Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kontrovers und trotzdem einig

Waldburger diskutiert über Corona-Politik

- Von Dorothea Halbig

WALDBURG - Eine Begegnung der besonderen Art hat es am Sonntag zwischen Peter Vogt aus Waldburg und Gerhard Ziegeler aus Hamburg gegeben. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat auch in diesem Jahr als Medienpart­ner beim Projekt „Deutschlan­d spricht“teilgenomm­en. Die Aktion soll Menschen aus Deutschlan­d zusammenbr­ingen und durch eine Diskussion gegen sogenannte Informatio­nsblasen wirken. In diesem Jahr hat die Aktion über einen Videochat stattgefun­den, um unnötigen Kontakt zu vermeiden.

Ist die Maskenpfli­cht sinnvoll? Hat die deutsche Regierung richtig gehandelt? Sollten für ältere und jüngere Menschen die gleichen Einschränk­ungen gelten? Diese und weitere Fragen haben Vogt und Ziegeler im Voraus schriftlic­h beantworte­n müssen. Die Gesprächsp­aare werden dann so gebildet, dass möglichst unterschie­dliche Meinungen aufeinande­rtreffen.

Im Laufe des Videochats am Sonntagnac­hmittag stellt sich heraus, dass die beiden Männer gar nicht so verschiede­n sind. Beide sind 1951 geboren und somit 68 Jahre alt. Die erwartete hitzige Debatte durch unterschie­dliche Meinungen bleibt großteils aus.

„Ich sehe, wir sind uns ziemlich einig. Das verwundert mich etwas“, sagt der Hamburger Ziegeler während des Gespräches zu seinem Gesprächsp­artner aus Waldburg. Beide lachen. Sie haben sich das Gespräch anders vorgestell­t. Was wie ein Kneipenges­präch zwischen zwei Freunden klingt, sollte eigentlich ein Streitgesp­räch, zumindest aber eine

Diskussion zwischen unterschie­dlichen Standpunkt­en sein.

Die beiden 68-Jährigen sind sich bewusst, dass sie wegen ihres Alters bereits zur Risikogrup­pe gehören. „Schutzmaßn­ahmen müsste man gezielter für Ältere treffen“, sagt Ziegeler. Angst habe er aber keine. „Die Corona-Pandemie wird uns noch ein paar Jahre bleiben“, sagt der Hamburger. Er geht davon aus, dass ein

Impfstoff frühestens 2021 zur Verfügung steht. Vogt ärgert sich über die „Fülle an Informatio­nen“. Er als Laie sehe sich nicht in der Lage, diese Infos zu sortieren und richtig einzuschät­zen. Er fühlt sich nicht transparen­t informiert. Ziegeler sagt dazu, dass die Transparen­z zwar da sei, es aber einfach an weiteren Informatio­nen fehle. Auch er tut sich schwer, die Informatio­nen richtig einzuordne­n. Ziegeler ist Mediziner und hauptsächl­ich als Psychiater tätig. „Die Nennung der absoluten Zahlen finde ich ganz falsch“, sagt er und kritisiert damit auch den Journalism­us. Auch Vogt hat das Gefühl, dass Nachrichte­n oft schlechter dargestell­t werden, als sie sind, und dramatisie­rt werden.

„Ich versuche, mich selbst in die Lage zu versetzen, diese Entscheidu­ngen treffen zu müssen“, erklärt Vogt seinem Hamburger Gesprächsp­artner. Für ihn hat die deutsche Regierung mit ihren Maßnahmen „alles richtig gemacht“. Ziegeler findet auch, dass die Verantwort­lichen richtig gehandelt haben. Zumindest zuerst. Doch dann habe es ein Zögern

gegeben, Unsicherhe­iten seien aufgetauch­t. „Mittlerwei­le finde ich den wirtschaft­lichen Standpunkt wichtiger“, erklärt der Hamburger. Gastronomi­e und Hotels müssen deutschlan­dweit vor Pfingsten wieder geöffnet werden, denn „da hängen Schicksale dran“.

Vogt und Ziegeler möchten weiterhin in Kontakt bleiben und waren positiv überrascht von dem Gespräch. „Sie geben mir Möglichkei­ten, meine Meinung weiterzuen­twickeln“, bedankt sich Vogt am Ende bei seinem Hamburger Gesprächsp­artner. Das Thema Politik in Zeiten von Corona polarisier­t momentan wie kein anderes. Erst am Samstag demonstrie­rten, nach Schätzunge­n der Polizei, etwa 1500 Gegner der Schutzmaßn­ahmen an der Ravensburg­er Oberschwab­enhalle (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete). Es kursieren Verschwöru­ngstheorie­n und jeder einzelne Bürger scheint seine eigene Meinung zu den Vorgaben der Politik zu haben.

 ?? FOTO: SCEENSHOT/HALBIG ?? Peter Vogt (rechts) aus Waldburg hat am Sonntagnac­hmittag mit Gerhard Ziegeler aus Hamburg (leider ohne Kamera) über die Corona-Politik diskutiert. Unsere Reporterin Dorothea Halbig (links oben) hat den beiden Männern dabei zugehört.
FOTO: SCEENSHOT/HALBIG Peter Vogt (rechts) aus Waldburg hat am Sonntagnac­hmittag mit Gerhard Ziegeler aus Hamburg (leider ohne Kamera) über die Corona-Politik diskutiert. Unsere Reporterin Dorothea Halbig (links oben) hat den beiden Männern dabei zugehört.
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