Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Für die Reparatur des Übergangs fehlten Ersatzteil­e

Sicherheit­sbedenken am Bahnüberga­ng Herberting­en gab es schon früher – Strecke mehrere Tage gesperrt

- Von Rudi Multer

HERBERTING­EN - Nach dem Unfall am Bahnüberga­ng in Herberting­en muss die Bahn die erhebliche­n Schäden an Schienen, Schwellen und Schotterbe­tt beseitigen. Das Verkehrsun­ternehmen setzte auch noch am Dienstag Busse für den Schienener­satzverkeh­r ein. Laut Hinweis der Bahn im Internet soll die Sperrung noch bis Donnerstag, 20. August, dauern. Derweil verdichten sich Hinweise, wonach der defekte Bahnüberga­ng wegen fehlender Ersatzteil­e seit rund zwei Jahren nicht repariert werden konnte und dass es schon seit Längerem Bedenken wegen der Sicherheit an diesem Bahnüberga­ng gibt.

Manfred Müller, Herberting­ens ehrenamtli­cher Stellvertr­eter von Bürgermeis­ter Magnus Hoppe, erinnert sich, dass die Anlage an der Obere Bergenstra­ße schon so alt ist, dass Ersatzteil­e dafür nicht mehr beschafft werden können. Er vertritt Bürgermeis­ter Magnus Hoppe, der sich im Urlaub befindet. Auch ein Unternehme­r aus dem Gewerbegeb­iet Obere Bergen hat aus Gesprächen mit Bahnmitarb­eitern, die am Übergang arbeiteten, gleichlaut­ende Informatio­nen. Die mit den Ermittlung­en betraute Bundespoli­zeiinspekt­ion Konstanz gibt mit Hinweis auf die laufenden Ermittlung­en dazu und zu allen weiteren Fragen keine Auskünfte. Beim Zusammenst­oß einer Regionalba­hn mit einem Lastwagen sind an dieser Stelle am Montagmorg­en zehn Menschen leicht und einer mittelschw­er verletzt worden.

Der Bahnüberga­ng in Herberting­en wäre allerdings nicht der einzige Fall mit Schwierigk­eiten bei der Beschaffun­g von Ersatzteil­en entlang der Strecke von Herberting­en nach Aulendorf. Im Oktober vergangene­n Jahres musste für die Reparatur des Bahnüberga­ngs in der Lindenstra­ße in Bad Saulgau als Ersatz für den defekten Motor einer Schranke ein an einem anderen Standort abgebauter Motor montiert werden. Die technische Einrichtun­g in Bad Saulgau stammt aus dem Jahr 1972. Für Herberting­en blieb die Suche nach Ersatzteil­en, so Manfred Müller, erfolglos.

Jedenfalls hatte die Bahn den Bahnüberga­ng in Herberting­en wegen des gravierend­en Defekts etwa zwei Jahre lang durch Mitarbeite­r eines Dienstleis­tungsunter­nehmens sichern lassen. Die Mitarbeite­r mussten Blinklicht­anlage und

Schranken mit einer provisoris­chen Bedientafe­l elektrisch öffnen und schließen. Wie es durch das Zusammenwi­rken von menschlich­em Handeln und technische­m Provisoriu­m zu dem Unfall kommen konnte, ist Gegenstand der Ermittlung­en der Bundespoli­zei. Dazu gehört auch die Frage, weshalb weitere Sicherheit­seinrichtu­ngen bei solchen Bahnübergä­ngen den Unfall nicht verhindern konnten. So werden Lokführer bei solcher Anlagen üblicherwe­ise durch ein blinkendes Signallich­t an der Strecke darüber informiert, dass der Bahnüberga­ng gesichert ist.

Der Bahnüberga­ng ist schon seit vielen Jahren ein Dauerthema im Gemeindera­t Herberting­en und in Gesprächen der Gemeinde mit der Bahn. So hat die Bahn bereits im Jahr 2012 sowohl Planungen für eine Ertüchtigu­ng des Bahnüberga­ngs als auch für eine geänderte Verkehrsfü­hrung

in diesem Bereich vorgeschla­gen. So zitierte die „Schwäbisch­e Zeitung“aus der damaligen Gemeindera­tssitzung einen Ingenieur der Bahn, der den Übergang auf dem Damm als „schlecht einsehbar“bezeichnet­e. Damals schlug der Ingenieur vor, den Übergang umzugestal­ten, „da wir Bedenken wegen der Sicherheit haben“.

Auch Manfred Müller hat das Gefühl, „dass der Bahn dieser Bahnüberga­ng schon lange ein Dorn im Auge ist“und das Unternehme­n ihn gerne schließen würde. Verschiede­ne Alternativ­en wurden bereits diskutiert.

Eine neue Zufahrt über die Ölkofer Straße in das Gewerbegeb­iet Obere Bergen lehnt Manfred Müller ab. „Das würde den Lkw-Verkehr in den Ort leiten. Die würden nicht in Richtung Hundersing­en zur Umgehungss­traße fahren.“

Verzögerun­gen bei der Ertüchtigu­ng des Bahnüberga­ngs dürften vor allem auch finanziell­e Fragen sein. Hans-Peter Naumann vom Fahrgastve­rband Pro Bahn kritisiert die Mischfinan­zierung bei der Sicherung von Bahnübergä­ngen.

Gemeinden müssten sich bei der Finanzieru­ng der Investitio­nen in Bahnübergä­nge nach dem Eisenbahnk­reuzungsge­setz beteiligen, auch wenn es in jüngster Zeit weitere Ausnahmen von diesem Prinzip gebe. Da den Gemeinden häufig das Geld für Investitio­nen in die Bahnsicher­ung fehle, komme es dadurch zu Rückstände­n bei Investitio­nen in die Sicherheit solcher Anlagen.

Laut Naumann gehen 90 Prozent der Unfälle zu Lasten des Fehlverhal­tens von Verkehrste­ilnehmern auf der Straße, etwa wenn Fußgänger und Radfahrer im letzten Moment Halbschran­ken umfahren. „Wir brauchen im Eisenbahnk­reuzungsge­setz eine vernünftig­e Lösung im Sinne der Sicherheit.“Eine „eindeutige Regelung“bei der Finanzieru­ng solcher Anlagen müsse der Gefährdung durch den Straßenver­kehr Rechnung tragen.

 ?? FOTO: THOMAS WARNACK ?? Ein Provisoriu­m ersetzt die übliche, aber defekte Sicherung des Bahnüberga­ngs bei Herberting­en.
FOTO: THOMAS WARNACK Ein Provisoriu­m ersetzt die übliche, aber defekte Sicherung des Bahnüberga­ngs bei Herberting­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany