in Wolpertswende/ Mochenwangen, Baienfurt/Niederbiegen, Weingarten und Ravensburg finden durchgängig im gesamten Zeitraum statt“, so Mario Atzler. Auf der freien Strecke zwischen den großen Bahnhöfen schlagen sich die Montagekolonnen von Ravensburg in Richtung Aulendorf durch. Allein in diesem Abschnitt müssen die Monteure rund 800 Maste stellen, die dann die SüdbahnOberleitung tragen werden.
Allerdings wird es in den Bahnhöfen langsamer vorangehen als auf der freien Strecke. „Dort sind wir nämlich an die Sperrpausen zwischen 9 und 15 Uhr und zwischen 19 und 6 Uhr gebunden“, erklärt Atzler. Die Monteure können nur in den Sperrpausen arbeiten, da in den Bahnhöfen noch Züge verkehren werden. Denn von Ravensburg aus fahren die Züge von und in Richtung Bodensee und von und bis Aulendorf aus Richtung Norden. Auf der freien Strecke sind die Spitzke-Mitarbeiter rund um die Uhr im Einsatz, um möglichst schnell zu sein. „Da arbeiten wir in mehreren Schichten durchgängig.“Nachts werde allerdings nicht gerammt, sondern lediglich „lärmarm“gebohrt. „Normaler leichter Baulärm kann auftreten“, so der Projektleiter.
Prinzipiell werden in den Bahnhöfen Stahlmaste gestellt, auf der freien Strecke Betonmaste. Dafür werden Rohre in den Boden gerammt
Projektleiter Mario Atzler über die Nachtarbeit
beziehungsweise gebohrt. Das dauert etwa ein bis zwei Stunden pro Standort. Danach werden die Maste gestellt und mit Beton verfüllt, was weitere zwei Stunden in Anspruch nimmt. Im Abstand von zwei bis drei Wochen folgt ein weiterer Bautrupp, der die Oberleitung einzieht. Mario Atzler rechnet damit, dass im Bereich Mochenwangen schon Ende März bis Mitte April die Oberleitung eingezogen werden kann.
Am meisten Zeit nimmt die Installation der Oberleitung selbst (in der Fachsprache Kettenwerk genannt) in Anspruch. Zwischen sechs und acht Stunden braucht es für eine Kettenwerkslänge (bis 1500 Meter). In den Bahnhöfen dauert das allerdings doppelt so lange, weil die Drähte einzeln gezogen werden müssen, was deutlich aufwendiger ist.
Neben den Oberleitungsarbeiten stehen auch noch weitere Projekte entlang der Strecke an. So wird die Stadt Aulendorf die Brücke bei Rugetsweiler in Eigenregie erneuern. Die Schenkenwaldbrücke zwischen Staig und Baindt, an der so viele Herzen in der Region hängen, wird von 11. bis 13. März ersatzlos abgerissen, weil sie für die Oberleitung zu niedrig ist und ein Neubau der Brücke den Gemeinden zu teuer ist.
Immer wieder hatte man in Gemeinderäten über einen Neubau gesprochen. Da die Kosten für einen Neubau letztlich bei fast 1,3 Millionen Euro ohne die Abbrucharbeiten lägen, entschied man sich in der Gemeinde Fronreute gegen den Neubau. Der Gemeinderat hatte nämlich im Frühjahr 2019 festgelegt, den Brücken-Neubau im Schenkenwald nur dann in Auftrag zu geben, wenn das Ergebnis der Ausschreibung unter 860 000 Euro (inklusive Abbruch) liegen sollte. Allerdings hatte der Gemeinderat
„Normaler leichter Baulärm kann auftreten.“
Fronreute im November 2019 erst beschlossen, ein Ingenieurbüro überprüfen zu lassen, ob der Neubau nicht günstiger zu bekommen ist. Voraussichtlich in der Märzsitzung soll in Fronreute wieder über die Schenkenwaldbrücke debattiert werden.
Die Elektrifizierung der Südbahn befindet sich nach heutigem Stand im Zeitplan, wie eine Bahnsprecherin
auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilt. Von 14. September bis 12. Dezember wird dann die Strecke zwischen Ravensburg und Friedrichshafen gesperrt. Das heißt, dass das Projekt zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2020 abgeschlossen sein wird. Die Inbetriebnahme der gesamten Südbahn ist allerdings erst auf den 31. Dezember 2021 terminiert.