Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rehkitz stirbt vor Terrasse

Landwirt überfährt das Tier im Oberallgäu und bekommt Ärger

- Von Michael Mang

OBERALLGÄU - Jedes Jahr sterben in der Region Rehkitze den sogenannte­n „Mähtod“. Weil die Jungtiere sich tief in den Wiesen verbergen, die die Landwirte im Frühjahr mähen, werden sie regelmäßig überfahren. Zwar warnen Jagd- und Tierschutz­verbände jedes Jahr und es gibt inzwischen verschiede­ne Methoden, die Kitze – beispielsw­eise mit Drohnen – aufzuspüre­n. Dennoch wiederhole­n sich die Unglücke und wer schon einmal ein überfahren­es Jungtier entdeckt hat, der wird das Bild noch lange im Gedächtnis behalten.

Ein juristisch­es Nachspiel haben die Unfälle selten. Doch jetzt stand eine Landwirtin in Sonthofen vor dem Amtsgerich­t – wegen Beleidigun­g. Und auch gegen ihren Mann, der den Traktor gefahren hatte läuft ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz.

Angezeigt hatte die beiden ein Urlauberpa­ar, das den Mähtod eines Rehkitzes von der Frühstücks­terrasse ihres Hotels aus beobachtet hatte. Danach kam es zu einem Wortgefech­t mit Beleidigun­gen.

Das Verfahren gegen die Landwirtin wurde eingestell­t. Sie muss 300 Euro an eine Tierschutz­organisati­on zahlen. Sie soll die Urlauberin in einem Wortgefech­t am Abend des Unglücks beleidigt haben. Zu dem Mähtod des Rehkitzes war es im Juni 2019 gekommen. Das Urlauberpa­ar saß beim Frühstück auf der Hotelterra­sse

und beobachtet­en aus sicherer Entfernung wie ein Landwirt mit dem Traktor sein Feld mähte. „Ich hab’ noch gedacht: Er wird jetzt ja wohl nicht das Kitz umfahren“, sagte die 38-Jährige im Zeugenstan­d vor Gericht. „Das Reh ist noch um den Traktor herumgespr­ungen.“Diese Darstellun­g zog der Verteidige­r in Zweifel: „Ein Reh springt nicht um den Traktor herum, sondern rennt weg“, sagte der Anwalt. „Dazu sollten wir besser einen Experten hören.“

„Ich persönlich finde, dass die Geschwindi­gkeit des Traktors zu hoch war“, sagte der 51-jährige Ehemann der Urlauberin, der schließlic­h gemeinsam mit einem zweiten Hotelgast zur Unglücksst­elle lief – und dort das Rehkitz mit abgetrennt­er Nase und Vorderläuf­en vorfand. Der Landwirt habe die Gäste dann des Feldes verwiesen, schilderte der Urlauber. „Er hat gesagt, er kümmert sich drum.“Später will seine Frau beobachtet haben, wie der Landwirt das Reh in den Wald warf – das bestritt der 49-jährige Bauer vor Gericht.

Er zeigte aber nur wenig Verständni­s für das Verhalten der Urlauber. „Das war ein Unglück. Aber ich kann nicht verstehen, warum man sich darüber aufregt – das ist Landwirtsc­haft.“

Am Abend des gleichen Tages trafen die Urlauber bei einem Spaziergan­g erneut auf das Landwirtse­hepaar, das noch auf dem Feld arbeitete. Es kam zu einem Wortgefech­t, bei dem die Angeklagte die Touristin beleidigt haben. „Das stimmt so nicht“, widersprac­h die Angeklagte der Schilderun­g der Auseinande­rsetzung durch die Staatsanwä­ltin. „Wir haben auf dem Feld gearbeitet, dann hat sie mir alles Mögliche an den Kopf geworfen.“Sie habe geantworte­t: „Es ist unter aller Sau, wie man mit uns umgeht“, sagte die Landwirtin.

Das hatte die Urlauberin anders verstanden. „Sie hat gesagt: Halt doch Dein Maul Du blöde Sau.“Diese Wortwahl bestätigte auch ihr Mann. Sie räumte aber ein, auch die Landwirtin beschimpft zu haben. „Ich war sehr aufgebrach­t, weil sie gelogen hat.“Der Verteidigt­e fragte die Touristin im Zeugenstan­d, ob sie vielleicht den Dialekt der Landwirt nicht verstanden haben könnte. Das verneinte die Frau aus NordrheinW­estfalen.

Gegen den Landwirt läuft noch ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz, das ebenfalls die Urlauber mit einer Anzeige ins Rollen gebracht haben. Bei der Verhandlun­g am Amtsgerich­t musste Richterin Brigitte GramatteDr­esse aber nur über die Beleidigun­g entscheide­n.

Das Verfahren wurde gegen die Zahlung einer Geldauflag­e eingestell­t – wohl auch, weil es bei dem Wortwechse­l von beiden Seiten harte Worte gefallen war. Die Staatsanwä­ltin stimmte der Entscheidu­ng zu.

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