Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine Handball-Legende macht Schluss
Gudjon Valur Sigurdsson hat Meistertitel in fünf Ländern gewonnen – Der Isländer hält zudem einen Weltrekord
KÖLN (SID/dpa) - Die Reaktionen auf das Karriereende sprechen für sich. „Legende“, „König“, „GOAT“(Greatest Of All Time) – Worte von ehemaligen Mitspielern wie Handballstar Nikola Karabatic, Trainern und Vereinen. Gudjon Valur Sigurdsson hat in seiner 25-jährigen Handballkarriere offenbar einiges richtig gemacht. Mit 40 Jahren ist inmitten der Corona-Krise Schluss.
Dieser Mann bekam schlichtweg nicht genug. Er machte immer weiter. Ganz so, als würden ihn die Strapazen, die Reisen und die Schinderei nicht belasten. Und so mag es zwar sein, dass Gudjon Valur Sigurdsson hin und wieder spürte, dass er älter wird. Seine Gegenspieler aber merkten es eher nicht. Es ist kein Zufall, dass er 2019 noch einmal einen Vertrag beim französischen Spitzenclub Paris Saint-Germain erhielt. Doch nun geht der Rastlose in den „Ruhestand“, wie es der Weltklasse-Handballer selbst bei Instagram nennt.
Oder anders ausgedrückt: Der Linksaußen macht das, was schon als ausgeschlossen galt. Der 40-Jährige beendet seine eindrucksvolle Laufbahn, was Weggefährten wie der deutsche Nationalspieler Hendrik Pekeler vom THW Kiel kaum glauben können. „Ich habe gedacht, dass ich meine Karriere vor deiner beende“, witzelte der 28-Jährige, der noch nicht einmal zur Schule ging, als Sigurdsson 1995 für Grótta KR in der 1. isländischen Liga debütierte. „Ich habe in meiner Karriere viele Spieler trainiert oder als Teamkollegen gehabt. Aber mir ist niemand begegnet, der so professionell wie Gudjon Valur arbeitet“, sagte Ex-Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen. „Er ist eine Persönlichkeit, die man nicht oft trifft. Wir können viel von ihm lernen.“
Nun der Abschied – wegen der Corona-Krise bei Instagram. „Ich habe den Punkt in meiner Karriere erreicht, den alle Athleten letztendlich erreichen. Nach 25 Jahren im Aktivenbereich, 21 Jahren in der Nationalmannschaft, habe ich mich dazu entschieden aufzuhören“, schrieb Sigurdsson, der ganz zum Schluss noch einmal Meister wurde. Nach dem Abbruch der französischen Saison darf er mit seinem letzten Verein Paris Saint-Germain nochmal einen Titel feiern. Doch ein Corona-Titel ist nicht das, was von Sigurdsson bleibt.
Acht Meistertitel in Spanien, Island, Dänemark, Frankreich sowie mit dem THW Kiel und den RheinNeckar
Löwen. Drei Pokalsiege, viermal Supercup-Sieger in Deutschland, 2005 der EHF-Cup-Triumph mit Tusem Essen und zehn Jahre später der Champions-League-Titel mit dem FC Barcelona. Mit Sigurdsson feierte die isländische Nationalmannschaft mit Olympia-Silber 2008 und EM-Bronze 2010 die bislang größten Erfolge.
Historisches gelang dem Weltklasse-Handballer 2018 bei der Europameisterschaft. Der Linksaußen erzielte in seinem 343. Spiel im isländischen Trikot seinen Treffer Nummer 1798 – und wurde damit zum Spieler mit den meisten Länderspieltoren. Diese Leistung erarbeitete sich der „Eiskrieger“, wie man ihn seit seiner Zeit beim VfL Gummersbach nannte, hart. Am Ende waren es 364 Länderspiele und 1875 Tore. Vielleicht ein Rekord für die Ewigkeit.
Einen, den sich der Musterprofi hart erarbeitet hat. Nicht selten war Sigurdsson der Letzte, der den Kraftraum verließ. Er blickt dankbar auf seine Karriere zurück: „Handball hat mir eine Welt eröffnet, von der nur wenige das Privileg hatten, sie zu erfahren. Was bleibt sind die Erinnerungen, süße wie bittere, und die Menschen, die ich getroffen habe.“