Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weingarten vorerst kein „Sicherer Hafen“für Bootsflüchtlinge
Konservative Parteien lehnen diesen und einen weiteren Vorstoß der Grünen ab – OB Ewald ist fassungslos
WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten wird kein „Sicherer Hafen“für Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer. Das haben die konservativen Parteien des Weingartener Gemeinderates in der öffentlichen Sitzung am Montagabend verhindert. Mehr noch. Durch einen Antrag der CDU mit Unterstützung der Freien Wähler Weingarten (FWW) und der Bürger für Weingarten (BfW) wurde der Punkt gleich zu Beginn komplett von der Tagesordnung gestrichen. Damit kam nicht einmal eine öffentliche Debatte zustande. Oberbürgermeister Markus Ewald war fassungslos.
„Da frage ich mich: Wovor haben wir Angst? Das fällt mir schwer. Das gebe ich ehrlich zu“, sagte Ewald, nachdem der Antrag von Martin Winkler (CDU) mit 15 Ja-Stimmen bei elf Gegenstimmen mehrheitlich angenommen worden war. Ein weiterer Antrag von FWW-Fraktionsvorsitzendem Horst Wiest, bei dem die Verwaltung nicht einmal etwas zur rechtlichen Einordnung des Themas hätte sagen dürfen, wurde zuvor gerade so bei Stimmengleichheit (zwölf Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen, eine Enthaltung) abgelehnt.
Somit konnte Verwaltungsdirektorin Sylvia Burg immerhin erklären, dass eine mögliche Zustimmung zum „Sicheren Hafen“rechtlich nicht bindet, sondern zunächst ein symbolisches Zeichen für eine humanitäre Migrationspolitik wäre. So stand im ersten Beschlussvorschlag: „Die Stadt Weingarten zeigt sich solidarisch mit der Initiative „Seebrücke – Schafft sichere Häfen!“und setzt sich symbolisch für eine humanitäre Migrationspolitik bei der Aufnahme aus Seenot geretteter Geflüchteter ein.“
Darüber hinaus war der Vorschlag der Verwaltung schon so ausgelegt, dass man wegen fehlender Kapazitäten und mangelnder finanzieller Mittel aktuell keine Flüchtlinge aufnehmen könnte – auch weil Weingarten aktuell schon 163 Flüchtlinge mehr aufgenommen hat, als es laut dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“überhaupt muss.
Daher war auch der zweite Beschlussvorschlag der Verwaltung recht eindeutig formuliert: „Die Stadt Weingarten ist weiter gewillt, zu einem späteren Zeitpunkt und bei gegebener Rechtsgrundlage über die zusätzliche Aufnahme von aus Seenot geretteten Geflüchteten zu beschließen. Dies setzt eine ausgeglichene Finanzlage sowie freie Kapazitäten zur Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter voraus, spätestens soll das Gremium jedoch in drei Jahren darüber entscheiden.“
Doch auch wenn dieses Thema nun noch nicht öffentlich diskutiert und entschieden wurde, wird es noch einmal auf die Tagesordnung des Gemeinderates kommen. Schließlich ist es ein Antrag der Grünen, der damit laut Gemeindeordnung auch behandelt werden muss. Einen Schritt weiter waren die konservativen Parteien bei einem anderen Antrag der Grünen, über den sie zumindest abstimmten. So hatte Roman Muth (Grüne) die Verwaltung um Prüfung gebeten, ob die öffentlichen Gemeinderatssitzungen in Zukunft im Internet live gestreamt werden könnten. Diesem Prüfauftrag kam die Verwaltung nach.
Allerdings wäre das mit Kameras, Mikrofonen, Technik und Personal wohl extrem aufwendig. Der zuständige Abteilungsleiter Nico HabnittWölfle sprach von jährlichen Kosten in Höhe von 30 000 Euro. „Da steckt einfach ein Preisschild dran“, sagte er. „Der Knackpunkt ist aber der Datenschutz.“Schließlich müsste jeder Stadtrat einer Übertragung zustimmen. Selbst wenn nur ein Mitglied dagegenstimmen würde, könne man das nicht umsetzen, erklärte Habnitt-Wölfle.
„Die Demokratie soll nahbarer und Entscheidungsprozesse greifbarer werden“, argumentierte Muth und brachte Kooperationen mit den Hochschulen und zumindest die Aufzeichnung der Sitzungen ins Spiel. „Das ist ein öffentliches Gremium, das öffentlich tagt. Da gehört es sich, dafürzustimmen.“
Davon wollte Horst Wiest nichts wissen. Er machte deutlich, dass er einer Übertragung nicht zustimmen würde, weswegen man nicht weiter über das Thema sprechen brauche: „Ich wäre gleich der, der das nicht möchte.“Und so wurde dem Vorschlag der Verwaltung, den Antrag auf ein Live-Streming erst einmal zurückzustellen, mit 14 JaStimmen
(vor allem CDU und FWW) bei drei Enthaltungen und acht Nein-Stimmen (Grüne) angenommen und Muths Vorstoß damit abgelehnt.