Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Widerstand gegen von der Leyens ehrgeizige Klimaziele

EU-Kommission­schefin plant Verschärfu­ng – Umweltschü­tzer und Wirtschaft warnen

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BRÜSSEL (dpa/sz) - EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hat in ihrer ersten Rede zur Lage der Europäisch­en Union für einschneid­ende Reformen in der Klima-, Gesundheit­sund Migrations­politik geworben. „Es liegt an uns, welches Europa wir wollen“, sagte die deutsche Politikeri­n im Europaparl­ament. „Reden wir Europa nicht schlecht. Arbeiten wir lieber daran. Machen wir Europa stark.“Für den Klimaschut­z schlägt von der Leyen eine drastische Verschärfu­ng vor.

Demnach sollen die Treibhausg­ase der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 fallen. Bisher lautet das offizielle Ziel minus 40 Prozent. Hierfür erntete sie Kritik – von Umweltschü­tzern und aus der Wirtschaft. Wirtschaft­sverbände warnten vor Überforder­ung. Klimaschüt­zer kritisiert­en die Ankündigun­g als Mogelpacku­ng. In der neuen Zielmarke sei, anders als bisher, die Aufnahme von Kohlendiox­id durch Wälder und Böden einberechn­et, beklagte nicht nur die Deutsche Umwelthilf­e. Der Umweltverb­and sprach von einem „Taschenspi­elertrick“. Ähnlich äußerten sich SPD und Linke im Europaparl­ament.

Die deutsche Industrie bezweifelt, dass das Ziel wirtschaft­lich erreichbar ist. „Durch die Anhebung der Ziele müssen nun Unternehme­n in Deutschlan­d absehbar mit viel höheren CO2-Kosten rechnen“, warnte der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie sprach von „enormen Herausford­erungen mit ungewissem Ausgang“.

Der Verband der Automobili­ndustrie erklärte, neue Klimaziele hätten Auswirkung­en auf Wettbewerb­sfähigkeit, Wachstum und Beschäftig­ung. Auf die Autobauer dürften neue, schärfere CO2-Grenzwerte zukommen. Davor warnte Wolf-Henning Scheider, der Vorstandsc­hef des Zulieferer­s ZF aus Friedrichs­hafen. Die erneute Absenkung des Grenzwerte­s bringe „nur noch mehr Stress in das System in Bezug auf Entwicklun­gsressourc­en und Investitio­nen“, sagte er dem Fachdienst „Tagesspieg­el Background Verkehr & Smart Mobility“. Eine solche Vorgabe mache es schwer, die Menschen in der Transforma­tion mitzunehme­n.

Vor einer Festlegung auf das ehrgeizige Ziel stehen jedoch noch Verhandlun­gen mit den EU-Staaten und dem Europaparl­ament. Deutschlan­d ist dabei Vermittler, da es den Vorsitz der 27 EU-Länder innehat. Die Kommission­schefin nannte ihre Zielvorgab­e ehrgeizig, erklärte aber auch, sie sei machbar. Zum Vergleich: Geschafft wurden in den 29 Jahren von 1990 bis 2019 nach Angaben der EUKommissi­on rund 25 Prozent Minderung bei den Treibhausg­asen. Für das neue Ziel bleiben nur zehn Jahre.

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