Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sievers: Darum steht der Kreis so gut da
Zahl der Corona-Infizierten ist im Landkreis Ravensburg vergleichsweise gering
WANGEN - Es ist die Zeit der Lockerungen und es ist die Zeit, in der sich auch die heimische Politik wieder trifft – wenngleich anders als in gewohnter Form. Ein Beispiel ist da die CDU im Landkreis Ravensburg. Deren Funktionsträger haben jetzt erstmals seit Ausbruch der Corona-Krise und erstmals überhaupt in einer Videoschalte miteinander gesprochen. Dabei stand die aktuelle Lage im Mittelpunkt. Die „Schwäbische Zeitung“hörte zu. Eine Zusammenfassung.
Darum stagnieren die Corona-Fallzahlen aus Sicht des Landrats:
Im Landkreis Ravensburg hat es zuletzt deutlich weniger Neuinfektionen gegeben als zu Beginn der Krise. Und auch im Vergleich zu den anderen Landkreisen in BadenWürttemberg steht die hiesige Region aktuell deutlich besser da als noch Ende März. Landrat Harald Sievers berichtete: Damals habe der Kreis Ravensburg mit die meisten Covid-19-Patienten pro 100 000 Einwohner gehabt, jetzt zusammen mit fünf bis sechs anderen Regionen die wenigsten. Dabei berief er sich auf Auswertungen des Landesgesundheitsamts.
Sievers macht dies am „sehr erfolgreichen“, zusammen mit den Kommunen selbst ausgearbeiteten und seinen Angaben zufolge nahezu einzigartigen Konzept im Land fest. Kernpunkt: Anders als andere Landkreise seien hier die Kommunen bei der Benachrichtigung von Infizierten und der Ermittlung von deren Kontaktpersonen schnell mit im Boot gewesen. Mit dem „Personal aus 39 Rathäusern“sei man deshalb nie an die Kapazitätsgrenzen gestoßen und habe mehr Menschen identifizieren können.
Dieses Prinzip hat sich auch nach Ansicht von Horgenzells Bürgermeister Volker Restle bewährt: Ein Telefonat mit näher an den Menschen befindlichen Verwaltungen, in denen die Mitarbeiter im Zweifel sogar persönlich bekannt seien, „hat für die Betroffenen noch mal einen anderen Wert“, so der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion. Laut Landrat wurde zudem die medizinische Infrastruktur ausgebaut. Mit der OSK im Zentrum wurden die Intensiv- und Beatmungsplätze in den Krankenhäusern erweitert, die „nie voll ausgelastet waren“. Dabei band der Kreis auch anderen Klinikträger eingebunden und die Kassenärztliche Vereinigung gründete vom Landratsamt unterstützte Fieberambulanzen.
So arbeiten Rathäuser und Politik in der Krise:
Zwischen den Kommunen im Landkreis und dem Landratsamt gibt es im Zuge der Corona-Krise generell eine enge Zusammenarbeit, verdeutlichte Horgenzells Bürgermeister Volker Restle: „Wir möchten einheitliche Regelungen, egal ob sie für Aitrach oder für Wilhelmsdorf gelten.“Deshalb gab es schon vor der Schließung von Schulen und Kindergärten und gibt es weiterhin mindestens einmal pro Woche Dienstbesprechungen der Bürgermeister und dem Landratsamt – auf Grund der Abstandsregelungen meist in der Halle in Schlier.
Restle, auch CDU-Fraktionschef im Kreistag, hält das Ansinnen für gelungen: „Ein einheitliches Vorgehen war fast immer möglich.“Einziger Streitpunkt sei der „Umgang mit dem Personal“gewesen, insbesondere was die Freistellung von Erzieherinnen in Kindergärten angeht.
Anfangs sei die wichtigste Frage gewesen, wer das „Fallmanagement“übernimmt, ob also Mitarbeiter des Gesundheitsamts oder Beschäftigte der Rathäuser von Corona Betroffene und deren Kontaktpersonen über die Quarantäne-Regelungen informiert. Jetzt geht es laut Volker Restle um die Umsetzung von Lockerungen und vor allem die Frage, ob kleinere Veranstaltungen und Feste wie Fronleichnams-Frühschoppen erlaubt sind oder nicht. Dafür erwartet er Aussagen von übergeordneten Stellen: „Wünschenswert wäre, wenn sich das Land dazu äußern würde. Das wäre eine Hilfe für die Betroffenen auf örtlicher Ebene.“
Für Landrat Sievers ist die Politik inzwischen „wieder in den ganz normalen Arbeitsmodus“zurückgekehrt. In dieser Woche tagte der Kreistag erstmals wieder und aus seiner Sicht „gibt es keinen Grund mehr, keine Sitzungen zu machen“.
So ist es um die Finanzen bestellt:
„Es zeichnet sich ab, dass es bei vielen Kommunen Löcher geben wird“, sagte Volker Restle – und machte das am Beispiel der Stadt Weingarten fest: Die dortige Kämmerei erwarte einen Einbruch der Gewerbesteuer um 30 Prozent. Manche Städte und Gemeinden hätten bereits Haushaltssperren verhängt, also Ausgaben gedeckelt.
Deshalb hofften jetzt viele Rathäuser auf Konjunkturprogramme. Doch hier ist Horgenzells Bürgermeister derzeit skeptisch: „Wenn man die Summen sieht, die Bund und Land hineinpumpen, fragt man sich schon, ob für Konjunkturprogramme etwas übrig bleibt.“
Das sagen CDU-Funktionäre zur Stimmung und zu Demos:
Landtagsabgeordneter Raimund Haser hat beobachtet: „Die Bevölkerung verliert ein Stück weit die Solidarität.“Deshalb seien unter den Teilnehmern von derzeitigen Demonstrationen „teilweise ganz normale Leute“. Sie schöben „viel Frust“, etwa aus Angst um Arbeitsplätze oder wegen weggefallener Kinderbetreuung. Bundestagsabgeordneter Axel Müller ergänzte: Teil des jetzigen Erfolgs sei die Bereitschaft der Menschen gewesen, „mitzuziehen“. Das könnte sich gewandelt haben, denn: „Die Bilder aus Italien sind schon wieder aus den Köpfen raus.“
Während sich Raimund Haser wegen der Akzeptanz der Bevölkerung für die derzeitigen Lockerungen aussprach, erklärte sein Landtagskollege August Schuler: „Das wichtigste sind Gesundheit und Sicherheit.“Jetzt komme es auf „Maß und Mitte“an, denn es sei „ein schmaler Pfad zwischen Öffnungen und Gesundheit“.
CDU-Kreisvorsitzender Christian Natterer erklärte, offensichtlich auch vor dem Hintergrund der Teilnehmermischung bei der „Grundrechte“-Demonstration am vergangenen Samstag in Wangen: „Demonstrieren ist das eine, aber die Leute müssen aufpassen neben und mit wem sie demonstrieren.“