Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„,Notbremse’ halte ich für ganz entscheidend wichtig“
RAVENSBURG - Damit das Risiko von Coronavirus-Neuinfektionen nach den Lockerungen der Maßnahmen möglichst gering bleibt, müssen die Menschen einige Voraussetzungen erfüllen. Welche das sind, erläutert Virologe Professor Thomas Mertens im Gespräch mit Daniel Hadrys.
Die Bundesregierung lockert die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Sobald es in einem Landkreis mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner pro Woche gibt, sollen die Maßnahmen dort wieder hochgefahren werden. Halten Sie diese Zahl an Neuinfektionen für beherrschbar und den Notfallmechanismus für sinnvoll?
Ich bin überzeugt davon, dass es für alle mir heute gestellten Fragen keine wirklich guten Daten gibt, die man für die Beantwortung heranziehen kann. Also ist das Folgende ausdrücklich meine persönliche Meinung. Da die Bundesregierung eigentlich nur „wenig lockern“kann, halte ich es für logisch und einen Ausdruck politischer Intelligenz, dass die Verantwortung stärker in die Länder verlagert wird. Denn erstens sind viele Maßnahmen Ländersache, und der Bund ist gesetzlich nicht entscheidungsbefugt, und zweitens sind etwas an lokale Gegebenheiten angepasste Maßnahmen durchaus denkbar. Die geplante „Notbremse“halte ich für ganz entscheidend wichtig. Die Angabe einer vertretbaren Obergrenze, die ja aus drei Komponenten besteht, nämlich, zum Beispiel 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner pro Woche, halte ich für sinnvoll. Dann muss aber auch tatsächlich sofort wieder mit infektionsvermeidenden Maßnahmen gegengesteuert werden. Für die zu treffenden Maßnahmen muss man zwischen lokal begrenzten Ausbrüchen, zum Beispiel in einem Altersheim, und einer diffusen Zunahme unterscheiden.