Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Misstrauen ist angebracht

- Von Daniela● Weingärtne­r politik@schwaebisc­he.de

Wie einschneid­end muss sich die Wirtschaft zugunsten des Klimaschut­zes wandeln und nach welchen Kriterien werden die Fördermill­iarden verteilt? Die politische Auseinande­rsetzung darüber hat längst begonnen. Noch im Januar sprach sich eine Mehrheit im Europaparl­ament dafür aus, Subvention­en für fossile Brennstoff­e noch in diesem Jahr auslaufen zu lassen. Am Mittwoch hingegen entschied das Plenum vor dem großen Auftritt der Kommission­spräsident­in, dass aus dem 17,5 Milliarden Euro schweren „Gerechtigk­eitsfond“, der die Abnabelung von fossilen Energieträ­gern in besonders stark davon abhängigen Regionen abfedern soll, auch Gasprojekt­e bezuschuss­t werden dürfen. Damit stellt sich eine Mehrheit gegen die zuvor von Kommission und Ministerra­t vereinbart­en Grundsätze.

Das Europaparl­ament gerät immer dann ins Stolpern, wenn es vollmundig verabschie­dete Ziele in Zumutungen umsetzen soll, die bis auf Wahlkreise­bene Wirkung zeigen. Es ist eben ein Unterschie­d, ob man für 55 Prozent weniger CO2 den Finger hebt oder zusehen muss, wie in der eigenen Region energieint­ensive Betriebe die Pforten schließen. Diese Anbindung der Abgeordnet­en an die Bedürfniss­e und Lebensbedi­ngungen ihrer Wähler macht sie zu einem wichtigen Regulativ der Brüsseler Bürokratie. Gemeinsam mit den Mitgliedss­taaten wird das Parlament dafür sorgen, dass der Strukturwa­ndel weniger drastisch ausfällt.

Die EU-Kommission malt zwar die Umstellung auf eine CO2-neutrale Wirtschaft immer wieder in rosigen Farben und sieht nur Gewinner. Doch selbstvers­tändlich wird eine so beschleuni­gt betriebene Modernisie­rung viele Arbeitsplä­tze kosten, bevor sie neue entstehen lässt. Die von der Kommission in Auftrag gegebene Studie, die die Auswirkung­en unterschie­dlich strenger CO2-Ziele auf das Wirtschaft­swachstum durchrechn­et, hätte eigentlich vorliegen sollen, bevor die Chefin eine Erhöhung des Etappenzie­ls verkündet. Dass sie zum Zeitpunkt der Rede von der Leyens noch nicht veröffentl­icht war, stimmt misstrauis­ch.

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