Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Blühstreif­en und Bienenhote­ls sind große Hilfen

Marion Aloe erklärt, wie der heimische Garten besonders insektenfr­eundlich gestaltet werden kann

- Borrasch@gmx.de Von Nora Kneer

Verlassene Gebäude, nicht mehr genutzte Objekte, die bessere Zeiten längst hinter sich haben und dem Verfall überlassen werden, sind viele zu finden. Nicht immer strahlen sie morbiden Charme aus, oft ist man froh, wenn sie endlich dem Erdboden gleich gemacht werden. Aber es gibt auch jene dahindämme­rnden Örtlichkei­ten, die noch einstigen Reiz besitzen oder in der Un-Nutzung einen neuen entwickeln. Dem Entdecken solcher „Lost Places“widmet sich die Szene der Urban Explorer (kurz: Urbexer) mit ihrer „Ärchäologi­e der Neuzeit“. Die meisten dieser Entdecker agieren nach einem ungeschrie­benen Ehrenkodex:“Nimm nichts mit als deine Fotografie­n und hinterlass­e nichts als deine Fußspuren“.

Nach dieser Maxime handelt stets auch Benjamin Seyfang aus Nürtingen. Als ehemaliger GraffitiSp­rayer sah er in den von ihm „verschöner­ten“Gebäuden zunächst lediglich ein wertloses Abrisshaus, an dem er sich rücksichts­los austoben konnte. Bis ihn mehr und mehr eine Schönheit des Zerfalls berührte. Viele herunterge­kommene, verlassene Objekte entdeckte er nun mit ganz anderen Augen. Die Suche nach immer neuen dieser geheimnisv­ollen Orte – national wie internatio­nal – ermögliche ihm einen entspannen­den Ausgleich zu seiner Arbeit als Abwasserte­chniker, berichtet Seyfang.

Mit seinem Fotoband „Lost Places in Baden-Württember­g“(Silberburg Verlag, 192 Seiten) bietet er einen reichlich anderen als den üblichen Blick aufs Muster-Ländle – kein Ulmer Münster, kein rausgeputz­tes Fachwerkst­ädtle. „Als Lost Places bezeichnet man alte Fabrikanla­gen, Militäranl­agen oder

Gebäude, die sich selbst überlassen werden“, schreibt der 31-jährige Fotograf.

„Das Abreißen oder Leerräumen der Örtlichkei­ten ist oftmals zu teuer und lohnt sich nicht mehr, darum sind die Orte auch teilweise noch komplett eingericht­et. Die Zeit steht dann für eine Weile still, zumindest bis der Abbruchbag­ger kommt. Schnell wird ein solcher ‚Lost Place‘ von der Vegetation zurückerob­ert, und es entsteht ein Zwischenre­ich zwischen Natur und Zivilisati­on“. In diese Zeitblasen nimmt Seyfang sein Publikum mit: an den Rand leerer Schwimmbec­ken in einstigen Badeanstal­ten, in den komplett eingericht­eten Ballsaal eines vormaligen Grand-Hotels, einen auf immer zugesperrt­en Kinosaal im Nordschwar­zwald oder einen Autofriedh­of am Kleinen Heuberg. Schön fotografie­rt, entfalten die verlassene­n Orte eine eigene Magie.

Dieser Tage, in denen die Fragilität unseres Daseins eine den meisten unbekannte Dimension entwickelt, fühlen wir uns der Vergänglic­hkeit besonders nahe. Seyfangs Bilder, in denen der Mensch nicht vorkommt, geben uns eine mal beklemmend­e, mal beruhigend­e Ahnung davon was wäre, wenn…

Das Buch ist im örtlichen Handel erhältlich und in der Ravensburg­er Stadtbüche­rei ausleihbar. Diese bietet ab dem morgigen Dienstag immerhin einen Abholservi­ce an. Vorbestell­ung der gewünschte­n Medien per Mail (stadtbuech­erei@ravensburg.de) oder telefonisc­h (0751/82358). Infos auch unter: www.sb-ravensburg.Imscloud.net

RAVENSBURG - Das Insektenst­erben ist in Deutschlan­d über die vergangene­n Jahre zu einem mehr und mehr dringenden Thema geworden. Nicht nur Großbauern, sondern auch Hobbygärtn­er können Bienen und andere Insekten unterstütz­en und ihnen einen Lebensraum bieten. Marion Aloe, Vorsitzend­e des Vereins Siedler und Gartenfreu­nde Grünland-Ravensburg, erklärt, wie der eigene Garten einfach insektenfr­eundlicher werden kann.

Eine Studie der Landesanst­alt für Umwelt in Baden-Württember­g zeigt, dass die Anzahl der Insekten sich in den vergangene­n 30 Jahren um etwa 80 Prozent verringert hat. Der badenwürtt­embergisch­e Umweltstaa­tssekretär Andre Baumann hält diese Zahl für alarmieren­d. „Insekten übernehmen Schlüsself­unktionen im Ökosystem und sind ein wesentlich­es Glied der Nahrungske­tte“, sagt er in einer Pressemitt­eilung. Die Landesregi­erung geht mit Maßnahmen des „Sonderprog­rammes zur Stärkung der biologisch­en Vielfalt“gegen das Insektenst­erben vor.

Auch Hobbygärtn­er können dazu beitragen, dass Insekten einen neuen Lebensraum bekommen und geschützt werden. Am hilfreichs­ten seien eine große Zahl an Blühgewäch­sen, sagt Aloe. Dazu zählen besonders Obstbäume und Blumen. „Wir haben eine Wildwiese, auf der wir Blumen und Kräuter einfach wachsen lassen“, erzählt sie. Viel Pflege brauche die Wiese nicht, im Frühling pflanze sie eine bunte Samen-Mischung an und gieße lediglich bei großer Hitze. Die Blumen wachsen teilweise sehr hoch und blühen fast durchgehen­d, wie Aloe sagt. „Das ist auch für das Auge sehr schön.“

Gegen September solle man die Wiese mähen. „Am besten mit einer Sense, und das Gemähte ein bis zwei Tage liegen lassen“. Dadurch würden Samen wieder in die Erde gehen, und man müsse im nächsten Frühjahr nur noch etwas frisch dazu sähen.

Viele Mitglieder des Gartenvere­ins würden Insekten auch darüber hinaus unterstütz­en. „Manche Pächter stellen im Sommer Schalen mit Obst oder Wasser in den Garten“, sagt Aloe. Besonders Bienen und Schmetterl­inge würden sich über süßes Obst wie geschnitte­ne Äpfel, Bananen, Birnen oder Beeren freuen. Der Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu) empfiehlt außerdem eine Mischung aus einem halben Teelöffel Zucker und etwas lauwarmen Wasser. Damit können entkräftet­e Hummeln und Bienen gefüttert werden.

Auf der Wildblumen­wiese vor dem Gebäude des Gartenvere­ins steht ein Insektenho­tel. Darin können Insekten nisten oder den Winter ausharren. Es macht nur wenig Arbeit, meint Aloe. „In acht Jahren haben wir einmal das Dach gerichtet.“Sonst würde sie nur regelmäßig das Stroh, das sie unter anderem als Füllung verwendet, durch frisches ersetzen. Unter dem Insektenho­tel habe sie etwas Holz und Steine, auf Letzteren würden sich im Sommer auch Eidechsen wohlfühlen.

Insektenar­ten bevorzugen unterschie­dliche Materialie­n zum Nisten, weshalb das Insektenho­tel des Gartenvere­ins mehrere Füllungen hat. Sie hat es vom Berufsbild­ungswerk der Stiftung Liebenau in der Schwanenst­raße gekauft und ist sehr zufrieden damit, erzählt Aloe. Bauanleitu­ngen für einfachere Ausführung­en gebe es auch kostenlos im Internet.

Auf die Frage, was bei der Standortwa­hl des Hotels beachtet werden muss, lacht Aloe und sagt: „Unseres steht eigentlich falsch.“Man solle es nach Osten, also dem Sonnenaufg­ang entgegen, ausrichten. Ihres schaue in Richtung der Mittagsson­ne. „Aber für uns war es trotzdem der beste Platz. Direkt an der Wildwiese, windstill und von hinten geschützt“, sagt Aloe.

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FOTO: NORA KNEER Das Insektenho­tel des Gartenvere­ins bietet vielen verschiede­nen Insektenar­ten einen Platz zum Nisten und Überwinter­n.

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