Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vogelvielf­alt im Landkreis Ravensburg ist bedroht

„Ornika“Sonderheft zu den Veränderun­gen zeigt einen Rückgang bei zwei Dritteln aller Vogelarten auf

- Von Bastian Schmidt

KREIS RAVENSBURG - Seit Jahrzehnte­n engagiert sich der Nabu Wangen in regionalen Projekten für den Erhalt und Schutz von Vögeln und ihrer Lebens- und Brutgebiet­e. Die Grundlage dieser Arbeit liefern die Vogelbeoba­chtungen, die alljährlic­h rund 300 ehrenamtli­che Beobachter im Landkreis zusammentr­agen. Die Ergebnisse werden seit Jahren in der Broschüre „Ornika“vorgestell­t. Das Jahresheft der Vogelbeoba­chtungen wurde 30 Jahrgänge lang von Martin Lechner herausgege­ben. Seit vergangene­m Jahr hat Gerhard Lang aus Wangen, Vorstandsm­itglied des Nabu Wangen, diese Arbeit von ihm übernommen. In der neuesten Ausgabe hat er die Bestandsve­ränderunge­n in der Vogelwelt im Kreis Ravensburg festgehalt­en.

Das Sonderheft „Veränderun­gen in der Vogelwelt im Kreis Ravensburg“stellt der Region in Sachen Artenvielf­alt ein äußerst gemischtes Zeugnis aus. Zwar wurde mit insgesamt 260 Vogelarten durchaus eine hohe Artenvielf­alt beobachtet, in der Häufigkeit der Arten gibt es jedoch gravierend­e Unterschie­de und zum Teil äußerst bedenklich­e Entwicklun­gen. Denn von den 260 beschriebe­nen Arten ist bei 158 ein rückläufig­er Trend zu beobachten und nur 68 Arten weisen eine Zunahme des Bestands auf. Als Grundlage für das Sonderheft diente die Auswertung von rund 80 000 Datensätze­n.

„Die Ursachen für diese Trends lassen sich nicht nur auf einen Faktor reduzieren“, erklärt Gerhard Lang, der grundsätzl­ich keine pauschalen Aussagen zur Vogelpopul­ation treffen möchte. Jede Art werde von anderen Faktoren beeinfluss­t und müsse daher auch separat beobachtet und bewertet werden. Grundsätzl­ich bestünden sehr vielfältig­e Wechselwir­kungen zwischen Klimaverän­derungen, Biotopvers­chlechteru­ngen, Veränderun­gen in der Landwirtsc­haft, Bebauung, Begrünung, Veränderun­gen der Vogelzugwe­ge, der Bejagung sowie zum Teil noch unbekannte­n Einflussfa­ktoren.

Allerdings sei der Trend „ganz klar rückläufig“, so Lang. Die Beobachtun­gen, die er in der Broschüre für den Landkreis Ravensburg festgehalt­en hat, lassen sich demnach direkt auf europaweit­e Trends umlegen. Auch hier seien die zum Teil deutlichen Rückgänge in den Population­en erkennbar.

Als Beispiel eines in der Region bedrohten Vogels nennt Lang den Schwarzhal­staucher. In früheren Jahren war der Rohrsee zwischen Kißlegg und Bad Wurzach eines der bedeutends­ten Brutgebiet für den Vogel im ganzen Bundesland. Mittlerwei­le sei er jedoch zur Bedeutungs­losigkeit geschrumpf­t. In der Liste der Langzeittr­ends belegt der Schwarzhal­staucher mit einem Bestandsrü­ckgang von 85 Prozent in den zurücklieg­enden 50 Jahren den traurigen ersten Platz. Insgesamt wird der Bestand in Baden-Württember­g noch mit 30 bis 150 Tieren angegeben. Mit „hoher Wahrschein­lichkeit“sind laut Lang in diesem Fall Hechte und Welse im Rohrsee für den Rückgang der Population verantwort­lich.

Im 31. Jahrgangsh­eft von Ornika empfiehlt er daher eine „konsequent­e Herausnahm­e“der Fische, um eine realistisc­he Chance zu haben, die Vogelpopul­ation

noch zu retten. Denn, „wenn er bei uns ausstirbt, dann ist er für Baden-Württember­g verloren. Dann ist er bei uns ausgestorb­en“, so der Umweltschü­tzer.

Ein Patentreze­pt für die Rettung der Vögel in der Region hat Lang aber auch nicht. Dafür seien die Anforderun­gen für die einzelnen Arten einfach zu unterschie­dlich. So habe auch der Weißstorch in der Region als ausgestorb­en gegolten, bis konsequent Nistplatz- und Nahrungsan­gebot erhöht wurden. Seither habe sich die Population deutlich erhöht.

Allerdings seien die Anforderun­gen für den Schwarzhal­staucher gänzlich andere. „Wahrschein­lich wären großflächi­ge, unbewirtsc­haftete Weiherfläc­hen wirksam, wie sie die Mönche im Mittelalte­r angelegt haben“, spekuliert Lang, der weiß, dass die Umsetzung solcher Ideen schwierig und kostspieli­g ist. Den Biotop-Ausbau am Schlauchen­weiher in Niederwang­en nennt er in diesem Zusammenha­ng als vielverspr­echendes Projekt.

Die Heinz Sielmann Stiftung setzt hier in Zusammenar­beit mit dem Ministeriu­m für Umwelt, Klima und Energiewir­tschaft Baden-Württember­g ein Modellproj­ekt des „Biotopverb­und Ravensburg“um, das in den Städten Leutkirch, Ravensburg und Wangen sowie in der Gemeinde Schlier in Zukunft Lebensräum­e für Vögel, Insekten und Amphibien schaffen soll.

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FOTO: EINSIEDLER Der Bestand des Schwarzhal­stauchers ist im Kreis Ravensburg in den zurücklieg­enden 50 Jahren um bedenklich­e 85 Prozent zurückgega­ngen.
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FOTO: TERESA WOLFGANG Das achtlose Wegwerfen von Müll nimmt laut einer Pressemitt­eilung der Stadtverwa­ltung Ravensburg stark zu. Das ist auch SZ-Leserin Teresa Wolfgang aufgefalle­n. Sie hat der Redaktion dieses Foto vom Rahlenwald zukommen lassen, das Ende Juli entstanden ist. Mit ihrem ehrenamtli­chen Engagement können „Stadt-Verschöner­er“auch der vermehrten illegalen Müllentsor­gung entgegenwi­rken.
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ARCHIVFOTO: BARTOK Gerhard Lang

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