Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Einer der bedeutendsten Künstler Ravensburgs
Bildhauer Theodor Schnell gilt als Brückenbauer zwischen der sakralen Kunst des 19. und des 20. Jahrhunderts
RAVENSBURG - In den Ravensburger Kirchen ist von Theodor Schnell heute fast nichts mehr zu finden. Lange wurde er verkannt, seine Kunst geringgeschätzt und vielerorts zerstört. Mittlerweile aber sieht man ihn als einen der bedeutendsten Künstler, den die Stadt je hervorgebracht hat. Diese Wertschätzung spiegelt sich auch in einer vor wenigen Jahren erfolgten Straßenbenennung nach ihm in der Weststadt wider.
Theodor Schnell wurde vor 150 Jahren, am 8. Mai 1870, in Ravensburg geboren. Er war der Sohn des aus Rottenburg stammenden und seit 1863 hier ansässigen Bildhauers gleichen Namens, ebenfalls Bildhauer, Altarbauer, Restaurator und Kunstsammler.
Nach dem Studium an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart und vielen Bildungsreisen übernahm er nach seinem Eintritt in den Betrieb des Vaters sofort die Federführung des „Ateliers für christliche Kunst“im Pfannenstiel und machte es zur wohl bedeutendsten Werkstätte dieser Art nicht nur in der Diözese Rottenburg, sondern weit darüber hinaus. Er sprengte schon bald den bisherigen geografischen und auch stilistischen Rahmen.
Neben Oberschwaben war Theodor Schnell besonders intensiv im Stuttgarter Raum, in Vorarlberg und vor allem in der Zentral- und Ostschweiz tätig. In der ersten Phase seines Schaffens (bis um 1900) orientierte er sich am seit der Mitte des 19. Jahrhunderts dominierenden Historismus. Er nutzte die Formensprache von Neugotik, Neuromanik und Neurenaissance. Erhalten geblieben sind aus dieser Zeit nur wenige Werke, so zum Beispiel der Hochaltar von St. Martin in Wangen im Allgäu (1901).
In der zweiten Phase (bis etwa 1920) treten die Einflüsse des Jugendstils in den Vordergrund, wobei es ihm gelingt, diesen mit Elementen der Stile des Historismus zu verbinden. Die typisch Schnellsche Ornamentik mit ihren Naturmotiven kommt jetzt immer mehr zum Durchbruch. Aus dieser Zeit haben sich eine ganze Reihe hochwertiger Altarausstattungen erhalten. Als Beispiele aus unserer Region seien erwähnt: Mochenwangen (1904), Hundersingen (1906) oder die fünf Altäre in der Bregenzer Herz-Jesu-Kirche ab 1911.
Nach 1920 hat er sich dann in seiner dritten Schaffensphase zunehmend an der nun auch in der sakralen Kunst dominierenden Moderne orientiert, allerdings ohne den Bezug zum Jugendstil ganz zu verlieren. Der starke Rückgang an Aufträgen für Kirchenausstattungen führte nun auch zur Intensivierung neuer Arbeitsgebiete. Genannt sei die Entwurfsarbeit von Grab- und Kriegerdenkmälern, die er von geeigneten Steinmetz- und Kunstschmiedewerkstätten fertigen ließ. Einige eindrucksvolle Beispiele hierfür finden sich auf dem Ravensburger Hauptfriedhof. Immer noch sehenswert ist auch das originelle Kriegerdenkmal auf dem Friedhof von Bodnegg.
Die Altararbeiten dieser Zeit zeigen eine starke Konzentration auf das Wesentliche bei deutlich reduzierter Ornamentik. In der Plastik machen sich leichte expressionistische Einflüsse bemerkbar. Eine herausragende und aufsehenerregende Arbeit dieser Zeit waren die Arbeiten für die Bonifatiuskirche in Bad Nauheim (ab 1923). Erwähnenswert sind von den wenigen erhaltenen größeren Werken aus dieser Zeit unter anderem der Hochaltar für die expressionistische Kirche in Baienfurt (1927) und die Ausstattung von St. Josef in Vaduz in Liechtenstein (1931).
In Schnells Besitz befand sich eine der bedeutendsten Sammlungen alter sakraler Kunst in Süddeutschland, die nach seinem Tod im Jahre 1938 von Lempertz in Köln versteigert werden musste, da die Stadt eine Übernahme abgelehnt hatte. Im fast 50-jährigen Schaffen des Bildhauers offenbart sich ein Künstlertum von enormer Produktivität, hoher Qualität, weitreichender Ausstrahlung und großer Spannweite in der Stilentwicklung. Deshalb ehrte ihn der württembergische König 1918 mit dem Professorentitel. Insgesamt kann Schnell als Brückenbauer zwischen der sakralen Kunst des 19. und des 20. Jahrhunderts charakterisiert werden.