Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Zahl der Verbrechen sinkt
Weniger Einbrüche, Kinderpornographie im Visier – Erkenntnisse aus der Kriminalstatistik
WEINGARTEN - Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) hat mehrere erfreuliche Trends zu bieten – und Zahlen, die besorgniserregend wirken. Was sagt die Statistik über die Sicherheit im Land aus, welche Fragen bleiben offen und wie sieht es im Süden aus? Wichtige Antworten im Überblick.
Wie hat sich die Zahl der Verbrechen insgesamt entwickelt? Insgesamt hat die Polizei für die PKS im Jahr 2019 rund 5,44 Millionen Straftaten festgestellt. Rechnet man Verstöße gegen das Aufenthaltsoder Asylrecht heraus, kommt man auf rund 5,27 Millionen. Damit sind die Straftaten insgesamt um 2,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Gesamtbevölkerung gewachsen – das heißt, pro Kopf sank die Zahl der Verbrechen noch stärker. Bestimmte Delikte werden allerdings in der PKS nicht erfasst: zum Beispiel politisch motivierte Verbrechen, Verkehrsdelikte und Finanz- und Steuerdelikte. Außerdem erfasst die PKS natürlich nur das sogenannte Hellfeld der Kriminalität – also Verbrechen, die der Polizei überhaupt bekannt werden. Das sogenannte Dunkelfeld ist nach Erkenntnissen der kriminologischen Forschung bei manchen Verbrechensarten sehr groß, etwa bei Gewalt und sexuellem Missbrauch im familiären Umfeld.
Bei welchen Verbrechensarten gibt es Rückgänge?
Etwas gesunken sind laut PKS im Jahr 2019 Gewaltdelikte, nämlich um 2,9 Prozent auf 181 054 Fälle. Deutlich seltener wurden Diebstähle gemeldet. Ihre Zahl ist deutschlandweit um 5,9 Prozent zurückgegangen, auf rund 1,82 Millionen Fälle. Das ist der niedrigste Wert seit 1987. Das liegt vor allem daran, dass die Zahl der gemeldeten Wohnungseinbrüche erneut stark zurückgegangen ist – nämlich um 10,6 Prozent auf 87 145 Fälle. Auch die gemeldeten Fälle von Taschendiebstahl sind um knapp zehn Prozent gesunken, die Zahl der Fälle aufgebrochener und gestohlener Autos ist ebenfalls um gut zehn Prozent auf 222 129 gesunken. Einen noch drastischeren Rückgang, um knapp ein Fünftel, gab es bei der Wirtschaftskriminalität: Darunter versteht man unter anderem Betrug, Anlage- und Insolvenzdelikte.
Bei welchen Verbrechensarten sind die Zahlen gestiegen? Deutlich häufiger gemeldet wurden Straftaten, die mit der Verbreitung pornografischer Schriften zusammenhängen, die Zunahme lag bei 51,6 Prozent. Besonders stark war die Zunahme bei der Verbreitung von Kinderpornografie, die Zahl der Delikte stieg um fast zwei Drittel (64,6 Pround zent). Das Bundesinnenministerium erklärt diesen drastischen Anstieg allerdings auch damit, dass die Sicherheitsbehörden den Verfolgungsdruck deutlich erhöht haben. Unter anderem habe die Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation NCMEC und deutschen Online-Beschwerdestellen zu deutlich mehr Hinweisen
Ermittlungsansätzen in diesem Bereich geführt. Eine deutliche Zunahme gab es darüber hinaus laut Kriminalstatistik auch bei Straftaten im digitalen Raum (plus 11,3 Prozent), beim Widerstand gegen und Angriffen auf Vertreter des Staates (acht Prozent) und bei Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz (6,3 Prozent).
Was ist bemerkenswert mit Blick auf Bayern und Baden-Württemberg?
Weniger Diebstähle, mehr Gewalt gegen Einsatzkräfte: Die Trends sind bei den Kriminalstatistiken in Bayern und im Südwesten ähnlich wie bundesweit. Im am Montag vorgestellten Bericht zur Kriminalität im Südwesten wurde der Anstieg von Angriffen gegen Einsatzkräfte unterstrichen: Fast 5000 Taten wurden in BadenWürttemberg 2019 erfasst, knapp fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hob bei der Vorstellung der Zahlen für Bayern am 9. März unter anderem die überdurchschnittliche Aufklärungsquote von 65 Prozent hervor. Deutschlandweit lag sie bei 56,2 Prozent.
Was fällt noch auf bei der Kriminalstatistik?
Bei Gewaltverbrechen stieg die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger, also im Alter zwischen sechs und 21 Jahren, im vergangenen Jahr um rund 4,6 Prozent auf 23 619. Außerdem bemerkenswert: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Georg Maier (SPD), Innenminister von Thüringen und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, wiesen in ihren Statements zur Statistik auf einen Bereich hin, der gar nicht von der PKS erfasst wird: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Beide betonten, dass damit eine große Gefahr für die Sicherheit in Deutschland verbunden sei, Seehofer nannte Rechtsextremismus erneut „die derzeit größte Bedrohung in unserem Land“.