Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Destruktiv und rückwärtsgewandt
Es ist ernüchternd, wie CDU und Freie Wähler Weingarten den politischen Diskurs im Weingartener Gemeinderat für sich in- terpretieren. Das wurde in der jüngsten Sitzung und mit der Absetzung des Tagesordnungspunktes „Sicherer Hafen“mehr als deutlich. Anstatt sich mit einem wichtigen gesellschaftlichen Problem auseinanderzusetzen, haben sie ein vermeintliches Schlupfloch in der Gemeindeordnung genutzt, um nicht öffentlich über ein für sie unliebsames Thema debattieren zu müssen. Das ist destruktiv und rückwärtsgewandt.
Und es ist kurzsichtig. Denn natürlich verschwindet der nun abgesetzte Tagesordnungspunkt nicht im Altdorfer Wald. Vielmehr wird er – nun mit noch viel mehr Beachtung – wieder in den Gemeinderat kommen. Auch das sieht die Gemeindeordnung vor. Außer einem Aufschub haben die konservativen Parteien also nichts erreicht. Im Gegenteil.
Unabhängig von der inhaltlichen Bewertung haben sie mit diesem Kniff gezeigt, dass sie nur bedingt Interesse an einer konstruktiven und fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit im Gemeinderat haben. Dass es nun die Grünen trifft, kommt nicht von ungefähr. Der CDU haben sie in Weingarten den Rang als stärkste Fraktion abgelaufen. Und das versuchen sie nun mit einer Vielzahl an Anträgen auch inhaltlich zu nutzen.
Auch wenn nicht jeder Vorstoß zu Weingarten passt und die teilweise etwas plumpe Vorgehensweise stark an die Grünen der 1990er-Jahre im Bund erinnert: Immerhin versuchen sie, Weingarten zu gestalten und zu einer modernen, weltoffenen und klimafreundlichen Stadt zu entwickeln.
Davon sind CDU und Freie Wähler – von den Bürgern für Weingarten ganz zu schweigen – weit entfernt. Das haben sie auch beim Tagesordnungspunkt „Streaming der Gemeinderatssitzung“unterstrichen, der quasi ohne Debatte abgelehnt wurde. Sie würden wohl am liebsten alles so bewahren, wie es früher einmal war. Doch das geht in unserer schnelllebigen Zeit eben nicht mehr. Andernfalls wird Weingarten abgehängt. Und das kann wirklich niemand wollen.