Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Koalition verlängert Kurzarbeitergeld
Bezugsdauer des Lohnersatzes wird von zwölf auf 24 Monate angehoben – Bundesarbeitsminister Heil reagiert auf Kritik
BERLIN/STUTTGART (dpa/sz) Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat das verlängerte Kurzarbeitergeld als wichtiges Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise verteidigt. Kurzarbeit sichere nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, sagte Heil nach dem Beschluss eines entsprechenden Gesetzentwurfs im Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. „Diese Sicherheit haben wir verlängert – nicht für immer. Wir rechnen auch damit, dass es eine wirtschaftliche Erholung im Laufe des nächsten Jahres geben kann“, sagte Heil. Die Krise sei jedoch nicht am 1. Januar vorbei.
Laut dem Gesetzentwurf des Kabinetts soll die Bezugszeit für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängert werden, maximal bis Ende 2021. Die Verlängerung soll für alle Betriebe mit einem Beginn der Kurzarbeit bis Ende 2020 gelten. Das Kurzarbeitergeld wird weiter von sonst 67 Prozent auf 70 Prozent des Lohns erhöht – und für Berufstätige mit Kindern auf 77 Prozent. Diese Erhöhung greift ab dem vierten Monat. Ab dem siebten Monat gibt es 80 beziehungsweise 87 Prozent. Von der Erhöhung profitieren alle Beschäftigten mit Eintritt in Kurzarbeit bis zum 31. März 2021. Minijobs bis 450 Euro bleiben bis Ende 2021 generell anrechnungsfrei. Wirtschaftsforscher hatten gemahnt, dass Unternehmen mit veralteten Geschäftsmodellen nicht durch Kurzarbeit künstlich am Leben erhalten werden sollten. Das sei bei der Mehrzahl der Unternehmen mit Kurzarbeit auch nicht der Fall, sagte Heil.
Ähnlich äußerte sich auch BadenWürttembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, die sich mehrfach für eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes eingesetzt hatte. „Eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes darf nicht als Dauersubvention missverstanden werden, denn mit dem Kurzarbeitergeld ist der Strukturwandel nicht zu bewältigen“, sagte die CDU-Politikerin. Vielmehr gehe es darum, Unternehmen, die durch die Corona-Pandemie unverschuldet in eine kritische Situation geraten sind, weiterhin zu unterstützen. „Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich während dieser Krisenzeit strategisch neu zu orientieren – und dafür brauchen sie Zeit. Deshalb ist die Verlängerung auf 24 Monate richtig“, sagte die Ministerin.
In Baden-Württemberg haben bislang etwa 123 000 Betriebe Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt. Das sind rund 42 Prozent aller Betriebe. Allein im Mai 2020 waren rund 900 000 Beschäftigte in Baden-Württemberg von Kurzarbeit betroffen. Das entspricht 19 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land. Die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung zu den Sozialversicherungsbeiträgen soll laut Heil dafür sorgen, dass auch andere Unternehmen die Krise für einen Strukturwandel nutzen. Bis zum 30. Juni sollen die Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstattet werden, bis Ende 2021 zur Hälfte – außer dann, wenn während der Kurzarbeit der Betroffene weiterqualifiziert wird. Dann kann die Erstattung auf 100 Prozent erhöht werden. Das gilt für Betriebe, die vor dem 1. Juli 2021 mit Kurzarbeit starten.
Die Metall- und Elektroindustrie begrüßte die Regelungen. „Insbesondere im Automobilbau, beim Luftfahrtbau und im Schiffbau, im Maschinenbau und bei vielen Zulieferern ist eine schnelle Erholung nicht zu erwarten“, sagte Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Lob kam auch von der IG Metall, deren Chef Jörg Hofmann bereits forderte: „Die Bundesregierung sollte spätestens im Juni 2021 über eine weitere Fortführung der Kurzarbeitsregelungen entscheiden.“