Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Geordneter Müll als Geschäft
Der oberschwäbische Anlagenbauer Stadler hat sich auf Sortieranlagen für Abfall spezialisiert – Zweistellige Renditen
ALTSHAUSEN - Ob Gesichtsmasken, Einmalhandschuhe oder Verpackung für Essen to go – in der Corona-Krise erlebt der Kunststoff in Privathaushalten ein Comeback. In der gelben Tonne oder im gleichfarbigen Sack ist in den vergangenen Wochen und Monaten mehr Verpackungsabfall gelandet. Auch wenn im Gegenzug weniger Gewerbemüll angefallen ist. „Die Leute sind mehr zu Hause gewesen und verbringen dort entsprechend auch mehr Zeit“, sagt Willi Stadler. Der Schwabe könnte von der Entwicklung profitieren, denn er ist Chef des gleichnamigen Anlagenbauers mit Sitz im oberschwäbischen Altshausen. Und das Familienunternehmen stellt Anlagen für das Sortieren unterschiedlichster Materialien her: für Kunststoff, Papier und Kartonagen sowie Hausmüll und Gewerbeabfall.
„In vielen Ländern wird immer noch zu viel Hausmüll verbrannt.“Da müsse ein rasches Umdenken stattfinden, fordert der Unternehmer. Seit Anfang 2019 gilt in Deutschland ein neues Verpackungsgesetz, um das es zuvor sehr lange Streit gab. Darin ist festgeschrieben, dass die dualen Systeme, die die Abholung und Verwertung von Abfall organisieren, den Herstellern Anreize setzen müssen, ihre Verpackungen recyclingfähiger zu gestalten. Zudem hat die Bundesregierung die Recyclingquoten erhöht. Deutschland sei bei dem Thema weit vorne. Andere Länder holten auf. Die Anlagen deutscher Hersteller für Abfall- und Recyclingtechnik sind weltweit gefragt, auch die aus Altshausen.
Das Unternehmen Stadler baut und installiert die Anlagen in jeder Größe: so im Jahr 2018 die größte Hausmüllsortieranlage der Welt in Spanien, die eine Million Tonnen Müll pro Jahr trennt und zur Weiterverarbeitung vorbereitet. „Wir bauen nie die gleiche Anlage“, sagt der Ingenieur. Für Norwegens Hauptstadt Oslo habe Stadler eine vollautomatische Sortieranlage gebaut, bei der völlig auf menschliche Hilfe verzichtet werde. Das hatte einen einfachen Grund: „Die finden dort keine Leute, die sie einsetzen können.“Obwohl es in Norwegen einen hohen Mindestlohn gebe.
Viele Ausschreibungen für solche Anlagen kommen von Kommunen aus Europa, aber auch von Übersee. Das Unternehmen hat eine hohe Fertigungstiefe: Rund 75 Prozent der Teile für die Anlagen werden nach Angaben Stadlers selber produziert, wie beispielsweise die Förderbänder, die Siebtrommeln, die zur Größentrennung und Vorsortierung von Abfall in einer Anlage dienen oder auch Ballistik-Separatoren, die einen Materialstrom in mehrere Fraktionen trennen. Andere Teile, wie Roboterarme, die in den vergangenen Jahren verstärkt bei der Sortierung zum Einsatz kommen, werden zugekauft.
Das Unternehmen ist vor rund 50 Jahren das erste Mal mit der Entsorgungsbranche in Berührung gekommen. Im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1972 in München habe die bayerische Landhauptstadt bei Stadler 200 Sammelcontainer bestellt. „München zeigte sich damals schon umweltfreundlich“, erinnert sich Stadler an die Anfänge zurück. Dann habe sein Vater später auch eine erste kleine Sortieranlage gebaut. Über die Jahre hinweg wurde das Geschäft immer mehr ausgeweitet. Inzwischen hat Stadler mehrere eigene Vertriebsund
Serviceniederlassungen in Europa und Brasilien und will künftig bald eine in Mexiko eröffnen. Anlagen wurden auch schon nach Amerika geliefert, wo oftmals das privatwirtschaftlich betriebene „Single Stream Recycling“vorherrscht. Das ist die Erfassung aller trockenen Wertstoffe – einschließlich Papier und oft auch Glas – in einer Tonne. Dieses bunte Gemisch wird dann später sortiert, mit einem hohen Anteil nicht oder nur minderwertig wiederverwertbarer Stoffe. Ein Problem in Amerika sind aber hohe rechtliche Regressrisiken. „Wenn sich ein Mitarbeiter verletzt, hat man schon die Sorge, dass eine große Klage kommt“, sagt Stadler.
Der Unternehmer kommuniziert sein Renditeziel ganz offen, auch an die Belegschaft. Ziel sei eine Vorsteuerrendite von zehn Prozent, sagt er. 2019 habe Stadler das Ziel deutlich übertroffen. Und auch in den vergangenen Jahren sei die Vorgabe meistens geschafft worden, sagt der Alleineigentümer und geschäftsführende Gesellschafter. Er führt das Familienunternehmen, das 1791 aus einer Dorfschmiede hervorgegangen ist und das zuletzt auf einen Gruppenumsatz von 142 Millionen Euro gekommen ist, in siebter Generation. Mehr als 80 Prozent der Anlagen gehen ins Ausland. Kernmarkt ist Europa.
Die Folgen der Corona-Pandemie haben bisher noch keine größeren wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Mittelständler. Es gibt keine Kurzarbeit. Während andere Unternehmen mit Bonus-Zahlungen in Krisenzeiten eher zurückhaltend sind, hat er 1000 Euro pro Mitarbeiter ausgeschüttet. Weitere 500 Euro könnten für die 450 Mitarbeiter, von denen 250 in Deutschland beschäftigt sind, noch folgen, wenn das Familienunternehmen die Turbulenzen ohne größere Probleme besteht. Es gebe einen hohen Auftragsbestand. Er verzeichne aber etwas weniger Anfragen von Kunden, blicke aber zuversichtlich in die kommenden Monate. Der 59-Jährige macht aber auch deutlich, dass die Gefahr besteht, dass bei den Kommunen durch die drohenden Steuerausfälle das Geld nicht mehr so locker sitzt und sie dann nicht so stark wie in der Vergangenheit in entsprechende Anlagen investieren.
Stadler will die internationalen Geschäfte weiter schrittweise ausbauen. China nimmt er dabei bewusst nicht mit auf die Agenda. Zum einem wegen der Sprachbarriere und zum anderen sieht er auch die Gefahr, dass von möglichen Partnern Wissen abgeschöpft wird zum Nachteil des Mittelständlers.
Potenzial für die Geschäfte sieht der Unternehmer vor allem in Europa. Denn auch die Europäische Union hat in der Vergangenheit die Regeln für das Recyceln verschärft. Demnach sollen statt heute 44 Prozent des Hausmülls bis 2025 in der gesamten EU mindestens 55 Prozent und bis 2030 mindestens 65 Prozent recycelt werden. Von 2035 an sollen höchstens noch zehn Prozent des Mülls auf der Deponie landen. Die EU sieht eine Reihe weiterer Vorgaben für bestimmte Abfallarten vor. Bei Verpackungsabfällen gilt schon 2025 eine Recyclingquote von 65 und 2030 von 70 Prozent. Von 2024 an müssen überall in Europa Bioabfälle getrennt gesammelt werden, von 2025 an auch Textilien und gefährlicher Hausmüll.
Stadler überlegt, künftig auch Anlagen zur Sortierung von Elektroschrott anzubieten. „Das ergänzt sich gut, und es gibt Interesse am Markt.“Vor diesem Hintergrund haben sich die Schwaben die Mehrheit an dem kleinen schweizerischen Unternehmen Weee Swiss gesichert, das in
dem Segment schon tätig ist. Seit Ende des Corona-Lockdowns sind alleine in Deutschland über 20 Prozent mehr Elektroschrott zusammengekommen als im gleichen Zeitraum zuvor. Hintergrund ist wohl der Umstand, dass viele Menschen die Zeit zu Hause nutzten, um aufzuräumen. Vor allem dort, wo viele Wertstoffhöfe coronabedingt geschlossen hatten, ist zuletzt besonders viel Elektroschrott angefallen, der zwischenzeitlich in Kellern und auf Speichern herumlag. Auch der Neustart der Industrie sorgt für wachsende Mengen.
Im Bereich Kunststoffrecycling ist das Familienunternehmen kürzlich neue Wege gegangen. Seit 2019 kooperiert Stadler mit der Krones AG, einem führenden Hersteller von Anlagen und Maschinen für die Herstellung, Abfüllung und Verpackung von Getränken und flüssigen Nahrungsmitteln in PET- und Glasflaschen sowie Getränkedosen. Beide wollen ihre Lösungen im Bereich der Sortier- und Recyclingtechnik als schlüsselfertiges Gesamtsystem anbieten. Dazu soll bei Stadler in Krsko in Slowenien ein gemeinsames Innovationszentrum entstehen, bei dem externe Unternehmen prüfen können. Das Projekt habe sich aber durch die Corona-Krise verzögert, sagt der Ingenieur. An dem StadlerAuslandsstandort sind 150 Personen tätig. Neben Stahlbau entstehen in dem Zweigwerk gleichfalls die elektronischen Steuerungen für die Sortieranlagen.