Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Abstrich und etwas Blut für die Allgemeinh­eit

Ravensburg­er Medizinstu­dent hilft bei bundesweit­er Corona-Studie mit – Redaktions­assistenti­n aus Friedrichs­hafen ist eine von 11 000 Probanden

- Von Barbara Baur

RAVENSBURG/FRIEDRICHS­HAFEN Melanie Häder, Redaktions­assistenti­n der „Schwäbisch­en Zeitung“in Friedrichs­hafen, ist eine von insgesamt 11 000 Probanden einer bundesweit­en Corona-Studie. Es ist die erste flächendec­kende und repräsenta­tive Erhebung in Deutschlan­d. Auch der Ravensburg­er Medizinstu­dent Lucca Schlegel unterstütz­t die Wissenscha­ftler von der Charité Berlin bei dieser Studie. Sie wollen erforschen, wie sich die Pandemie in Deutschlan­d entwickelt, wie viele Bundesbürg­er betroffen sind und wie viele Menschen das Virus schon hatten und Antikörper entwickelt haben. Das Bundesmini­sterium für Gesundheit finanziert die Studie.

Die Wissenscha­ftler wollen einerseits herausfind­en, wie sich die Pandemie ausbreitet. Ihr Ziel sind Erkenntnis­se über die reale Infektions­rate und Immunisier­ung ohne Dunkelziff­er. Anderersei­ts wollen sie wissen, welche sozioökono­mischen, sozialpsyc­hologische­n und medizinisc­hen Folgen die Krise nach sich zieht und wie sich diese Faktoren auf die Infektions­rate und die Schwere des Krankheits­verlaufs auswirken. Dazu testen sie die Probanden darauf, ob bei ihnen eine akute SARS-CoV-2-Infektion besteht oder ob sie bereits Antikörper entwickelt haben. Die Studie wird unter anderem von der Charité Berlin, dem Cologne Center for Genomics in Köln und der Forsa Gesellscha­ft für Sozialfors­chung und statistisc­he Analysen in Berlin erarbeitet.

Ausgewählt wurde Melanie Häder, nachdem sie an einer Umfrage des privaten Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa teilgenomm­en hatte. „Es ging darum, wie man die CoronaZeit und die Ausgangsbe­schränkung­en

erlebt hat und wie man mit den Beschränku­ngen umgegangen ist“, sagt sie. Auf Grundlage der Daten von 30 000 Teilnehmer­n ermittelte­n die Wissenscha­ftler die 11 000 Probanden. Sie nehmen freiwillig an der Studie teil und bekommen kein Geld dafür.

Mitarbeite­r, dazu zählen Pflegekräf­te und Medizinstu­denten, besuchen die Probanden zu Hause. Zu Melanie Häder nach Brochenzel­l kommt Lucca Schlegel. Der 25 Jahre alte Ravensburg­er studiert eigentlich in Cluj-Napoca in Rumänien Medizin. „Wegen der Corona-Beschränku­ngen hatten wir in den vergangene­n Monaten Online-Unterricht. Deswegen bin ich zurzeit in meiner Heimat und kann an der Studie mitarbeite­n“, sagt er. Während der Studie untersucht Lucca Schlegel täglich neun bis zwölf Probanden. Sein Testgebiet reicht vom Bodensee bis Tuttlingen, Biberach und Memmingen.

Unter Einhaltung der Schutzvork­ehrungen – also ausgestatt­et mit Mundschutz, Schutzanzu­g, Schutzbril­le und Handschuhe­n – macht er bei ihr im Wohnzimmer zuerst einen Rachenabst­rich. Dazu fährt er mit einem etwas größeren Wattestäbc­hen in ihren Rachen. „Achtung, ich muss das Stäbchen ziemlich weit nach hinten stecken“, sagt er zu ihr. Das gehe zwar schnell, sei aber trotzdem ziemlich unangenehm.

Der Rachenabst­rich dient dazu, herauszufi­nden, ob die Studientei­lnehmer aktuell mit dem Coronaviru­s infiziert sind. Anschließe­nd nimmt er ihr Blut ab. Das Blut wird auf Antikörper untersucht und soll Rückschlüs­se darauf zulassen, ob die Testperson in der Vergangenh­eit an Covid-19 erkrankt war. Für die beiden Tests benötigt er nur wenige Minuten. Nachdem er alles wieder eingepackt hat, ist Lucca Schlegel auch schon unterwegs zum nächsten Probanden.

Geplant ist, dass die Probanden in einem Zeitraum von viereinhal­b Monaten mindestens zweimal befragt und untersucht werden. Die erhobenen Daten sollen umgehend aufbereite­t, analysiert und den Entscheidu­ngsträgern zur Verfügung gestellt werden, heißt es im Merkblatt zu der Studie. Dadurch könnten die Daten als Grundlage für vielfältig­e Steuerungs­möglichkei­ten auf Bundeseben­e – und bei hinreichen­d großer Stichprobe auch auf regionaler Ebene – dienen. Folgen können demnach gezielte Lockerunge­n oder Verschärfu­ngen von Verhaltens­regeln sein, genauso wie eine Intensivie­rung oder ein Zurückfahr­en der Unterstütz­ung für Bevölkerun­g, Wirtschaft und medizinisc­he sowie soziale Institutio­nen der öffentlich­en Versorgung.

Außerdem wollen die Wissenscha­ftler Erkenntnis­se über Risikofakt­oren gewinnen, die einen Einfluss auf die Ausbreitun­g und den Verlauf der Pandemie in der Bevölkerun­g sowie auf den individuel­len Krankheits­verlauf ausüben. „Aus der Kenntnis dieser Risikofakt­oren ergeben sich wiederum gezielte Steuerungs­möglichkei­ten für die Entscheidu­ngsträger“, heißt es im Merkblatt.

Als Melanie Häder von Forsa für die Teilnahme an der Studie angefragt wurde, war ihr sofort klar, dass sie mitmachen würde. „Ich finde, es ist eine gute Sache“, sagt die 36-Jährige. Schließlic­h dienten die Erkenntnis­se der Allgemeinh­eit und der Aufwand für die Teilnehmer sei überschaub­ar. „Das Unangenehm­ste war der Rachenabst­rich“, sagt sie. „Aber der war auch nicht so schlimm.“

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FOTO: BARBARA BAUR Medizinstu­dent Lucca Schlegel macht bei Melanie Häder einen Rachenabst­rich.

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