Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Südwesten ist Grundsteuer-Pionier
Was mit dem geplanten Bodenwert-Modell auf Hausbesitzer und Mieter zukommt
STUTTGART - Einfach, transparent und gerecht soll sie sein, die neue Grundsteuer für Baden-Württemberg. Das war das Ziel der grünschwarzen Landesregierung. Seitdem sie ihr Konzept vorgestellt hat, wächst Unmut. Gerecht sei das Modell nicht, so die Kritik aus unterschiedlicher Richtung. Alles Wichtige zur neuen Steuer im Überblick.
Welche Bedeutung Grundsteuer?
Für die Kommunen ist sie eine der wichtigsten Einnahmequellen. Mit den landesweit zuletzt 1,8 Milliarden Euro können die Kommunen etwa ihre Kitas betreiben oder marode Straßen ausbessern. Für Hausbesitzer und Mieter ist sie gleichermaßen relevant. Denn Vermieter können die Kosten auf die Mieter umlegen.
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Warum gibt es überhaupt eine neue Grundsteuer?
Die Grundlage der aktuell gültigen Steuer ist veraltet. Bei ihrer Berechnung werden sogenannte Einheitswerte angewandt, die in Westdeutschland von 1964 und in Ostdeutschland von 1935 stammen. Das ist verfassungswidrig, hat das Bundesverfassungsgericht 2018 geurteilt. Die Richter haben die Politik mit Neuerungen bis 2025 beauftragt.
Wie wird die Steuer reformiert? Ganz unterschiedlich. Der Bund hat Ende 2019 eine neue Methode zur Berechnung der Grundsteuer vorgelegt. Etliche Länder sind dagegen auf die Barrikaden gegangen. Das Modell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sei zu kompliziert – so eins der Hauptargumente. Es betrachtet unter anderem die Fläche und den Wert der Immobilie. Die Länder haben eine Grundgesetzänderung durchgesetzt. Dadurch können sie vom Bundesmodell abweichen, wenn sie mögen.
Was tun die Länder?
Etliche haben angekündigt, vom Bundesmodell abzuweichen. Lautstarker Kritiker war von Anfang an Bayern. Der Freistaat setzt auf ein reines Flächenmodell, bei etwa der Wert des Bodens keine Rolle spielen soll. Auch Hessen und Niedersachsen wollen eigene Gesetze erlassen. Die Länder haben angekündigt, auch die Gebäudefläche in die Berechnung aufzunehmen. Baden-Württemberg will ebenfalls abweichen – und hat als erstes und bislang einziges Land einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht.
Was gilt für die neue Grundsteuer im Südwesten?
Die Landesregierung setzt auf ein sogenanntes Bodenwertmodell. Die Steuer soll sich ergeben aus der Grundstücksfläche und dem Bodenrichtwert, der für das Grundstück gilt. Die Bodenrichtwerte für bestimmte Gebiete werden von Gutachterausschüssen alle zwei Jahre neu ermittelt. Darin sitzen unabhängige Sachverständige. Wesentlich für die Berechnung ist auch der Hebesatz. Den legt der Gemeindeoder Stadtrat einer Kommune fest. Größe und Wert der Gebäude, die auf dem Grundstück stehen, sollen im Südwest-Modell keine Rolle spielen.
Wird sich die Höhe der Grundsteuer dadurch ändern?
Ja, das wird sie. Es wird Gewinner und Verlierer geben – das sagt auch die Landesregierung. Die „Schwäbische Zeitung“hat mithilfe des Bunds der Steuerzahler im Südwesten acht Beispiele von Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Verbreitungsgebiet durchgerechnet – auf Basis der aktuellen Bodenrichtwerte und Hebesätze. Der Trend: Wer in kleineren, abgeschiedeneren Gemeinden lebt, kann mit Entlastungen rechnen. Die Grundsteuer im Immendingener Ortsteil Hattingen im Kreis Tuttlingen etwa sinkt um die Hälfte, in Ostrach im Kreis Sigmaringen um 40 Prozent. Teurer wird es für Hausbesitzer und Mieter in Städten und deren Randbezirke. Die Grundsteuer im Ravensburger Ortsteil Eschach etwa würde sich demnach fast verdoppeln, in der Aalener Kernstadt steigt sie um 264 Prozent (siehe Kasten).
Ist das Modell gerecht?
Ja, sagt das Land. Denn für Grundstücke, die vorwiegend dem Wohnen dienen, gilt bei der Steuermesszahl 30 Prozent Rabatt. Sie sinkt von 1,3 auf 0,91 Promille. Die Zahl sinkt um weitere 25 Prozent bei sozialen Wohngebäuden. Als ungerecht und sogar verfassungswidrig sehen die Pläne indes Steuerzahlerbund, SPD und Linke. Es könne nicht sein, dass der Wert oder die Wohnfläche eines Gebäudes keine Rolle spiele. Noch ist der Gesetzentwurf in Anhörung. Bürger können im Beteiligungsportal des Landes online ihre Meinung sagen. Der Landtag soll sich im Herbst mit dem Gesetz befassen.