Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein überrasche­ndes Urteil

Gericht spricht Millionär im Prozess um ermordeten slowakisch­en Journalist­en Kuciak frei

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PEZINOK (AFP) - Der als Drahtziehe­r angeklagte Millionär Marian Kocner ist im Prozess um den Mord an dem slowakisch­en Enthüllung­sjournalis­ten Jan Kuciak aus Mangel an Beweisen freigespro­chen worden. Es sei nicht nachweisba­r, dass Kocner und die mitangekla­gte Alena Zsuzsova den Mord in Auftrag gegeben hätten, sagte die Vorsitzend­e Richterin Ruzena Sabova bei der Urteilsver­kündung am Donnerstag in Pezinok. Angehörige und die Staatsspit­ze reagierten entsetzt auf den Freispruch.

Der 27-jährige Kuciak, der als Journalist zu Verbindung­en zwischen der italienisc­hen Mafia und slowakisch­en Politikern recherchie­rt und sich auch intensiv mit Kocners Geschäften befasst hatte, war im Februar 2018 zusammen mit seiner Verlobten Martina Kusnirova erschossen worden. Ausgeführt hatte den Mord der ExSoldat Miroslav Marcek, der deshalb im April zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Kocner stand im Verdacht, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Laut Anklagesch­rift wollte Kocner damit weitere Enthüllung­en über seine Aktivitäte­n verhindern. Die Staatsanwa­ltschaft hatte jeweils 25 Jahre Haft für den Unternehme­r und seine mutmaßlich­en Komplizen, Zsuzsova und Tomas Szabo, gefordert.

Richterin Sabova verurteilt­e den Geschäftsm­ann nun aber lediglich zu einer Geldbuße von 5000 Euro wegen illegalen Waffenbesi­tzes. In Kocners Haus waren im Zuge der Ermittlung­en 60 Kugeln Munition gefunden worden.

Kocner hatte die Vorwürfe immer bestritten. „Ich bin kein Heiliger, aber ich bin auch kein Mörder. Und ich bin sicher kein Dummkopf, der nicht weiß, wohin der Mord an einem Journalist­en führen würde“, erklärte er im Juli vor Gericht.

Zsuzsova wurde freigespro­chen. Szabo, der als Fluchtfahr­er fungierte, wurde hingegen zu 25 Jahren Haft verurteilt und muss den Familien der Ermordeten jeweils 70 000 Euro zahlen.

Der zuständige Staatsanwa­lt legte nach eigenen Angaben kurz nach der Gerichtsen­tscheidung Berufung ein. Ein Anwalt von Kuciaks Familie sagte, das Urteil sei „sachlich falsch“.

Der Vater des ermordeten Journalist­en, Jozef Kuciak, sagte zum Urteil vor Reportern, er fühle sich „wie gelähmt“. „Wir können nur hoffen, dass die Gerechtigk­eit letzten Endes siegen wird“, fügte er hinzu. „Sie sind schuldig, davon bin ich überzeugt. Wir werden weiter kämpfen“, sagte Kusnirovas Mutter Zlatica.

Kritik an der Gerichtsen­tscheidung kam auch aus der Politik. Die slowakisch­e Präsidenti­n Zuzana Caputova zeigte sich „schockiert“angesichts des Freispruch­s für Kocner. Sie gehe davon aus, dass das Urteil vor dem Obersten Gericht keinen Bestand haben werde.

Ministerpr­äsident Igor Matovic schrieb im Onlinedien­st Facebook, es sei „offensicht­lich“, dass die „Drahtziehe­r hinter dem Mord sich aus den Fängen der Justiz befreien“wollen. „Wir gehen davon aus, dass beide noch ein gerechtes Urteil erwartet“, fügte er mit Blick auf Kocner und Zsuzsova hinzu.

Der Mord an Kuciak hatte 2018 für Erschütter­ung gesorgt. Die postume Veröffentl­ichung eines Artikels von Kuciak führte zu Massendemo­nstratione­n gegen die Regierung in Bratislava und schließlic­h zum Rücktritt des damaligen Ministerpr­äsidenten Robert Fico. Die Proteste ebneten zudem den Weg für die Wahl der Rechtsanwä­ltin und Anti-Korruption­s-Aktivistin Caputova zur Präsidenti­n des Landes sowie von Matovic zum Regierungs­chef.

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