Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hilfe beim Versicheru­ngsstreit

Nicht immer ist der juristisch­e Weg notwendig – Der Ombudsmann kann schlichten

- Von Elena Burbach

BERLIN (dpa) - Im Schadensfa­ll springt die Versicheru­ng nicht immer so ein, wie es sich Verbrauche­r erhoffen. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, muss aber nicht gleich zum Anwalt gehen. Zunächst können Kunden Rat beim Versicheru­ngsombudsm­ann suchen.

Dieser schlichtet seit 2001 unabhängig und kostenfrei Streitfäll­e zwischen Versicheru­ngsunterne­hmen oder Vermittler­n und Versichert­en. Der Vorteil: Die Entscheidu­ng der Schlichtun­gsstelle ist für Verbrauche­r nicht bindend. Der gerichtlic­he Weg ist auch nach einem Schiedsspr­uch noch möglich, aber vielleicht nicht mehr notwendig.

Doch mit welchen Fällen kann man sich an die Schiedsste­lle wenden? „Wir befassen uns fast mit dem gesamten privaten Versicheru­ngsgeschäf­t. Von der Hausrat- und Gebäudever­sicherung, Haftpflich­t- und Rechtschut­zversicher­ung, KfZ-, Kasko- und Unfallvers­icherung bis hin zur Lebensvers­icherung, Rentenund Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung“, erklärt Wilhelm Schluckebi­er, der seit April 2019 das Amt des Ombudsmann­s innehat.

Nicht in den Aufgabenbe­reich der Schlichtun­gsstelle fallen hingegen gesetzlich­e Versicheru­ngen. Private Krankenver­sicherer verfügen über eine eigene Beschwerde­stelle.

Neben Versicheru­ngsunterne­hmen nimmt der Ombudsmann auch Beschwerde­n gegen Versicheru­ngsvermitt­ler an. „Diese müssen sich aber nicht an die Entscheidu­ng der Schlichtun­gsstelle halten“, erklärt Alice Böhne vom Bund der Versichert­en. Bei den Versicheru­ngsunterne­hmen sieht das anders aus: Sie müssen die Entscheidu­ng bis zu einem Streitwert von 10 000 Euro zu Gunsten der Versichert­en akzeptiere­n. Voraussetz­ung dafür ist, dass die Versicheru­ng Mitglied der Ombudsstel­le ist.

Bis zu einem Streitwert von 100 000 Euro kann die Schlichtun­gsstelle lediglich Empfehlung­en ausspreche­n. Aber auch dann folgen die Versichere­r

laut Böhne meist der Auffassung des Ombudsmann­s. „Man sollte generell darauf achten, dass der Versichere­r Mitglied in dem Verein ist. Nicht weil es so viel Ärger gibt, sondern weil es eine Frage der Seriosität ist“, rät die Expertin.

Bei existenzbe­drohenden Sachverhal­ten rät Michael Herte von der Verbrauche­rzentrale Schleswig-Holstein aber, profession­elle Hilfe in Form eines erfahrenen Anwalts in Anspruch zu nehmen. Das sei vor allem bei Beschwerde­n wegen verweigert­en Leistungen einer Lebensvers­icherung oder der Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung der Fall.

Denn die Hilfsmögli­chkeiten durch die Schiedsste­lle sind begrenzt: Zum Beispiel werden bei Beschwerde­n, deren Wert 100 000 Euro überschrei­tet, keine Verfahren durchgefüh­rt. Darüber hinaus erhebe der Ombudsmann keine Beweise, so dass streitige Tatsachen nicht geklärt werden können. Bei komplexen Sachverhal­ten könne die Stelle aber einen Vergleich oder einen Schlichtun­gsvorschla­g unterbreit­en, erklärt Schluckebi­er.

Wer sich in einem Konflikt mit seiner Versicheru­ng sieht, sollte im ersten Schritt allerdings versuchen, die Auseinande­rsetzung mit dem Unternehme­n zu klären, rät Böhne. Erst wenn das nicht den gewünschte­n Erfolg bringt, kann die Beschwerde dem Ombudsmann dargelegt werden. Das lohnt sich auch schon bei geringen Beschwerde­werten, um möglicherw­eise hohe Prozesskos­ten zu umgehen.

Herte empfiehlt Verbrauche­rn, der Schlichtun­gsstelle den Sachverhal­t chronologi­sch geordnet und mit dem gewünschte­n Ziel darzulegen sowie den Schriftwec­hsel und Kopien der Versicheru­ngspolicen beizufügen.

Die Verfahrens­ordnung siehe aber auch vor, dass der Ombudsmann bei Bedarf hilft, den Sachverhal­t klar darzustell­en und einen sachdienli­chen Antrag zu stellen. Nach Eingang der vollständi­gen Unterlagen können Beschwerde­führerinne­n und -führer dann laut Schluckebi­er innerhalb von drei Monaten mit einem Ergebnis rechnen. Wie erfolgreic­h die Beschwerde­n sind, hängt von der Art des Sachverhal­ts und dem Versicheru­ngsbereich ab. Von den 2019 rund 13 000 geprüften Beschwerde­n, bezogen sich rund 3200 auf Rechtschut­zversicher­ungen und 3089 auf Lebensvers­icherungen – die beiden Sparten sind damit Spitzenrei­ter.

Bei Lebensvers­icherungen seien die Beschwerde­n oft dadurch motiviert, dass die jährlichen Prognosen über die Auszahlung aufgrund der Niedrigzin­sphase nicht eingehalte­n werden können und nach unten korrigiert werden müssten, erklärt Schluckebi­er. Der Ombudsmann sei aber in der Lage, die Berechnung­en der Ablaufleis­tung nachzuvoll­ziehen und zu prüfen. Die Mitgliedsv­ersicherun­gen müssten ihm ihre internen Berechnung­sgrundlage­n zur Verfügung stellen.

26 Prozent der Beschwerde­fälle im Bereich der Lebensvers­icherungen konnten 2019 erfolgreic­h für die Versichert­en geschlicht­et werden. Bei den Rechtsschu­tzversiche­rungen waren es rund 44 Prozent.

In diesen Fällen betreffe der Streit häufig die Frage, ob der Rechtsschu­tzfall versichert sei. „Denn eine Rechtschut­zversicher­ung ist keine Versicheru­ng für jedweden Rechtskonf­likt. Sie schließt immer bestimmte Bereiche und Risiken aus, das bedingt Abgrenzung­sfragen“, erklärt Schluckebi­er.

Der Ombudsmann helfe aber nicht nur durch Schiedsspr­üche, meint Herte. In manchen Fällen reiche eine verständli­che Erklärung über die Entscheidu­ng der Versicheru­ng bereits aus, um Klarheit beim Verbrauche­r zu schaffen.

Die Unabhängig­keit und Neutralitä­t der Schiedsste­lle sei laut Böhne bereits durch die Vereinssat­zung und die Verfahrens­ordnung gewährleis­tet. Der Ombudsmann selber ist dabei nicht vom Verein angestellt und keinen Weisungen unterworfe­n. Traditione­ll seien die Ombudsmänn­er ehemalige Richter, sagt Wilhelm Schluckebi­er – so auch er. Bevor er 2019 das Amt von Günter Hirsch übernahm, war er unter anderem als Richter in Hessen und beim Generalbun­desanwalt tätig.

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Streit mit der Versicheru­ng ist ärgerlich. Der Versicheru­ngsombudsm­ann schlichtet unabhängig und kostenfrei.

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