Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tragikomisches über das Menschsein
Roy Andersson orientiert sich auch in seinem Film „Über die Unendlichkeit“an der Malerei
Selbst die Ewigkeit setzt sich aus Sekunden zusammen, und auch Sekunden können sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Zwei Phänomene, die in der neuen Tragikomödie von Roy Andersson mit dem Namen „Über die Unendlichkeit“erfahrbar werden. Zeit war für den schwedischen Filmemacher immer schon Thema und Gestaltungsmittel zugleich. Sie fließt durch seine starren, präzise konstruierten Tableau, manchmal ist das die einzige Bewegung. Sie lastet als Geschichte auf der Gegenwart und rinnt den Menschen als Leben durch die Finger. Meist gilt: Komödie ist Tragödie plus Zeit; nur kann diese Gleichung auch einfach andauerndes Leid ergeben.
In Anderssons neuem Film eröffnet sich mit jedem Schnitt ein Fenster in eine elegische Welt, eine hyperreale Version der unseren. Ihre Bewohner sind so leichenblass, als hätten sie nie die Sonne gesehen. Sie wirken abgekämpft, schäbig und traurig, die wenigen Ausnahmen bestätigen spöttisch die Regel. Gezeigt wird eine Sammlung von Momentaufnahmen, vom Alltäglichsten bis hin zur absoluten Ausnahmesituation.
Ein Paar beobachtet vorbeiziehende Vögel. Ein Kellner überfüllt ein Weinglas. Ein Ehestreit eskaliert auf offener Straße. Ein Mann wird im Bus von einer Existenzkrise überwältigt, ein anderer wird hingerichtet. Teenager tanzen. Ein Liebespaar schwebt über einer ausgebrannten Stadt.
Einige Stränge werden mehrfach aufgegriffen und ordnen damit den Film. Manchmal ist es nur ein einziges Element, das die Bilder vor und nach dem Schnitt verbindet: Mit demselben Messer kann man morden und Fisch schneiden.
Andersson überführt menschliches Verhalten in die Absurdität. Der Rhythmus seiner Filme ist ungewohnt. Der Regisseur orientiert sich deutlicher als die meisten seiner Kollegen an der Malerei, doch ein Gemälde gibt keinen klaren Zeitraum vor, in dem es betrachtet werden kann und muss. So versetzt jede neue Szene erst einmal in die Rolle des aufmerksamen Beobachters.
Wird es eine Pointe geben? Die Situationen erinnern entfernt an Sketche, und manche schließen mit einer überraschenden Wendung. Andere werden durch stetige Wiederholung irgendwann lustig. Es ist das Lachen, das Endlosschleifen und Gefangenschaft erträglich macht. Ein Lachen über das Leben, über die Absurdität des Menschseins. (KNA)