Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warum ein Weg im Schmalegger Tobel verschwunden ist
Im Bannwald gelten besondere Regeln – Tobelgebiet und Gesamtökosystem von europäischer Bedeutung
RAVENSBURG - Am frühen Vormittag – normale Zeitgenossen denken da an acht bis neun Uhr – ist der Wanderparkplatz beim Jägerhaus in Schmalegg noch gähnend leer, nur Einzelne führen ihren Hund Gassi. Doch schon wenig später sind zahlreiche Wanderer unterwegs, häufig auch Familien mit kleinen Kindern. So kam es zur Anregung, eine interessante Tour im Schmalegger Tobelgebiet zu beschreiben.
Also erst einmal zur allgemeinen Orientierung Landkarten und Führer wälzen, ebenso Tracks eigener Wanderungen, Aufzeichnungen mit dem Outdoornavi. Die Frage war:
Wie könnte man all die Punkte, die man gern ansteuern wollte, miteinander verbinden? Dann der Klick: Ein Stück vor der Brücke, die bald nach dem Start am Jägerhaus 30 Meter tiefer die Ach im Schmalegger Tobel überquert, verläuft auf den Karten ein Weg, zieht sich, den Höhenlinien nach zu schließen, etwa 20 Meter über dem Bach am Hang entlang und trifft 20 Meter vor dem Schmuckerhof auf den Pfad von Schmalegg her. Doch wo ist dieser ein uriges Naturerlebnis versprechende Weg oder Pfad? Mehrfaches Absuchen führt zu keinem Ergebnis, kein Einstieg ist zu finden. Dabei ist er doch auf den neuesten Karten samt kleinem Steg über die Ach verzeichnet, auch auf dem Flyer der Ortschaft Schmalegg von 2015. Selbst auf Google Satellit kann man ihn verfolgen.
Also Nachfragen bei der Ortsverwaltung. Ortsvorsteherin Regine Rist ist gerne behilflich, verweist auf die Zuständigkeiten. In diesem Fall liegen sie nicht bei der Gemeinde. Ihre Mitarbeiterin Andrea Karl vermittelt den Kontakt zum zuständigen Staatlichen Forstamt. Wegen Erkrankung des Revierleiters ist derzeit Bernhard Dingler vom Forstbezirk Altdorfer Wald auch für Schmalegg zuständig. Er sieht das Gebiet als wichtiges Naherholungsgebiet für das Mittlere Schussental, weiß, dass dank Corona in allen Wäldern
erhöhte Besucherzahlen festzustellen sind. Warum aber ist unser Weg nicht zu finden? Dingler verweist auf die Schutzgebietskategorie Bannwald, eine Zone, die unter ganz besonderem Schutz steht und die nur auf ausgewiesenen Wegen betreten werden darf. So hat man auch den verzichtbaren Weg aufgelassen. Dass er noch auf Karten erscheint, darauf habe der Forst leider keinen Einfluss.
In der Verordnung des Regierungspräsidiums Tübingen über das Naturschutzgebiet „Schmalegger und Rinkenburger Tobel“vom Januar 1997 kann man den Schutzzweck nachlesen: Es geht um ein „Beispiel eines für den Naturraum typischen, gut ausgebildeten Tobelgebietes und Gesamtökosystems von europäischer Bedeutung mit naturnahen Schlucht- und Hangmischwäldern, Kalktuff-Quellen und einem Netz naturnaher Fließgewässer mit natürlicher Dynamik, die von naturnahen Eschen-Erlenwäldern begleitet werden.“Geschützt wird das Gebiet auch als Lebens- und Rückzugsraum einer artenreichen gefährdeten Tierund
Pflanzenwelt, beobachtet wird die aktuelle Entwicklungsdynamik.
Zu den Schutzmaßnahmen zählt unter anderem, dass Wege-Unterhaltungsmaßnahmen nur im unbedingt nötigen Umfange und soweit es zur Fortführung rechtmäßig bestehender Nutzungen erforderlich ist, durchgeführt werden. Unser gesuchter Weg aber konnte in Ruhe aufgelassen werden, die Natur hat ihn längst zurückerobert.
Ähnliche Bannwälder existieren in der Nähe im Pfrunger-BurgweilerRied, wo ebenso der „Urwald von morgen“entsteht. Der Verfasser erinnert sich auch an herrliche Touren, die er vor mehr als 50 Jahren im Bayerischen Wald nahe der tschechischen Grenze unternommen hat. Auf alten Karten sind sie noch eingezeichnet, heute dürfen sie nur mit besonderer Genehmigung begangen werden.
Noch in der Neuauflage des Rother-Führers vom Frühling 2020 findet man den besagten Weg in Schmalegg auf der Karte. Mit dem Wissen um die Besonderheit des BannwaldCharakters fällt der Verzicht leichter.
Es hat in diesem herausragenden Naherholungsgebiet eine Reihe von markierten Wegen, dazu kommen unmarkierte Feldwege, die nicht als verboten gekennzeichnet sind. Seien wir dankbar, dass auch noch gut gepflegte Steige im Bannwald existieren, so wie der durch den Glastobel zum Schmuckerhof oder der Steig von Schmalegg her zum Schmuckerhof. Ausdrücklich sei erwähnt, dass die Markierung fast dem Standard der neuerdings so gefragten Premiumwege entspricht, dass Brückchen, Stege und Stufen samt Geländer gut in Schuss sind. Trotz Personalmangel und anderer Probleme wie Trockenheit und Borkenkäfer arbeiten Kommune und Forstverwaltung gut zusammen, um das beliebte Naherholungsgebiet weiter zu erhalten.
Die Besucher kommen gerne, auch hier hat, wie von Einheimischen zu hören ist, seit der CoronaKrise ihre Zahl stark zugenommen. Dass es im Wandergebiet keine Gaststätten gibt, ist nicht tragisch – das traditionelle Vesper aus dem Rucksack schmeckt auch – einfach mal probieren.