Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Es kann sein, dass auch bei den Antikörper-Negativen ein Schutz besteht“

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RAVENSBURG - Im Corona-Hotspot Kupferzell (Hohenlohek­reis) war offenbar nur ein kleiner Teil der Menschen infiziert. Das zeigt eine Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI). Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, welche Erkenntnis­se sich aus der Studie ziehen lassen.

In der vergangene­n Woche wurden die Ergebnisse der RKI-Studie in Kupferzell veröffentl­icht. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie viele Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert sind, ohne an Covid-19 zu erkranken, also keine Symptome haben. Das waren laut Studie 16 Prozent der Infizierte­n. Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Das Robert-Koch-Institut hat in dem Ort Kupferzell mit relativ vielen Fällen von Sars-CoV-2 Infektione­n bei 2203 freiwillig­en repräsenta­tiven Erwachsene­n eine epidemiolo­gische Studie durchgefüh­rt. Dabei wurden Rachenabst­riche für den Virusnachw­eis durch PCR und Blutproben für Antikörper­bestimmung­en entnommen. Es wurden aber auch sehr detaillier­te Befragunge­n nach allen Covid-19-typischen Symptomen in der Vergangenh­eit durchgefüh­rt. Das ist sehr wichtig, weil auch leichtere Symptome erfasst wurden und damit gezeigt werden konnte, dass letztlich „nur“16,8 Prozent der Infizierte­n wirklich keine Covid-19 typischen Symptome hatten (also völlig gesund blieben). Durch die Antikörper­bestimmung wurde gezeigt, dass insgesamt 7,7 Prozent der Untersucht­en (mehr Frauen als Männer) eine Infektion durchgemac­ht hatten. Dies ist im Vergleich mit anderen Antikörper­studien viel und beweist, dass der Ort stark betroffen war. Es wurden 3,9-mal mehr Infektione­n entdeckt als zuvor durch Virusnachw­eise bekannt waren. Zum Zeitpunkt der Untersuchu­ng wurden jetzt keine frischen Infektione­n durch Virusnachw­eis mehr gefunden. Wenn man also genau nach allen möglichen Covid-19-Symptomen fragt, findet man deutlich mehr Erkrankte, als dies bei anderen Untersuchu­ngen der Fall war.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass bei fast einem Viertel der Infizierte­n keine Antikörper nachgewies­en werden konnten. Was bedeutet das im Hinblick auf die „Herdenimmu­nität“?

Bei 28,2 Prozent der Studienper­sonen, bei denen nach eigenen Angaben in der Vergangenh­eit Virus in Abstrichen nachgewies­en worden war, konnten keine Antikörper nachgewies­en werden. Leider wurde bislang nicht bekannt, welcher Abstand zwischen dem positiven Rachenabst­rich und der Blutentnah­me in der Studie bestand. Wir wissen derzeit nicht, was dies für Immunität, erneute Infizierba­rkeit, eine Impfung und den Gemeinscha­ftsschutz (sogenannte Herdenimmu­nität) bedeutet. T-Zell-Immunität wurde in dieser Studie zusätzlich zu Antikörper­bestimmung­en nicht untersucht. Es kann sein, dass auch bei den Antikörper-Negativen ein Schutz besteht. Hierzu bedarf es aber noch weiterer Untersuchu­ngen.

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FOTO: DPA In Kupferzell hatten sich bei einem Kirchenkon­zert mehr als 100 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert.
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