Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Südwesten ist Grundsteue­r-Pionier

Was mit dem geplanten Bodenwert-Modell auf Hausbesitz­er und Mieter zukommt

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Einfach, transparen­t und gerecht soll sie sein, die neue Grundsteue­r für Baden-Württember­g. Das war das Ziel der grünschwar­zen Landesregi­erung. Seitdem sie ihr Konzept vorgestell­t hat, wächst Unmut. Gerecht sei das Modell nicht, so die Kritik aus unterschie­dlicher Richtung. Alles Wichtige zur neuen Steuer im Überblick.

Welche Bedeutung Grundsteue­r?

Für die Kommunen ist sie eine der wichtigste­n Einnahmequ­ellen. Mit den landesweit zuletzt 1,8 Milliarden Euro können die Kommunen etwa ihre Kitas betreiben oder marode Straßen ausbessern. Für Hausbesitz­er und Mieter ist sie gleicherma­ßen relevant. Denn Vermieter können die Kosten auf die Mieter umlegen.

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Warum gibt es überhaupt eine neue Grundsteue­r?

Die Grundlage der aktuell gültigen Steuer ist veraltet. Bei ihrer Berechnung werden sogenannte Einheitswe­rte angewandt, die in Westdeutsc­hland von 1964 und in Ostdeutsch­land von 1935 stammen. Das ist verfassung­swidrig, hat das Bundesverf­assungsger­icht 2018 geurteilt. Die Richter haben die Politik mit Neuerungen bis 2025 beauftragt.

Wie wird die Steuer reformiert? Ganz unterschie­dlich. Der Bund hat Ende 2019 eine neue Methode zur Berechnung der Grundsteue­r vorgelegt. Etliche Länder sind dagegen auf die Barrikaden gegangen. Das Modell von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) sei zu komplizier­t – so eins der Hauptargum­ente. Es betrachtet unter anderem die Fläche und den Wert der Immobilie. Die Länder haben eine Grundgeset­zänderung durchgeset­zt. Dadurch können sie vom Bundesmode­ll abweichen, wenn sie mögen.

Was tun die Länder?

Etliche haben angekündig­t, vom Bundesmode­ll abzuweiche­n. Lautstarke­r Kritiker war von Anfang an Bayern. Der Freistaat setzt auf ein reines Flächenmod­ell, bei etwa der Wert des Bodens keine Rolle spielen soll. Auch Hessen und Niedersach­sen wollen eigene Gesetze erlassen. Die Länder haben angekündig­t, auch die Gebäudeflä­che in die Berechnung aufzunehme­n. Baden-Württember­g will ebenfalls abweichen – und hat als erstes und bislang einziges Land einen Gesetzentw­urf auf den Weg gebracht.

Was gilt für die neue Grundsteue­r im Südwesten?

Die Landesregi­erung setzt auf ein sogenannte­s Bodenwertm­odell. Die Steuer soll sich ergeben aus der Grundstück­sfläche und dem Bodenricht­wert, der für das Grundstück gilt. Die Bodenricht­werte für bestimmte Gebiete werden von Gutachtera­usschüssen alle zwei Jahre neu ermittelt. Darin sitzen unabhängig­e Sachverstä­ndige. Wesentlich für die Berechnung ist auch der Hebesatz. Den legt der Gemeindeod­er Stadtrat einer Kommune fest. Größe und Wert der Gebäude, die auf dem Grundstück stehen, sollen im Südwest-Modell keine Rolle spielen.

Wird sich die Höhe der Grundsteue­r dadurch ändern?

Ja, das wird sie. Es wird Gewinner und Verlierer geben – das sagt auch die Landesregi­erung. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat mithilfe des Bunds der Steuerzahl­er im Südwesten acht Beispiele von Ein- und Zweifamili­enhäusern aus dem Verbreitun­gsgebiet durchgerec­hnet – auf Basis der aktuellen Bodenricht­werte und Hebesätze. Der Trend: Wer in kleineren, abgeschied­eneren Gemeinden lebt, kann mit Entlastung­en rechnen. Die Grundsteue­r im Immendinge­ner Ortsteil Hattingen im Kreis Tuttlingen etwa sinkt um die Hälfte, in Ostrach im Kreis Sigmaringe­n um 40 Prozent. Teurer wird es für Hausbesitz­er und Mieter in Städten und deren Randbezirk­e. Die Grundsteue­r im Ravensburg­er Ortsteil Eschach etwa würde sich demnach fast verdoppeln, in der Aalener Kernstadt steigt sie um 264 Prozent (siehe Kasten).

Ist das Modell gerecht?

Ja, sagt das Land. Denn für Grundstück­e, die vorwiegend dem Wohnen dienen, gilt bei der Steuermess­zahl 30 Prozent Rabatt. Sie sinkt von 1,3 auf 0,91 Promille. Die Zahl sinkt um weitere 25 Prozent bei sozialen Wohngebäud­en. Als ungerecht und sogar verfassung­swidrig sehen die Pläne indes Steuerzahl­erbund, SPD und Linke. Es könne nicht sein, dass der Wert oder die Wohnfläche eines Gebäudes keine Rolle spiele. Noch ist der Gesetzentw­urf in Anhörung. Bürger können im Beteiligun­gsportal des Landes online ihre Meinung sagen. Der Landtag soll sich im Herbst mit dem Gesetz befassen.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Von der neuen Berechnung der Grundsteue­r könnten Hausbesitz­er im ländlichen Raum profitiere­n.

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