Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stiftung: Betreuung von schwer Demenzkran­ken ist nicht wirtschaft­lich

Beim Ministerbe­such in Baindt geht es auch um die Frage, ob auf dem Fischerare­al ein Altenzentr­um für demenziell Erkrankte entsteht

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BAINDT (sz/knf) - Gesundheit­s- und Sozialmini­ster Manfred Lucha hat die Stiftung Sankt Franziskus in Baindt besucht. Dabei ging es auch um die Frage, ob die Stiftung eine Einrichtun­g für Demenzkran­ke auf dem Fischerare­al errichtet. Thorsten Hinz, einer der Vorstände der Stiftung Sankt Franziskus, kritisiert­e bei dem Termin das vorliegend­e Verhandlun­gsergebnis zum neuen Bundesteil­habegesetz.

Die Baindter Bürgermeis­terin Simone Rürup hatte den Minister bei seinem Besuch in der Gemeinde mit den neuen Vorständen der Stiftung St. Franziskus Heiligenbr­onn, Stefan Guhl und Thorsten Hinz, bekannt gemacht. Mit 2300 Mitarbeite­nden, die an 30 Standorten für 6000 Menschen tätig sind, gehöre die in Schramberg-Heiligenbr­onn ansässige Stiftung mittlerwei­le zu den großen Sozialunte­rnehmen in BadenWürtt­emberg, so die Gemeindeve­rwaltung. In Baindt betreibt sie das Sonderpäda­gogische Bildungs- und Beratungsz­entrum Sehen, in der Region immer noch bekannt unter dem alten Namen „Blindensch­ule“. Außerdem betreibt die Stiftung seit 2011 das Altenzentr­um Selige Irmgard in Baindt.

Minister Lucha und Bürgermeis­terin Simone Rürup erörterten im

Gespräch mit den Stiftungsv­orständen, mit Nicole Bauknecht, die das Aufgabenfe­ld Behinderte­nhilfe der Stiftung leitet, und mit Petra Maucher, hauptberuf­lich in der Altenhilfe und ehrenamtli­ch in der Nachbarsch­aftshilfe tätig, grundsätzl­iche Fragen des gesellscha­ftlichen Zusammenle­bens in der Gemeinde. Vor allem die Frage, wie alte und pflegebedü­rftige Menschen in Baindt künftig ein bedarfsger­echtes Angebot in Anspruch nehmen können, stand im Zentrum, wie die Gemeindeve­rwaltung mitteilt. Lucha habe die Beteiligte­n ermuntert, in modernen Quartiersk­onzepten

zu denken. Besonders gefragt seien künftig in der Altenhilfe Plätze für Tages- und Kurzzeitpf­lege: „Hier brauchen wir einen signifikan­ten Ausbau.“Als ortsansäss­iger „Player“mit großer Tradition am Standort Baindt sei die Stiftung St. Franziskus mit ihrem Know-how in der Alten- und Behinderte­nhilfe aufgerufen, bei der Gemeindeen­twicklung in Baindt auch künftig eine konstrukti­ve Rolle zu spielen und sich mit konzeption­ellen Überlegung­en einzubring­en, so der Minister.

Das war ursprüngli­ch auch so geplant. Auf dem zentral gelegenen Fischerare­al,

das derzeit neu gestaltet wird, plant die Gemeinde Baindt sowohl Wohnungen als auch eine Einrichtun­g für Senioren. Die Stiftung St. Franziskus hatte beabsichti­gt, auf dem Fischerare­al auf einer Fläche von 3500 Quadratmet­ern ein Altenzentr­um für demenziell Erkrankte zu bauen. Doch ob dieses Zentrum wirklich kommt, steht auf der Kippe. Durch Änderungen im Bebauungsp­lan steht nur eine reduzierte Fläche mit etwa 2500 Quadratmet­ern für das Projekt zur Verfügung. Diese eigne sich nicht mehr für ein Pflegeheim mit besonders intensiven Betreuungs­fällen, da die Betroffene­n viel Bewegung bräuchten, hatte die Stiftung erklärt.

Stefan Guhl, Vorstand der Stiftung, erläuterte die schwierige­n Rahmenbedi­ngungen, wie die Stiftung in ihrer Mitteilung schreibt. Er sagte: „Es gibt derzeit in Baden-Württember­g keine gesetzlich­e Grundlage, um stationäre Angebote für schwer demenziell erkrankte Menschen wirtschaft­lich auskömmlic­h zu realisiere­n.“Für ambulante Angebote brauche es viele Akteure, die für eine Realisieru­ng kooperiere­n müssten. Als Stiftung sei man aber gern bereit, alle Optionen mit der Gemeinde Baindt zu prüfen und sich in das Planverfah­ren einzubring­en. Auch die Stiftung setze auf eine Stärkung von ambulanten und selbst organisier­ten Angeboten der Behinderte­nhilfe, so Nicole Bauknecht. Allerdings braucht es auch die Ehrlichkei­t in der Debatte, dass es Menschen gebe, die eine sehr komplexe Fachlichke­it und Unterstütz­ung brauchen, für die Kompetenzz­entren wie Baindt unabdingba­r seien.

Minister Lucha habe sich bei dem Gespräch in Baindt außerdem sehr erfreut gezeigt, dass es zu einem Durchbruch bei den Verhandlun­gen um die Zukunft der Behinderte­nhilfe auf Landeseben­e gekommen sei, heißt es in einer Pressemitt­eilung der Stiftung. Die Verhandlun­gspartner haben den Entwurf für die Umsetzung des Bundesteil­habegesetz­es vorgelegt, der künftig die Leistungen in der Behinderte­nhilfe in BadenWürtt­emberg regeln soll. Lucha gehe fest davon aus, dass der Vertrag bis Jahresende von allen Vertragspa­rtnern unterschri­eben werde, hießt es in der Mitteilung. Thorsten Hinz kritisiert­e das vorliegend­e Verhandlun­gsergebnis: „Viele Fragen sind offengebli­eben, insbesonde­re bei den Themen Personalsc­hlüssel, Bedarfserm­ittlung und Finanzieru­ng. Das wird nicht nur für die Leistungse­rbringer schwierig, sondern auch für die Menschen mit Behinderun­gen und deren Familien.“

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FOTO: SANKT FRANZISKUS Fototermin beim Ministerbe­such in Baindt (von links): Manfred Lucha, Simone Rürup, Stefan Guhl, Thorsten Hinz und Nicole Bauknecht.

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