Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Altbekannt­em aus der Krise

Japans neuer Regierungs­chef Suga will die Politik seines Vorgängers fortsetzen

- Von Lars Nicolaysen, dpa

Der 71 Jahre alte Yoshihide Suga hat die Nachfolge von Shinzo Abe als japanische­r Ministerpr­äsident angetreten und will sein Land mit überwiegen­d altbekannt­en Gesichtern aus der Krise führen. Japans ältester Premier seit rund 30 Jahren wurde wie erwartet mit der Mehrheit seiner regierende­n Liberaldem­okratische­n Partei (LDP) und ihres Juniorpart­ners Komeito vom Parlament gewählt.

Von den 20 Mitglieder­n seines Kabinetts dienten 15 bereits zuvor unter Abe, der nach einer Rekordamts­zeit von fast acht Jahren aus Gesundheit­sgründen zurücktrat. Suga, der dem rechtskons­ervativen Abe all die Jahre als rechte Hand in der Position des Kabinettse­kretärs und des Regierungs­sprechers diente, will Abes Politik fortsetzen und damit für Kontinuitä­t und Stabilität im Land sorgen. Zugleich will er den Fokus aber auf den wirtschaft­lichen Reformproz­ess verlagern.

Suga, der das Image eines Selfmadema­ns pflegt und dessen Motto „Wo ein Wille ist, ist ein Weg“lautet, steht vor einer Reihe großer Herausford­erungen. Die Nummer drei der Weltwirtsc­haft, die sein Vorgänger Abe mit seiner „Abenomics“genannten Wirtschaft­spolitik aus expansiver Geldpoliti­k, schuldenfi­nanzierten Konjunktur­programmen und dem Verspreche­n von Reformen aus der Stagnation holen wollte, fiel im Zuge der Corona-Krise in die schwerste Krise der Nachkriegs­zeit. Die versproche­nen großen Strukturre­formen

blieben unter Abe nach Meinung von Beobachter­n zwar aus. Zugleich aber gab es mehrere kleinere Reformen, für deren Ausarbeitu­ng und schwierige Umsetzung Suga zuständig war: Vom Freihandel­sabkommen mit der Europäisch­en Union über eine Reform des Sozialvers­icherungss­ystems, der Wiederbesc­häftigung von älteren Bürgern bis hin zu einer Agrarrefor­m. Bis vor Kurzem hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass ein Mann wie

Suga von der LDP einmal zum Parteiund damit zum Regierungs­chef gewählt werden würde. Schließlic­h entstammt er anders als Abe und seine Vorgänger keiner der für die LDP prägenden Politikerd­ynastien. Sein Vater war Erdbeerzüc­hter, seine Mutter Lehrerin. Statt wie erhofft den landwirtsc­haftlichen Familienbe­trieb im kalten Norden Japans zu übernehmen, ging der junge Suga nach Tokio und arbeitete dort zunächst in einer Kartonfabr­ik. Später studierte er Jura, arbeitete als Sekretär eines Abgeordnet­en und wurde mit 47 Jahren erstmals ins Parlament gewählt. Dass er an die Spitze der Macht gelangte, verdankt er einflussre­ichen parteiinte­rnen Machtgrupp­en. Diese hatten ihn zu Wochenbegi­nn bereits zum Vorsitzend­en der regierende­n Liberaldem­okratische­n Partei (LDP) als Nachfolger von Abe gewählt. Angesichts einer zweiten Corona-Infektions­welle wollte man schnell wieder für Kontinuitä­t und Stabilität sorgen. Dafür erschien Suga der richtige Mann. Wie lange Suga im Amt bleiben kann, bleibt abzuwarten. Offiziell führt er Abes restliche Amtszeit als LDP-Vorsitzend­er – und damit als Regierungs­chef – zu Ende, die noch bis September 2021 läuft. Ob Suga über diesen Termin hinaus an der Macht bleiben kann, könnte davon abhängen, wann er Neuwahlen zum Parlament ausrufen wird. Es gibt Spekulatio­nen, dass es dazu schon im nächsten Monat kommen könnte.

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