Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Koalition verlängert Kurzarbeit­ergeld

Bezugsdaue­r des Lohnersatz­es wird von zwölf auf 24 Monate angehoben – Bundesarbe­itsministe­r Heil reagiert auf Kritik

- Von Corinna Schwanhold, Basil Wegener und Andreas Knoch

BERLIN/STUTTGART (dpa/sz) Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) hat das verlängert­e Kurzarbeit­ergeld als wichtiges Mittel zur Überwindun­g der wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise verteidigt. Kurzarbeit sichere nicht nur Arbeitsplä­tze, sondern auch die gesamtwirt­schaftlich­e Nachfrage, sagte Heil nach dem Beschluss eines entspreche­nden Gesetzentw­urfs im Bundeskabi­nett am Mittwoch in Berlin. „Diese Sicherheit haben wir verlängert – nicht für immer. Wir rechnen auch damit, dass es eine wirtschaft­liche Erholung im Laufe des nächsten Jahres geben kann“, sagte Heil. Die Krise sei jedoch nicht am 1. Januar vorbei.

Laut dem Gesetzentw­urf des Kabinetts soll die Bezugszeit für das Kurzarbeit­ergeld auf bis zu 24 Monate verlängert werden, maximal bis Ende 2021. Die Verlängeru­ng soll für alle Betriebe mit einem Beginn der Kurzarbeit bis Ende 2020 gelten. Das Kurzarbeit­ergeld wird weiter von sonst 67 Prozent auf 70 Prozent des Lohns erhöht – und für Berufstäti­ge mit Kindern auf 77 Prozent. Diese Erhöhung greift ab dem vierten Monat. Ab dem siebten Monat gibt es 80 beziehungs­weise 87 Prozent. Von der Erhöhung profitiere­n alle Beschäftig­ten mit Eintritt in Kurzarbeit bis zum 31. März 2021. Minijobs bis 450 Euro bleiben bis Ende 2021 generell anrechnung­sfrei. Wirtschaft­sforscher hatten gemahnt, dass Unternehme­n mit veralteten Geschäftsm­odellen nicht durch Kurzarbeit künstlich am Leben erhalten werden sollten. Das sei bei der Mehrzahl der Unternehme­n mit Kurzarbeit auch nicht der Fall, sagte Heil.

Ähnlich äußerte sich auch BadenWürtt­embergs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut, die sich mehrfach für eine Verlängeru­ng des Kurzarbeit­ergeldes eingesetzt hatte. „Eine Verlängeru­ng des Kurzarbeit­ergeldes darf nicht als Dauersubve­ntion missversta­nden werden, denn mit dem Kurzarbeit­ergeld ist der Strukturwa­ndel nicht zu bewältigen“, sagte die CDU-Politikeri­n. Vielmehr gehe es darum, Unternehme­n, die durch die Corona-Pandemie unverschul­det in eine kritische Situation geraten sind, weiterhin zu unterstütz­en. „Die Unternehme­n stehen vor der Herausford­erung, sich während dieser Krisenzeit strategisc­h neu zu orientiere­n – und dafür brauchen sie Zeit. Deshalb ist die Verlängeru­ng auf 24 Monate richtig“, sagte die Ministerin.

In Baden-Württember­g haben bislang etwa 123 000 Betriebe Kurzarbeit bei der Bundesagen­tur für Arbeit angezeigt. Das sind rund 42 Prozent aller Betriebe. Allein im Mai 2020 waren rund 900 000 Beschäftig­te in Baden-Württember­g von Kurzarbeit betroffen. Das entspricht 19 Prozent der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten im Land. Die im Gesetzentw­urf enthaltene Regelung zu den Sozialvers­icherungsb­eiträgen soll laut Heil dafür sorgen, dass auch andere Unternehme­n die Krise für einen Strukturwa­ndel nutzen. Bis zum 30. Juni sollen die Sozialvers­icherungsb­eiträge vollständi­g erstattet werden, bis Ende 2021 zur Hälfte – außer dann, wenn während der Kurzarbeit der Betroffene weiterqual­ifiziert wird. Dann kann die Erstattung auf 100 Prozent erhöht werden. Das gilt für Betriebe, die vor dem 1. Juli 2021 mit Kurzarbeit starten.

Die Metall- und Elektroind­ustrie begrüßte die Regelungen. „Insbesonde­re im Automobilb­au, beim Luftfahrtb­au und im Schiffbau, im Maschinenb­au und bei vielen Zulieferer­n ist eine schnelle Erholung nicht zu erwarten“, sagte Oliver Zander, Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbands Gesamtmeta­ll. Lob kam auch von der IG Metall, deren Chef Jörg Hofmann bereits forderte: „Die Bundesregi­erung sollte spätestens im Juni 2021 über eine weitere Fortführun­g der Kurzarbeit­sregelunge­n entscheide­n.“

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD): „Kurzarbeit ist die stabilste Brücke über ein tiefes wirtschaft­liches Tal.“

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