Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Kungelei mit der AfD“löst Streit in Werteunion aus
Führende Mitglieder der konservativen CDU-Gruppe treten aus – Auch Südwest-Chef zieht sich zurück
STUTTGART - Es wirkte wie eine Provokation: Während 2017 in Sindelfingen die CDU Baden-Württemberg einen Parteitag abhielt, gründeten CDU-Mitglieder im nahen Schwetzingen eine konservative Bewegung – die Werteunion. Angeführt vom Schwetzinger Alexander Mitsch setzte die junge Werteunion das Zeichen: So kann es nicht weitergehen in der CDU. Nun ist Holger Kappel, Südwest-Landesvorsitzender der Werteunion, zurückgetreten – aus Protest gegen den Kurs der Gruppe. Zu nah an der AfD, zu hart die Kritik an der Mutterpartei, so die Einschätzung.
„Die Ziele der Werteunion und das Handeln haben sich auseinanderdividiert“, sagte Kappel der „Schwäbischen Zeitung“. Sowohl der Umgang miteinander als auch die Inhalte könne er nicht mehr mittragen.
Man setze auf Konfrontation statt Dialog, so könne man die CDU nicht von innen heraus ändern. Es gebe zu viele „Krawallmacher, die kein gutes Haar an der CDU lassen", sagte Christian Sitter, bisher Vorsitzender der Werteunion Thüringen. Er trat wie seine Stellvertreterin und der Südwest-Chef Kappel aus der Werteunion aus und von allen Ämtern zurück.
Mit der ehemaligen Bundestagsabgeordneten und DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld sitzt seit Kurzem eine sehr umstrittene Politikerin im Bundesvorstand der Werteunion. Unter anderem zeichnete sie für eine Zeitschrift verantwortlich, die offen für ein Bündnis zwischen CDU und AfD warb. Holger Kappel hält sie für nicht tragbar: „Das Kungeln mit der AfD lehne ich ab und das entspricht auch nicht den Werten der CDU.“
Ebenso wenig teilt er die Positionen der Werteunion in Bayern. Diese hatte zuletzt ein Papier verabschiedet, das den menschengemachten Klimawandel leugnet. Deutschland lasse sich von „Müll-Wissenschaft“leiten. Das Manifest stellt sich damit gegen die große Mehrheit von Klimaforschern weltweit. „Ich habe mich gefragt: Hat die AfD das Briefpapier der Werteunion genommen? Das ist ja entsetzlich“, so Kappel.
Den Landesverband führt nun vorerst einer von Kappels Stellvertretern, der Reutlinger Fabian Bail.
Der sagte am Dienstag, er sei überrascht von dem Schritt. Es gebe seit einiger Zeit vermehrt Kritik an Kappels Kurs. „Mir wurde angetragen, dass er sehr stark die Nähe zur Führungsspitze der CDU im Land gesucht hat und dadurch die Werteunion vernachlässigt hat“, so Bail
Möglichst bald sollen die laut Kappel rund 650 Werteunionsmitglieder im Südwesten einen neuen Landesvorstand wählen. „Wir sind daher zuversichtlich, dass eine neue Führungsspitze noch mehr Schwung in den ohnehin schon stark wachsenden Landesverband der Werteunion Baden-Württemberg bringen wird“, sagte Bundeschef Mitsch am Dienstag. Im Land müsse man sich offensiver gegen die Grünen positionieren. „Die CDU sollte nicht dem vermeintlichen Zeitgeist hinterherlaufen, sondern ihre Standpunkte bei der inneren Sicherheit und für eine leistungsorientierte Bildungspolitik deutlicher vertreten.“
Zunächst hatte die CDU-Spitze in Baden-Württemberg beunruhigt auf die Werteunion geblickt. Das Erstarken der AfD und den konservativen Widerstand in den eigenen Reihen werteten einige als Signal, sich nicht weiter zu modernisieren, etwa in der der Familien- oder Umweltpolitik. Doch CDU-Landeschef Thomas Strobl und Generalsekretär Manuel Hagel gelang der Dialog. Die Werteunion blieb im Südwesten geräuschlos, ihr Vorsitzender Kappel lobte die gute Zusammenarbeit. „Im Südwesten habe wir einiges bewegt, die konservativen Werte spielen eine größere Rolle. Im Gegensatz zum Bundesverband der Werteunion, die nur zu einer Verhärtung der Fronten beigetragen hat“, so Kappel.
Die Werteunionsmitglieder haben es hierzulande schwer im Kampf um politische Mandate, bislang sitzt niemand von ihnen im Bundes- oder Landesparlament. Jüngst scheiterte Bundeschef Mitsch beim Versuch, im Rhein-Neckar-Kreis als Landtagskandidat in den Wahlkampf für die CDU zu ziehen. Er bekam elf von 71 Stimmen – und ist mittlerweile auch nicht im eigenen Kreisvorstand vertreten. „Mir haben viele Mitglieder signalisiert, dass sie auch über den Austritt nachdenken. Wenn sich alle dafür entscheiden, steht der Werteunion im Südwesten ein Aderlass bevor“, sagt Kappel.