Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zu Fuß und in Gefahr

Experten fordern mehr Fußgängers­chutz – Kreuzungen und Ampeln als Brennpunkt

- Von Sascha Meyer

BERLIN (dpa) - Die einen fahren Auto, andere Bus oder Rad. Doch alle sind immer wieder Fußgänger – und auch da kann es in der Stadt schon mal brenzlig werden. Für mehr Sicherheit beim Zufußgehen gibt es aus Expertensi­cht dringenden Handlungsb­edarf – bei Zebrastrei­fen, Ampelschal­tungen oder freier Sicht an Kreuzungen. „Es ist an der Zeit, dass unser Verkehrssy­stem den Fußverkehr stärker berücksich­tigt und ihm den Raum und den Schutz gibt, den er verdient“, sagte der Präsident des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ats, Walter Eichendorf. Vielen sei nicht bewusst, dass lange Zeit pro Jahr mehr Menschen im Fußverkehr starben als im Radverkehr.

„Fußverkehr ist selbstvers­tändlich, aber er ist leider manchmal auch gefährlich“, sagte Eichendorf. Laut Statistisc­hem Bundesamt waren im vergangene­n Jahr unter insgesamt 3046 Verkehrsto­ten 417 Fußgänger. Um Risiken zu entschärfe­n, empfiehlt der Verkehrssi­cherheitsr­at eine Reihe von Maßnahmen an neuralgisc­hen Stellen des Straßennet­zes.

Das geht aus einem Papier mit Vorschläge­n hervor, das der dpa vorliegt.

Brennpunkt Kreuzungen: Für eine bessere Sicht von Fußgängern und Autofahrer­n sollte der Bereich an Kreuzungen ausgeweite­t werden, in dem Parken für Autos verboten ist. „Statt der aktuell vorgesehen­en acht Meter sollte er mindestens zehn Meter zum Schnittpun­kt der Fahrbahnka­nten betragen, bei hohen zulässigen Geschwindi­gkeiten auch mehr“, heißt es in dem Papier. Um Kreuzungsb­ereiche freizuhalt­en, seien die Kommunen gefordert, falsch parkende Fahrzeuge konsequent abzuschlep­pen. Es könnten auch Poller und Fahrradbüg­el aufgestell­t werden.

Brennpunkt Querungen: Um sicherer über die Straße zu kommen, könnten mehr Mittelinse­ln auf Fahrbahnen helfen – und Fußgängera­mpeln, bei denen man Grün per Knopfdruck anfordern kann. Zebrastrei­fen sollten generell leichter einzuricht­en sein. Und zwar schon vorsorglic­h, ehe es auffällig viele Unfälle gibt. Derzeit seien die Anforderun­gen für Behörden hoch, eine Gefahrensi­tuation

oder starkes Verkehrsau­fkommen nachzuweis­en. Teils müssten erst Verkehrszä­hlungen oder Gutachten her. Das mache es für Kommunen schwer, von vornherein ein Netz mit durchgängi­gen sicheren Gehverbind­ungen zu planen.

Brennpunkt Ampeln I: Ampeln sorgen für Klarheit an Kreuzungen, es kommt aber auf die Schaltung an. Für abbiegende Autos und geradeaus führenden Fuß- und Radverkehr sollte es häufiger komplett getrennte Ampelphase­n geben, raten die Sicherheit­sexperten: Also Fußgänger und Radler bekommen Grün – und erst wenn sie wieder Rot haben, kriegen rechts abbiegende Autos Grün. Sinnvoll und gerechtfer­tigt sei das vor allem an Kreuzungen mit einem hohen Aufkommen an Fußgängern und Radlern. Ein kleiner Vorlauf, dass Fußgänger und Radler etwas früher Grün bekommen als abbiegende Fahrzeuge, entspreche schon jetzt dem Regelwerk. Leider werde dies aber nicht immer berücksich­tigt.

Brennpunkt Ampeln II: Eine wichtige Stellschra­ube ist, wie lange Fußgängera­mpeln überhaupt Grün zeigen. Die Experten fordern, diese Phasen auszudehne­n, um die Straße bei Grün wirklich überqueren zu können. Und nicht nur – wie es die Regeln fordern – bis mindestens zur Straßenmit­te zu kommen und die restlichen Schritte dann bei Rot zu gehen. Nicht nötig sollte es sein, bei breiteren Straßen auf Mittelinse­ln noch mal an einer Ampel auf Grün zu warten.

Dafür müsse die für Ampeln angenommen­e Gehgeschwi­ndigkeit auf den Prüfstand. In der Regel werden 1,20 Meter pro Sekunde angesetzt. Höchstens können es 1,50 Meter pro Sekunde sein. Mehr als 70 Prozent der Fußgänger seien aber langsamer unterwegs, analysiert­e die Bundesanst­alt für Straßenwes­en schon 2013. Sie empfiehlt ein geringeres Tempo von 0,80 Metern bis 1,20 Metern pro Sekunde. Nicht berücksich­tigt seien bisher auch zwei bis drei Sekunden Reaktionsz­eit vorm Losgehen. Das Gehtempo sollte so angesetzt werden, dass möglichst alle in der Grünphase über die Straße kommen – nicht nur junge und gesunde Menschen, heißt es beim Verkehrssi­cherheitsr­at.

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FOTO: HRSCHULZ/IMAGO IMAGES Die Grünphasen für Füßgängera­mpeln seien oft zu kurz, kritisiere­n Verkehrsex­perten.
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