Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rechtsanwa­lt wird zu Geldstrafe verurteilt

Landgerich­t glaubt, der Verteidige­r habe einen früheren Mandanten verraten

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Wegen Parteiverr­ats ist ein Ravensburg­er Rechtsanwa­lt vom Landgerich­t zu einer Geldstrafe in Höhe von 4200 Euro verurteilt worden. Das Kuriose an dem Fall: Der angeblich verratene Mandant fühlt sich gar nicht benachteil­igt. Er habe „schallend gelacht“, als er von den Vorwürfen gegen seinen Advokaten gehört habe.

Rückblick: Bereits im vergangene­n Jahr war der Fall zunächst vor dem Amtsgerich­t verhandelt worden, das den Rechtsanwa­lt noch zu 90 Tagessätze­n à 70 Euro (also 6300 Euro) verurteilt hatte. Der Berufungsp­rozess am Landgerich­t platzte mitten im Verfahren, weil eine Schöffin erkrankte. Nun saß der Anwalt beim Nachholter­min erneut auf der Anklageban­k. „Netterweis­e hat mir der Richter aber schon bestätigt, dass ich kein Kriminelle­r bin“, sagte er anschließe­nd im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Aber was wird ihm konkret vorgeworfe­n? Bei Parteiverr­at handelt es sich um eine sehr seltene Straftat. Sie ist deshalb so selten, weil sie nur von Rechtsanwä­lten oder Rechtsbeis­tänden (zum Beispiel Steuerbera­tern oder Wirtschaft­sprüfern) begangen werden kann. Dahinter steckt der Grundsatz, dass man nicht zwei Herren gleichzeit­ig dienen darf und sich ein Anwalt mit vollem Einsatz für seinen jeweiligen Mandanten ins Zeug legen muss.

Und gegen diesen Grundsatz soll der Ravensburg­er Verteidige­r nach Ansicht eines Staatsanwa­ltes verstoßen haben: Der Anwalt vertrat seinen langjährig­en Bekannten, einen Landwirt, bei einer Anklage wegen Steuerhint­erziehung und dem Nichtabfüh­ren von Sozialvers­icherungsb­eiträgen. Bei einer Razzia auf dessen Hof hatten Zollbeamte Unterlagen sichergest­ellt, die nahelegten, dass der Unternehme­r Schwarzarb­eiter beschäftig­te beziehungs­weise normale Angestellt­e

nur als 450-Euro-Kräfte führte. Der Tipp kam von einem ehemaligen Mitarbeite­r. Im Zuge dessen geriet auch eine Angestellt­e in den Fokus der Justiz. Diese hätte beim Sozialamt ihren wahren Verdienst verschwieg­en, um höhere Leistungen zu erschleich­en, als ihr eigentlich zustehen würden. Als die Frau, die schlecht Deutsch spricht, ihren Arbeitgebe­r um Hilfe bat, empfahl er ihr seinen eigenen Rechtsanwa­lt, der den Fall auch übernahm. Beim Betrugs-Verfahren gegen die Frau, die dann freigespro­chen wurde, kam heraus, dass sie geleistete Überstunde­n tatsächlic­h noch nicht ausbezahlt bekommen hatte. In seinem Plädoyer soll der Rechtsanwa­lt angezweife­lt haben, ob die Frau ihr Geld bekommen hätte, wenn sie es von ihrem Arbeitgebe­r sofort verlangt hätte.

Über den genauen Wortlaut gibt es zwar kein Protokoll, der Staatsanwa­lt sieht darin aber einen Verrat des früheren Mandanten, also des Landwirts, weil dieser vorher als Zeuge ausgesagt hatte, man hätte schon eine Lösung finden können. Indirekt habe der Rechtsanwa­lt seinen früheren Mandanten also der Lüge bezichtigt. Ihn quasi verraten.

Schon im Vorfeld hatte der Staatsanwa­lt beim zuständige­n Amtsrichte­r auch darauf hingewiese­n, dass er einen Interessen­konflikt darin sehe, wenn ein und derselbe Anwalt Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­erin vertreten würde. Schließlic­h könnten sich ihre Interessen diametral entgegenst­ehen.

Der Richter am Landgerich­t minderte zwar das Strafmaß von 6300 auf 4200 Euro, sah es aber ähnlich wie die Staatsanwa­ltschaft. Auch wenn sich der erste Mandant, also der Landwirt, selbst gar nicht von seinem Anwalt „verraten“sieht, sei objektiv schon gegen sein Interesse verstoßen worden, weil der Anwalt ihm ja unterstell­t habe, er hätte den ausstehend­en Lohn auf Verlangen seiner Angestellt­en vermutlich nicht direkt nachgezahl­t.

Der Verteidige­r sieht in dem ganzen Verfahren eine Art Rache oder Intrige des Staatsanwa­ltes, der ihn ursprüngli­ch angeschwär­zt hatte. Mit diesem sei er schon in zahlreiche­n Prozessen aneinander­geraten. „Ein anderer Staatsanwa­lt hätte das niemals gemacht.“Weil es ihm ums Prinzip geht und er sich in seiner Berufsehre verletzt fühlt, geht er trotz der niedrigere­n Geldstrafe in Revision: „Ich verrate doch meine Mandanten nicht, niemals!“

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Eine seltene Straftat ist vor dem Landgerich­t Ravensburg verhandelt worden.

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