Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Rehkitz stirbt vor Terrasse
Landwirt überfährt das Tier im Oberallgäu und bekommt Ärger
OBERALLGÄU - Jedes Jahr sterben in der Region Rehkitze den sogenannten „Mähtod“. Weil die Jungtiere sich tief in den Wiesen verbergen, die die Landwirte im Frühjahr mähen, werden sie regelmäßig überfahren. Zwar warnen Jagd- und Tierschutzverbände jedes Jahr und es gibt inzwischen verschiedene Methoden, die Kitze – beispielsweise mit Drohnen – aufzuspüren. Dennoch wiederholen sich die Unglücke und wer schon einmal ein überfahrenes Jungtier entdeckt hat, der wird das Bild noch lange im Gedächtnis behalten.
Ein juristisches Nachspiel haben die Unfälle selten. Doch jetzt stand eine Landwirtin in Sonthofen vor dem Amtsgericht – wegen Beleidigung. Und auch gegen ihren Mann, der den Traktor gefahren hatte läuft ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.
Angezeigt hatte die beiden ein Urlauberpaar, das den Mähtod eines Rehkitzes von der Frühstücksterrasse ihres Hotels aus beobachtet hatte. Danach kam es zu einem Wortgefecht mit Beleidigungen.
Das Verfahren gegen die Landwirtin wurde eingestellt. Sie muss 300 Euro an eine Tierschutzorganisation zahlen. Sie soll die Urlauberin in einem Wortgefecht am Abend des Unglücks beleidigt haben. Zu dem Mähtod des Rehkitzes war es im Juni 2019 gekommen. Das Urlauberpaar saß beim Frühstück auf der Hotelterrasse
und beobachteten aus sicherer Entfernung wie ein Landwirt mit dem Traktor sein Feld mähte. „Ich hab’ noch gedacht: Er wird jetzt ja wohl nicht das Kitz umfahren“, sagte die 38-Jährige im Zeugenstand vor Gericht. „Das Reh ist noch um den Traktor herumgesprungen.“Diese Darstellung zog der Verteidiger in Zweifel: „Ein Reh springt nicht um den Traktor herum, sondern rennt weg“, sagte der Anwalt. „Dazu sollten wir besser einen Experten hören.“
„Ich persönlich finde, dass die Geschwindigkeit des Traktors zu hoch war“, sagte der 51-jährige Ehemann der Urlauberin, der schließlich gemeinsam mit einem zweiten Hotelgast zur Unglücksstelle lief – und dort das Rehkitz mit abgetrennter Nase und Vorderläufen vorfand. Der Landwirt habe die Gäste dann des Feldes verwiesen, schilderte der Urlauber. „Er hat gesagt, er kümmert sich drum.“Später will seine Frau beobachtet haben, wie der Landwirt das Reh in den Wald warf – das bestritt der 49-jährige Bauer vor Gericht.
Er zeigte aber nur wenig Verständnis für das Verhalten der Urlauber. „Das war ein Unglück. Aber ich kann nicht verstehen, warum man sich darüber aufregt – das ist Landwirtschaft.“
Am Abend des gleichen Tages trafen die Urlauber bei einem Spaziergang erneut auf das Landwirtsehepaar, das noch auf dem Feld arbeitete. Es kam zu einem Wortgefecht, bei dem die Angeklagte die Touristin beleidigt haben. „Das stimmt so nicht“, widersprach die Angeklagte der Schilderung der Auseinandersetzung durch die Staatsanwältin. „Wir haben auf dem Feld gearbeitet, dann hat sie mir alles Mögliche an den Kopf geworfen.“Sie habe geantwortet: „Es ist unter aller Sau, wie man mit uns umgeht“, sagte die Landwirtin.
Das hatte die Urlauberin anders verstanden. „Sie hat gesagt: Halt doch Dein Maul Du blöde Sau.“Diese Wortwahl bestätigte auch ihr Mann. Sie räumte aber ein, auch die Landwirtin beschimpft zu haben. „Ich war sehr aufgebracht, weil sie gelogen hat.“Der Verteidigte fragte die Touristin im Zeugenstand, ob sie vielleicht den Dialekt der Landwirt nicht verstanden haben könnte. Das verneinte die Frau aus NordrheinWestfalen.
Gegen den Landwirt läuft noch ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, das ebenfalls die Urlauber mit einer Anzeige ins Rollen gebracht haben. Bei der Verhandlung am Amtsgericht musste Richterin Brigitte GramatteDresse aber nur über die Beleidigung entscheiden.
Das Verfahren wurde gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt – wohl auch, weil es bei dem Wortwechsel von beiden Seiten harte Worte gefallen war. Die Staatsanwältin stimmte der Entscheidung zu.