Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Freude an musikalischer Entdeckung
Ludvik Šuranský stellte unbekanntere Komponisten aus Europa vor
WEINGARTEN - Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn kommt der Organist Ludvik Šuranský auf den Parkplatz gefahren, er kennt die Gegebenheiten schon vom vorigen Jahr. Ein höflicher und freundlicher Mensch, sogleich bereit zu einem Foto auf der Orgelempore. „Eine wunderschöne Orgel“, sagt er lächelnd und streicht fast ehrfürchtig über die Registerköpfe aus Elfenbein. Er ist gerne eingesprungen bei den Internationalen Orgelkonzerten und hat ein vielseitiges Programm von kurzen Kompositionen bekannter deutscher und weniger bekannter europäischer Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts mitgebracht.
Zwei Stücke von Johann Sebastian Bach standen am Anfang: die Fantasia con imitazione h-Moll, schön und klar mit einem heiteren kleinen Glockenspiel und das Lied „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“, mit der „vox humana“gespielt. Bereits da spürte man Šuranskýs Begeisterung für die Vielfalt der 66 oder mehr Register der Gabler-Orgel, die sich dann bei den nächsten drei Werken von böhmisch-tschechischen Meistern noch steigerte.
Nach der ernsten getragenen Fuge c-Moll von Bohuslav Matej Cernohorsky und dem Präludium C-Dur von Josef Ferdinand Norbert Seger, das in voluminösem Plenum und mit Glockenspiel rhythmisch garniert erklang, überraschte die Fantasie dMoll des Tschechen Jan Krtitel Kuchar mit interessantem Doppelecho, Kuckuck und Rossignol. Eine eigenwillige, modern anmutende Komposition mit sehr melodischen Zwischenteilen, für die Šuranský eine Vielzahl von Registerfarben einsetzte. Mit diesen drei Komponisten des frühen und späten 18. Jahrhunderts endete der erste Teil mit Alter Musik. Und es begann das 19. Jahrhundert mit dem verinnerlichten Lied „Herzliebster Jesu“op. 122 von Johannes
Brahms.
Weiter im 19. Jahrhundert in Europa ging es mit dem belgischen Komponisten Jacques Nicolas Lemmens und seiner in „unda maris“gesetzten „Prière E-Dur“, und zwei Postludien, also Nachspielen nach der Messe, des Ungarn Tibor von Pikethy, bei deren wuchtigem Plenum Šuranský wieder den Carillon einsetzte.
Der mit nur 22 Jahren verstorbene Brite Charles John Grey hat in seiner kurzen Lebenszeit über 20 sakrale Werke geschaffen, darunter das schlichte Lied „Prière à la Vierge“mit einer einfachen Oberstimme, das gar nicht sehr sakral wirkte. Auch dem Elsässer Léon Boëllmann war kein langes Leben vergönnt: Aus seinen Orgelwerken kamen zwei Stücke aus der „Suite Gothique“op. 25 zu Gehör, das „Menuet gothique“ein wenig schwerfällig, die „Prière à Notre Dame“dagegen sehr gefühlsgesättigt. Den Schluss machte Felix Mendelssohn mit der Sonate A-Dur op. 65, No. 3 über den Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, der einerseits ganz von Bach inspiriert wirkte, andererseits schwelgende Romantik vermittelte.
Die gerne auch von Brass-Ensembles gespielte Hochzeitsmusik „Festive Trumpet Tune“des amerikanischen Organisten und Komponisten David German bildete den festlichen Abschluss eines reichhaltigen und interessanten Konzerts mit insgesamt 14 Werken von elf Komponisten.