Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Börsencrash gut verdaut
So schlagen sich digitale Vermögensverwalter, so genannte Robo-Advisors, in der Krise
SCHONDORF - Kurseinbrüche zu 100 Prozent wettgemacht – nicht nur Analysten sind von der schnellen Erholung der Aktienmärkte nach dem Corona-Crash überrascht. Gewinner dieser Entwicklung sind vor allem Robo-Advisors, denn die digitalen Anlagemodule investieren ihre Kundengelder vorrangig in Aktien-ETFs und -Fonds. Die elektronischen Vermögensverwaltungen profitieren dabei auch vom Trend zur Digitalisierung. Laut Schätzungen des Verbraucherportals biallo.de dürfte das verwaltete Kundenvermögen in diesem Jahr die Zehn-Milliarden-Euro-Marke knacken. Das wäre in etwa eine Verdopplung im Vergleich zu 2019.
Börsencrash unterschiedlich gemeistert: Anfang des Jahres wurden die Nerven vieler Anleger hart auf die Probe gestellt. Die CoronaKrise ließ die Aktienmärkte von Mitte Februar bis Mitte März in Rekordgeschwindigkeit einbrechen und sorgte für dicke Minuszeichen bei vielen Robo-Advisors. Ende März lagen fast alle Anbieter im Performance-Vergleich von biallo.de mit ihrer Zwölf-Monats-Performance im Minus. Je nach Anbieter und Anlagemodul betrug das Minus knapp ein bis gut 16 Prozent. Einzig Cominvest, der Robo-Advisor von Comdirect, konnte sich zu diesem Zeitpunkt mit allen drei ausgewiesenen Strategien hauchdünn im Plus behaupten. Ausgerechnet Marktführer Scalable Capital erwischte es am schlimmsten.
Renditen drehen ins Plus: Die schnelle Börsenerholung brachte die Robo-Advisors zurück in die Erfolgsspur. Viele Module verzeichnen bereits wieder deutliche Gewinne. Die aktuellen Top-Performer auf Sicht von zwölf Monaten lauten Solidvest, Cominvest, Liqid, Minveo und Fidelity Wealth Expert mit Kurszuwächsen – je nach Anlagestrategie – von drei bis acht Prozent. In der Drei-Jahres-Betrachtung stechen neben Liqid und Solidvest auch Fintego, Growney, Visualvest, Investify und
Pixit, der Robo-Advisor der Targobank, mit zweistelligen Kursgewinnen positiv ins Auge.
Renditebremse Kosten: Hohe Gebühren belasten den Ertrag einer
Geldanlage, deshalb sollten Anleger hier besonders aufmerksam sein. Robo-Advisors gelten zwar gemeinhin als günstig, doch es gibt große Unterschiede. So berechnet etwa Truevest für seine Dienste jährlich 1,49 Prozent
vom Anlagevolumen. Bei 50 000 Euro Einlage fallen demnach 745 Euro Gebühren an. Auch Solidvest ist mit 1,40 Prozent zuzüglich zehn Prozent Erfolgsbeteiligung vergleichsweise teuer. Deutlich günstiger geht es mit den Robos von Fidelity (0,55 Prozent), VTB Invest (0,50 Prozent), Liqid (0,25 Prozent) oder Quirion (0,48 Prozent). Bei Letzterem können die ersten 10 000 Euro sogar kostenfrei angelegt werden. Neueinsteiger profitieren außerdem von Prämien. So zahlt Warburg Navigator bis Ende Oktober für eine Einlage von 50 000 Euro immerhin 300 Euro Prämie.
Steueroptimierung: Ein besonderes Extra bietet Ginmon: Kunden profitieren von einer intelligenten Steuergestaltung. Dazu werden während der Laufzeit die Kundenkonten automatisch auf die volle Ausnutzung des Freistellungsauftrags optimiert, anstatt ihn nur am Ende bei der Vollauszahlung zu nutzen. Mehrere Hundert Euro Steuerersparnis sind so jährlich drin. "Wir identifizieren konsequent Potenziale zur Optimierung der Portfolios, um die Geldanlage so effizient wie möglich zu gestalten", betont Ginmon-Geschäftsführer Lars Reiner.
Für wen geeignet? Robo-Advisors liefern Komplettlösungen für Kunden, die sich die Aktienanlage nicht selbst zutrauen oder die wenig Zeit haben, sich um Börsen, Titelauswahl und die Bewirtschaftung ihrer Portfolios zu kümmern. Nach der Festlegung von Anlageprofil und Anlagestrategie überwachen Softwareprogramme die Portfolios und treffen mithilfe ausgeklügelter Algorithmen eigenständig Anlageentscheidungen. „Robos nehmen Anlegern die Arbeit ab”, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg. Allerdings sieht der Verbraucherschützer auch Schwachstellen. So sei die Überwachung der Algorithmen durch die Aufsichtsbehörde Bafin oft noch unzureichend.