Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unterwegs im Reisemobil
Experten aus der Region verraten hilfreiche Tipps und Tricks
KREIS RAVENSBURG - Urlaub im Reisemobil boomt. Diesen Trend spüren auch die Reisemobilhersteller und Vermieter in der Region.
„Wir haben bereits in den vergangenen Jahren eine größere Nachfrage an Wohnmobilen feststellen können“, sagt Alexander Kastl, Geschäftsführer von McRent mit Sitz in Isny. McRent ist laut eigenen Angaben Europas größte Wohnmobilvermietung und ist eine Marke der zur Erwin Hymer Group gehörenden Rental Alliance.
Die Firma berichtet von vielen kurzfristigen Mietanfragen aufgrund der Corona-Pandemie. „Als die ersten Reisebeschränkungen aufgehoben wurden, ist auch das Bedürfnis der Kunden nach Abwechslung und Urlaub gestiegen“, sagt Kastl. In den Sommerferien seien vor allem die größeren Vier-bis-Sechs-PersonenWohnmobile sehr gefragt. „So eine große Nachfrage nach Reisemobilen gab es noch nie. Das ist ein riesiger Boom“, sagt auch Reinhold Beller, Geschäftsführer des Erwin Hymer Centers in Bad Waldsee. Dieser Handelsbetrieb vertreibt fünf Reisemobilmarken und vermietet Fahrzeuge.
„Wir merken, dass viele Hoteloder Schiffsurlauber auf ein Reisemobil umsteigen“, sagt Beller. Doch worauf müssen Neueinsteiger achten und welche Fragen sollten sich erfahrene Camper stellen? Experten der Reisemobilhersteller aus der Region und des ADAC geben wertvolle Tipps:
Welches Fahrzeug passt zu mir? Nicht jeder Camper hat die gleichen Bedürfnisse. „Wir fragen immer, was die Leute mit ihrem Fahrzeug vorhaben“, sagt Reinhold Beller. Wer viel unterwegs ist und oft den Campingoder Stellplatz wechselt, für den sei ein Wohnmobil am besten geeignet, so Beller.
Wer in seinem Urlaub allerdings nur einen Campingplatz anfahre und dort mehrere Wochen stehe, für den lohne sich die Reise mit einem Wohnwagen. „Denn dann können die Urlauber ganz einfach und bequem mit dem Auto die Region erkunden oder an Regentagen in die Stadt fahren“, sagt Beller. Dafür sei es mehr Arbeit, den Wohnwagen auf dem Stellplatz aufzubauen.
Absolut im Trend seien in dieser Saison die sogenannten Campervans. „Sie vereinen das Fahrgefühl aus einem Pkw mit dem Platz eines Wohnmobils. Außerdem sind sie auch absolut alltagstauglich“, sagt Beller. Vor allem bei jüngeren Kunden seien diese Fahrzeuge beliebt.
Was muss ich vor Reiseantritt beachten?
Bevor ein Reisemobil ausgeliehen oder gekauft wird, ist ein Blick auf den Führerschein nötig. Denn: „Mit den neueren Führerscheinen der Klasse B dürfen nur Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen gefahren werden. Wer einen älteren Führerschein der Klasse 3 hat, darf Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen fahren“, sagt Christian Schäfer, Abteilungsleiter Mobilität und Technik beim ADAC Württemberg. Die meisten Reisemobile sind inzwischen allerdings mit Leichtbauweise gebaut und wiegen deshalb weniger als 3,5 Tonnen.
Einfach vom Auto auf ein Wohnmobil oder ein Gespann mit einem Wohnwagen umsteigen, geht aber trotzdem nicht. „Wer zum ersten Mal mit einem Reisemobil unterwegs ist, sollte sich die technischen Eigenheiten des Fahrzeugs erläutern lassen und sich auf jeden Fall vor Reiseantritt damit vertraut machen“, sagt Schäfer. Er empfiehlt Testfahrten mit dem Fahrzeug, beispielsweise auf Supermarktparkplätzen nach Ladenschluss. „Der Fahrer sollte wissen, wie sich das Reisemobil verhält und zum Beispiel Rückwärtsfahren üben“, so der ADAC-Experte. Der Reisemobil-Hersteller Dethleffs aus Isny bietet regelmäßige Fahrtrainings an.
Vor allem große Reisemobile laden oft dazu ein, viel Gepäck mitzunehmen oder im Urlaubsort viel zu kaufen. Alexander Wehrmann, Sprecher des Aulendorfer Wohnmobilherstellers Carthago, rät hier zur Vorsicht. „Beim Packen sollte auf alles, was irrelevant sein dürfte, verzichtet werden und nur das Nötigste eingepackt werden“, sagt er. Auf vielen Campingplätzen gibt es Waschautomaten, die genutzt werden können, falls frische Kleidung knapp werden sollte. „Stattdessen sind Dinge wichtig, die bei einem Urlaub im Hotel eher selten benötigt werden: Spülutensilien, ein Grill, eine stabile Schnur zum Wäscheaufhängen, Klopapier, Taschenlampen und leichtes Geschirr“, erklärt Wehrmann.
Beim Beladen sollte dann darauf geachtet werden, das Gepäck richtig zu verteilen. Schwere Dinge sollten bodennah und mittig verstaut werden. Außerdem muss das zulässige Gesamtgewicht beachtet werden. „Hierzu zählt natürlich auch das Gewicht der Reisenden. Das wird häufig vergessen“, sagt ADAC-Experte Schäfer. „Vor allem in den Sommermonaten überprüft die Polizei oft, ob die Fahrzeuge überladen sind. Wer ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen
von privaten Vermietern leiht, sollte darauf achten, dass das Fahrzeug verkehrssicher ist und alle Wartungen aktuell sind. „Bei den professionellen, gewerblichen Vermietungen ist das meistens kein Thema. Da werden die Fahrzeuge regelmäßig geprüft und jede oder jede zweite Saison ausgetauscht“, sagt der ADAC-Experte.
Fehler bei Neueinsteigern:
„Es gibt einige Fehler, die vor allem Neueinsteigern aufgrund der mangelnden Routine passieren“, sagt Reinhold Beller, Geschäftsführer des Erwin Hymer Centers. Dazu gehöre es, zu vergessen, den Stromstecker vor der Abfahrt am Stellplatz vom Fahrzeug abzustecken. „Das muss man ja bei einem Auto nicht machen. Deshalb wird das oft vergessen“, sagt Beller. Außerdem sollte die Markise vor Wohnmobilen immer ordentlich abgespannt und befestigt werden. „Camping-Anfänger denken oft nicht daran. Dann kann es passieren, dass ein Windstoß die Markise mitreißt und abbiegt“, sagt Beller. Beim Fahren werden häufig die Maße des Fahrzeugs unterschätzt. „Wenn man zum ersten Mal fährt, muss man sich erst daran gewöhnen, dass das Fahrzeug höher und breiter ist. Da kommt es auch mal zu einem Streifschaden“, sagt Beller. Bei der Navigation kann man sich nicht auf das Auto-Navigationssystem verlassen. „Das ist auf andere Höhen ausgelegt. Es kann vorkommen, dass man dann nicht durch die Unterführung passt“, so Reinhold Beller.
Auch ADAC-Experte Christian Schäfer rät deshalb, die Route vorab ausführlich zu planen. Bei der Planung und der Fahrt helfen Navigationssysteme, die speziell auf Reisemobile ausgerichtet sind. Schäfer empfiehlt vor allem Neueinsteigern, einen Zettel mit den Maßen des Fahrzeugs oder ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Achtung Höhe“aufs Armaturenbrett zu kleben.
Weitere Tipps für Neueinsteiger: „Einsteiger sollten zunächst kleinere
Touren machen und sich nicht übernehmen, sonst ist der Frust schnell vorprogrammiert“, sagt CarthagoSprecher Alexander Wehrmann. Reisen innerhalb Deutschlands oder in Nachbarländer wie Italien oder Frankreich seien dafür geeignet. „Außerdem sollte die erste Reise vorzugsweise in wärmere Gebiete gehen oder in der warmen Jahreszeit stattfinden. Denn die Anforderungen insbesondere für Anfänger sind bei mildem Klima natürlich geringer als bei Kälte, Nässe oder gar drohendem Frost“, so Wehrmann.
„Zur Übergabe des Fahrzeugs sollten unbedingt alle mitkommen, die später auch bei der Reise dabei sein werden“, sagt Anita Lorenscheit, Sprecherin des Herstellers Dethleffs aus Isny. So ist gleich die ganze Familie oder Reisegruppe damit vertraut. „Wenn eine Person alleine für alles verantwortlich ist, kann das schnell überfordern“, sagt sie.
Aber auch wenn auf dem Campingplatz Fragen auftauchen, sei das kein großes Problem, so Anita Lorenscheit. „Camper helfen sich untereinander. Egal ob es um nützliche Tricks oder das Rangieren des Fahrzeugs geht. Auf einem Campingplatz kann man andere immer um Hilfe bitten“, sagt Lorenscheit.
Der Austausch mit anderen Campern könne gerade für Anfänger nützlich sein. „Das ist wie eine Community, und erfahrene Camper helfen oft sehr gerne“, sagt sie. Vermieter geben ihren Kunden meist Notfallnummern mit. „Auch an diese Nummer kann man sich bei Bedienungsproblemen, einem Unfall oder einem technischen Defekt wenden“, sagt ADAC-Experte Christian Schäfer.