Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Birgit Fischer, die Ausnahmeathletin
Heute vor 40 Jahren ging der Stern der erfolgreichsten deutschen Olympionikin auf
BOLLMANNSRUH (SID) - An manchen Tagen, sagt Birgit Fischer, wollen die Menschen einfach nur quatschen. Oftmals gehe es nur darum, einmal ganz nah dran zu sein, und die erfolgreichste deutsche Olympionikin kennenzulernen. Fischer, die den Kursteilnehmern in ihrer Paddelschule eigentlich das Kanufahren beibringen will, nimmt das mit Humor. Meistens seien es Männer, denen sie sage: „Wenn ihr euch nur unterhalten wollt, dann ladet mich doch einfach zum Essen ein.“
Doch die große Mehrheit komme, „weil sie von der Besten lernen wollen“, erklärt Fischer. Seit der Eröffnung ihrer Schule am Beetzsee in Brandenburg 2004 habe sie von den Medaillen und der Bekanntheit profitiert. Kein Wunder, schließlich ist Fischer die erfolgreichste Kanutin der Welt. Die ersten Schritte auf dem Weg dorthin machte sie 1980 mit ihrem ersten Olympiasieg bei den BoykottSpielen in Moskau. Am Samstag jährt sich der Erfolg zum 40. Mal.
„Das hört sich ganz schön doof an so, als sei man dann doch schon ganz schön alt“, sagt die 58-Jährige. Fischer, damals gerade einmal 18 Jahre alt, paddelte scheinbar völlig unbeschwert zur ersten von später acht Goldmedaillen. Das sei „fantastisch“im Rückblick, an das Rennen und die Siegerehrung, sagt Fischer, könne sie sich heute aber nicht mehr erinnern.
Sehr wohl erinnert sie sich aber an die Vorgeschichte zum olympischen Finale – und das Krisengespräch mit ihren DDR-Trainern. Bei der Vorbelastung wenige Tage vor dem großen Tag paddelte Fischer weit hinter Ersatzfahrerin Roswitha Eberl her, Fischers Motivation und Ernsthaftigkeit wurden angezweifelt. Doch sie überzeugte die Trainer mit ihrer vorlauten Art und erklärte, sie könne sich vorstellen, Olympiasiegerin zu werden.
Fischer lieferte – unbeeindruckt von jeglichem Trubel. Nur abseits der Strecke beschäftigte die junge Athletin der Boykott des Westens und das Fernbleiben zahlreicher Sportler. Vier Jahre später, als sich der Osten revanchierte, musste Fischer aussetzen. Heute spricht sie von einem Gefühl der Ohnmacht und kritisiert, dass durch Boykotte keine Veränderungen in der Politik herbeizuführen seien, dafür sei Olympia zu unwichtig.
Vor 40 Jahren beeinträchtigte es Fischers Leistung allerdings nicht. Was folgte, ist im deutschen Sport unerreicht. Die Ausnahmeerscheinung, die ab 1988 ihr Training selbst organisierte, dominierte den Kanurennsport über Jahrzehnte und sammelte neben den Olympiamedaillen 27 WM-Titel. Zweimal beendete sie ihre Karriere und kehrte jeweils noch besser zurück – bis zu ihrem letzten olympischen Rennen 2004 in Athen. Die Comeback-Versuche der zweifachen Mutter für Peking und London scheiterten kurzfristig.
„Mittlerweile kann ich ganz gut loslassen“, sagt Fischer. Nun sei sie „hochzufrieden“. Das liegt auch an ihrer Kanuschule. „Paddeln ist für mich die schönste Nebensache der Welt. Und genauso habe ich es auch gelebt.“Und so versucht es Fischer auch ihren Kunden nahezubringen – sofern sie denn nicht einfach nur reden wollen.