Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
84-Jährige wegen Mordes an Ex-Mann vor Gericht
Die Seniorin soll den 73-Jährigen mit einem Hammer angegriffen und anschließend angezündet haben
BODENSEEKREIS - Eine 84 Jahre alte Frau aus dem westlichen Bodenseekreis soll ihren Ex-Mann angezündet und ermordet haben – dafür muss sie sich seit Montag vor dem Landgericht Konstanz verantworten. Sie steht wegen Mordes und Brandstiftung mit Todesfolge vor Gericht. In der Absicht, den 73-Jährigen zu töten, soll sie ihn Ende Januar mit einem Fleischerhammer aus Metall mehrmals auf den Kopf geschlagen haben. Weil er ihr den Hammer aber abgenommen und den Notruf gewählt haben soll, soll sie in der Garage einen Kanister geholt und ihn mit Benzin übergossen und angezündet haben.
Laut Staatsanwaltschaft Konstanz wählte der 73-Jährige währenddessen selbst noch den Notruf. Der Mann erlitt schwere Verbrennungen und starb an einer Rauchgasvergiftung.
Als ihre Pflichtverteidigerin die Angeklagte am Arm in den Gerichtssaal
führt, ist sie komplett in schwarz gekleidet. In den Kleidern und Schuhen, die viel zu groß aussehen, versinkt sie fast. Weil sie schwerhörig ist, bekommt sie Kopfhörer, damit sie überhaupt in der Lage ist, den Prozess mitzuverfolgen. Trotzdem reagiert sie zunächst nicht, als der Vorsitzende Richter Arno Hornstein sie anspricht. Ihre Verteidigerin rückt daraufhin die Kopfhörer an die richtige Stelle. Als der Richter erneut fragt: „Sie verstehen mich?“antwortet die Angeklagte: „Nein.“
Gleich zu Beginn der Sitzung stellt Verteidigerin Kristina Müller einen Aussetzungsantrag mit der Begründung, sie habe sich und ihre Mandantin nicht ausreichend auf das Verfahren vorbereiten können. Die Verständigung sei äußerst schwierig gewesen, weil die Angeklagte anfangs kein Hörgerät gehabt und es später nicht richtig funktioniert habe, sagt sie. Hinzu seien die Sicherheitsvorkehrungen wegen Corona gekommen, die die Besuche und Gespräche in der Justizvollzugsanstalt noch schwieriger gemacht hätten. Außerdem sei sie stets nach kurzer Zeit zu erschöpft gewesen, um weiterzumachen.
Dass die Kommunikation schwierig ist, schildert auch der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler. „Anfangs saßen wir in zwei separierten Räumen und sollten über Mikrofone und Lautsprecher miteinander sprechen, aber das war nahezu unmöglich“, sagt er. Als er in Großbuchstaben Zettel beschrieb und sie ihr durch die Plexiglasscheibe zeigte, habe sie das nicht lesen können.
Er stellt zwar „unübersehbare kognitive Auffälligkeiten“bei der Frau fest, die er auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurückführt. Dennoch ist er überzeugt, dass sie vernehmungsund verhandlungsfähig ist. Anzeichen für Wahnvorstellungen oder eine psychotische Problematik habe er nicht festgestellt. Er empfiehlt dem Gericht, während der Verhandlung
Rücksicht auf den Zustand der Seniorin zu nehmen und Pausen einzulegen. Ihr Haftbefehl wurde für die Dauer der Verhandlung ausgesetzt. Sie wurde in eine Pflegeeinrichtung in der Umgebung verlegt.
In den Zeugenstand werden am ersten Verhandlungstag Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr geladen. Sie berichten übereinstimmend, dass sie die Seniorin auf einem Stuhl auf dem Balkon sitzend vorfanden, als sie am Tatort eintrafen. Die Seniorin habe nicht hilflos oder aufgelöst gewirkt. Vielmehr habe sie zufrieden gewirkt, „eher glücklich“, sagt einer.
Ersichtlich wird, dass die Feuerwehr nicht zum ersten Mal zum Haus ausrückte, in dem das seit mehreren Jahren getrennte Paar gemeinsam lebte. Einmal sei der Mann vermisst worden, weshalb die Einsatzkräfte sich Zutritt zur Wohnung verschafften. Er sei aber plötzlich vor ihnen gestanden. Der Prozess wird am Freitag, 24. Juli, fortgesetzt.