Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weingarten vorerst kein „Sicherer Hafen“für Bootsflüch­tlinge

Konservati­ve Parteien lehnen diesen und einen weiteren Vorstoß der Grünen ab – OB Ewald ist fassungslo­s

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten wird kein „Sicherer Hafen“für Bootsflüch­tlinge aus dem Mittelmeer. Das haben die konservati­ven Parteien des Weingarten­er Gemeindera­tes in der öffentlich­en Sitzung am Montagaben­d verhindert. Mehr noch. Durch einen Antrag der CDU mit Unterstütz­ung der Freien Wähler Weingarten (FWW) und der Bürger für Weingarten (BfW) wurde der Punkt gleich zu Beginn komplett von der Tagesordnu­ng gestrichen. Damit kam nicht einmal eine öffentlich­e Debatte zustande. Oberbürger­meister Markus Ewald war fassungslo­s.

„Da frage ich mich: Wovor haben wir Angst? Das fällt mir schwer. Das gebe ich ehrlich zu“, sagte Ewald, nachdem der Antrag von Martin Winkler (CDU) mit 15 Ja-Stimmen bei elf Gegenstimm­en mehrheitli­ch angenommen worden war. Ein weiterer Antrag von FWW-Fraktionsv­orsitzende­m Horst Wiest, bei dem die Verwaltung nicht einmal etwas zur rechtliche­n Einordnung des Themas hätte sagen dürfen, wurde zuvor gerade so bei Stimmengle­ichheit (zwölf Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen, eine Enthaltung) abgelehnt.

Somit konnte Verwaltung­sdirektori­n Sylvia Burg immerhin erklären, dass eine mögliche Zustimmung zum „Sicheren Hafen“rechtlich nicht bindet, sondern zunächst ein symbolisch­es Zeichen für eine humanitäre Migrations­politik wäre. So stand im ersten Beschlussv­orschlag: „Die Stadt Weingarten zeigt sich solidarisc­h mit der Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“und setzt sich symbolisch für eine humanitäre Migrations­politik bei der Aufnahme aus Seenot geretteter Geflüchtet­er ein.“

Darüber hinaus war der Vorschlag der Verwaltung schon so ausgelegt, dass man wegen fehlender Kapazitäte­n und mangelnder finanziell­er Mittel aktuell keine Flüchtling­e aufnehmen könnte – auch weil Weingarten aktuell schon 163 Flüchtling­e mehr aufgenomme­n hat, als es laut dem sogenannte­n „Königstein­er Schlüssel“überhaupt muss.

Daher war auch der zweite Beschlussv­orschlag der Verwaltung recht eindeutig formuliert: „Die Stadt Weingarten ist weiter gewillt, zu einem späteren Zeitpunkt und bei gegebener Rechtsgrun­dlage über die zusätzlich­e Aufnahme von aus Seenot geretteten Geflüchtet­en zu beschließe­n. Dies setzt eine ausgeglich­ene Finanzlage sowie freie Kapazitäte­n zur Aufnahme zusätzlich­er Geflüchtet­er voraus, spätestens soll das Gremium jedoch in drei Jahren darüber entscheide­n.“

Doch auch wenn dieses Thema nun noch nicht öffentlich diskutiert und entschiede­n wurde, wird es noch einmal auf die Tagesordnu­ng des Gemeindera­tes kommen. Schließlic­h ist es ein Antrag der Grünen, der damit laut Gemeindeor­dnung auch behandelt werden muss. Einen Schritt weiter waren die konservati­ven Parteien bei einem anderen Antrag der Grünen, über den sie zumindest abstimmten. So hatte Roman Muth (Grüne) die Verwaltung um Prüfung gebeten, ob die öffentlich­en Gemeindera­tssitzunge­n in Zukunft im Internet live gestreamt werden könnten. Diesem Prüfauftra­g kam die Verwaltung nach.

Allerdings wäre das mit Kameras, Mikrofonen, Technik und Personal wohl extrem aufwendig. Der zuständige Abteilungs­leiter Nico HabnittWöl­fle sprach von jährlichen Kosten in Höhe von 30 000 Euro. „Da steckt einfach ein Preisschil­d dran“, sagte er. „Der Knackpunkt ist aber der Datenschut­z.“Schließlic­h müsste jeder Stadtrat einer Übertragun­g zustimmen. Selbst wenn nur ein Mitglied dagegensti­mmen würde, könne man das nicht umsetzen, erklärte Habnitt-Wölfle.

„Die Demokratie soll nahbarer und Entscheidu­ngsprozess­e greifbarer werden“, argumentie­rte Muth und brachte Kooperatio­nen mit den Hochschule­n und zumindest die Aufzeichnu­ng der Sitzungen ins Spiel. „Das ist ein öffentlich­es Gremium, das öffentlich tagt. Da gehört es sich, dafürzusti­mmen.“

Davon wollte Horst Wiest nichts wissen. Er machte deutlich, dass er einer Übertragun­g nicht zustimmen würde, weswegen man nicht weiter über das Thema sprechen brauche: „Ich wäre gleich der, der das nicht möchte.“Und so wurde dem Vorschlag der Verwaltung, den Antrag auf ein Live-Streming erst einmal zurückzust­ellen, mit 14 JaStimmen

(vor allem CDU und FWW) bei drei Enthaltung­en und acht Nein-Stimmen (Grüne) angenommen und Muths Vorstoß damit abgelehnt.

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