Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schwere Corona-Infektion
Das deutsche BIP geht um 2,2 Prozent zurück – Andere Länder stürzen weit stärker ab
BERLIN - Das Rätseln über die tatsächlichen Auswirkungen der Krise auf die Wirtschaft weicht gesicherten Zahlen. Am Freitag hat das Statistische Bundesamt Daten für den März veröffentlicht, also für den ersten Monat mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. „Wir registrieren deutlichere Einschnitte als während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009“, sagt Albert Braakmann, Leiter der Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung bei der Behörde. Besonders schwer sind die Autoindustrie und Teile des Einzelhandels abgestürzt, während die Fortsetzung des Baubooms und die Ausweitung des Kurzarbeitergelds stabilisierend gewirkt haben.
Im Zeitraum Januar bis März ist das deutsche Bruttoinlandprodukt demnach um 2,2 Prozent zurückgegangen. „Darin befinden sich aber zwei unbeeinflusste Monate“, sagt Braakmann. Der gesamte Rückgang geht auf den März zurück, „in dem der von Bund und Ländern beschlossene Lockdown das Wirtschaftsleben zum Erliegen gebracht hat“. Wie es mit der Konjunktur jetzt weitergehe, hänge von der Umsetzung der Lockerungen ab. Fest steht jedoch, dass auch im April alle wichtigen Indikatoren nach unten zeigen. Auch die Industrie hat erneut deutlich weniger hergestellt.
Besonders kurzfristig verfügbare Daten gewinnen die Statistiker aus dem Lastwagenverkehr – ein Nebeneffekt der Erfassung der LastwagenMaut. Im März und April verzeichnete das Amt den stärksten Rückgang des Warentransports seit Einführung der Maut. Im April rauschte der Indikator mit einem Minus von fast elf Prozent noch einmal weiter nach unten im März. Ein kleiner Lichtblick: Anfang Mai stieg der Lastwagenverkehr wieder leicht an – vermutlich eine Folge der Lockerungen nach Ostern.
Das Statistische Bundesamt veröffentlichte auch Zahlen zum Verkauf und den Preisen verschiedener Waren im Verlauf der Seuche. Der Absatz von Desinfektionsmittel ging um fast 90 Prozent nach oben. Wenn mehr verfügbar gewesen wäre, hätte der Wert wohl noch höher ausfallen können. Es verkaufte sich ein Drittel mehr Toilettenpapier und drei Viertel
mehr Nudeln als normalerweise. Die Daten zu den Preisen zeigen zugleich, dass der Handel fair vorgegangen ist. So ist der Preis für das Toilettenpapier im Schnitt nur um ein Prozent gestiegen.
Andere Waren wurden jedoch deutlich teurer. Für Paprikaschoten mussten die Verbraucher ein knappes Drittel mehr zahlen, Spargel war zehn Prozent teurer. Bei den Paprika waren Importausfälle aus Südeuropa schuld, beim Spargel der Mangel an Erntehelfern. Für Zitrusfrüchte musste der Einzelhandel rund 20 Prozent mehr Geld nehmen als vor der Krise. Wer online ein Sportgerät bestellte, weil das Fitnessstudio geschlossen hat, musste ein Sechstel mehr bezahlen als sonst.
Zugleich wurde Sprit jedoch deutlich billiger, weil die Weltmarktpreise für Öl im Keller hängen. „Insgesamt traf die Corona-Krise auf ein ruhiges Preisklima“, sagte Susanne Hagenkort-Rieger, die zuständige Expertin beim Statistikamt. Im Ergebnis verschiedener, gegenläufiger Trends blieb die Inflation insgesamt niedrig.
Das hilft den Inhabern geschlossener Läden jedoch nur wenig. Während Drogerien und Apotheken ein Rekordgeschäft machten und es auch für die Supermärkte gut lief, litten andere Einzelhändler enorm unter dem Lockdown. Besonders der Absatz von Bekleidung, Schuhen und Lederwaren brach ein. Das Minus lag fast bei der Hälfte. Ähnlich sah es im März bei Schreibwaren und Büchern aus.
Andere Länder mussten derweil noch heftigere Einbrüche verzeichnen. Im ersten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandprodukt von Spanien, Frankreich oder Italien um rund fünf Prozent. Auch in Schweden, das auf Ausgangssperren und die Schließung von Cafés und Läden eher verzichtet hat, litt die Wirtschaft erheblich. Der Außenhandel brach ebenso ein wie überall sonst. Die schwedischen Verbraucher schränkten ihre Ausgaben in der Krise so ähnlich ein wie die in den Nachbarländern. Fürs Gesamtjahr erwartet die Zentralbank des Landes, die Riksbank, einen Absturz des Inlandprodukts von mehr als sieben Prozent. Ohne Lockdown, aber mit viermal mehr Toten in Bezug auf die Bevölkerung als Deutschland.