Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eisenmann will die Mundart retten
Baden-Württembergs Kultusministerin macht sich für den Erhalt der Dialekte im Unterricht stark
STUTTGART (lsw) - Kein Fränkisch im Klassenraum, kaum Schwäbisch auf dem Schulflur und nur wenig Alemannisch auf dem Pausenhof: Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) bedauert den schleichenden Abschied der Dialekte aus dem Unterricht und macht sich stark für die Mundart. „Dialekt gehört für mich mehr denn je dazu“, sagte Eisenmann. „Denn wenn Dialekt verschwindet, verschwindet mehr als nur Sprache. Es verschwindet auch das Wissen darüber.“Sprache habe mit der eigenen Geschichte zu tun.
Ihr seien Fälle bekannt, in denen Eltern bei der Anmeldung an der Schule gezielt nach hochdeutschem Unterricht gefragt hätten, sagt die Ministerin. Das Argument der Eltern: Man könne dann ja beim Kind später nicht hören, wo es herkomme.
„Für mich ist das Thema inzwischen auch eine Frage des Selbstbewusstseins“, sagt Eisenmann, die auch CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl ist. „Die Bayern haben zum Beispiel einen ganz anderen Umgang damit. Der Dialekt wird dort viel selbstbewusster genutzt.“Dabei sei es doch schön, durch die Färbung herauszuhören, ob jemand aus der Kurpfalz stamme, von der Schwäbischen Alb oder aus Stuttgart. „Das sollten wir nicht vermeiden oder unterdrücken.“Landespolitiker gehen mit gutem Beispiel voran: CDU-Generalsekretär Manuel
Hagel etwa spricht breitesten schwäbischen Dialekt, während Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) den Dialekt seiner oberbayerischen Heimat nie abgelegt hat. Fraktionsübergreifend brachten Abgeordnete vor zwei Jahren einen Antrag im Landtag ein, in dem sie sich für den Erhalt von Dialekten starkmachten.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der ebenfalls offen schwäbelt, hat die Förderung der Dialekte zur Chefsache erklärt: Im Dezember 2018 lud er Mundartsprecher und -freunde zu einer Tagung unter dem Motto „Daheim schwätzen die Leut“ein. Es folgte ein Runder Tisch.
„Der schwäbische Dialekt ist für mich bis heute eine sprachliche Heimat“, schreibt Kretschmann in einem neuen Grußwort für einen Mundart-Preis. „Deshalb spreche ich gerne auch vom Dialekt als einer Art mobilen Heimat, die man überallhin mitnimmt und die einen meist nie ganz verlässt.“Nur wenn die Menschen Lust hätten und sich frei fühlten, Dialekt zu sprechen, lasse sich dieser kulturelle Schatz bewahren.
Mit ihrem Appell für den Unterricht beißt Eisenmann bei der Lehrer-Gewerkschaft und selbst bei Mundartsprechern auf Granit: „Lehrer sollten gute Sprachvorbilder sein, weil Kinder und Jugendliche dann leichter die Sprache lernen können“, sagt Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
„Schule hat den Auftrag zu vermitteln, sich schriftlich und mündlich so ausdrücken zu können, dass man gesellschaftlich und beruflich erfolgreich sein kann.“Moritz hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht: Als junge Deutschlehrerin sprach sie im Unterricht auch viel Dialekt, bis ein Schulrat sie darauf aufmerksam machte, wie sich die Gewerkschaftschefin erinnert.
Wolfgang Wulz vom Verein Schwäbische Mund.art ist zwar begeistert von den Dialekten, im Unterricht haben sie allerdings auch seiner Ansicht nach zumindest bei Lehrern keinen größeren Platz: „Es sollte auf
Hochdeutsch unterrichtet werden, obgleich natürlich auch mit einem mundartlichen Einschlag. Aber es ist auch wichtig, Kinder und Jugendliche nicht einzuschränken, wenn sie in einem Dialekt sprechen.“Dialekte müssten vor allem als Lehrstoff im Unterricht behandelt werden.
Zumindest die Wissenschaftler scheinen keinen Nachteil in Dialekten an den Schulen zu sehen: Nach der Antwort des Staatsministeriums auf eine Landtagsanfrage haben Experten herausgefunden, dass Menschen einen sprachlichen Vorteil haben, wenn sie zweisprachig oder eben auch mit Schriftsprache und Dialekt zugleich aufwachsen. „Untersuchungen aus Bayern belegen: Kinder, die sowohl Schriftsprache als auch Dialekt sprechen, machen rund 30 Prozent weniger Fehler in der Rechtschreibung“, heißt es in der Antwort. Die junge Zielgruppe sei zwar besonders wichtig, wenn es ums Fördern von Dialekten geht.
Hubert Klausmann vom LudwigUhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft Tübingen erforscht seit über 30 Jahren Mundarten im süddeutschen Raum. Hochdeutsch? Das gebe es nicht, sagt er, das sei nichts als ein Klischee. Jede Region habe ihre Sprachvariante – und so sei das auch im Raum Hannover, der gemeinhin mit dem Hochdeutschen verbunden werde. Klausmann sieht keine Nachteile für die Rechtschreibung, wenn im Unterricht in einem Dialekt gesprochen wird. Es gebe keine Studie, die einen Einfluss bestätigt.