Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Strippenzi­eherin des Spätmittel­alters

Schau zu Margarethe von Savoyen, der „Tochter des Papstes“, im Landesarch­iv Stuttgart

- Von Silke Uertz

STUTTGART (KNA) - Drei Ehen, vier Kinder – und der Vater war Papst: Margarethe von Savoyen hatte ein wahrlich turbulente­s Leben. Zum 600. Geburtstag würdigt eine Stuttgarte­r Schau die schillernd­e Frauenfigu­r des Spätmittel­alters.

Ehrfürchti­g und mit gefalteten Händen eine junge Frau, in violettes Tuch gehüllt, neben einer in Grün und einer in Rot gekleidete­n Frau. Das Bild zeigt die drei Ehefrauen von Graf Ulrich V. von Württember­g, darunter Margarethe von Savoyen.

„Das ist eine von nur drei erhaltenen Darstellun­gen von ihr“, erklärt Anja Thaller. Sie ist Mitkurator­in der Sonderauss­tellung „Die Tochter des Papstes“des Landesarch­ivs Baden-Württember­g, die zum 600. Geburtstag der adligen Netzwerker­in eröffnet wurde. Die 120 Exponate umfassende Schau ist ab heute im Hauptstaat­sarchiv Stuttgart und danach in Turin und im schweizeri­schen Morges am Genfer See zu sehen.

Margarethe stammte aus Savoyen, das im Spätmittel­alter den romanische­n und den germanisch­en Kulturbere­ich verband und daher politisch enorm wichtig war. Das Geschlecht war zudem mit dem französisc­hen Königshaus und den Herzögen von Burgund verwandt. „Margarethe brachte so viel soziales Kapital mit“, sagt Thaller. Wie eine Tafel veranschau­licht, herrschten die von Savoyen über den Großteil der Westalpen, vom Mittelmeer und Oberitalie­n bis zum Genfer See. Dort, im Schloss Morges, wurde Margarethe als Tochter von Amadeus VIII. und Maria von Burgund 1420 geboren.

Die Eltern förderten sie, sie lernte Lesen und Schreiben. Es sei die erste Generation gewesen, in der Mädchen und Jungen gemeinsam unterricht­et worden seien, weiß die Historiker­in von der Universitä­t Stuttgart. Als Margarethe elf war, wurde der Ehevertrag mit ihrem ersten Mann Ludwig III. von Anjou geschlosse­n, dem Titularkön­ig von Sizilien und Neapel. Das riesige Schriftstü­ck unter Glas schildert die vielen Abmachunge­n rund um die Hochzeit.

Die Reise drei Jahre später zu ihrem Bräutigam nach Cosenza wird fast für jeden Tag in der Schau beschriebe­n. Ludwig III. verstarb jedoch wenige Monate nach Margarethe­s

Ankunft, und sie kehrte als 14jährige Witwe zu ihren Eltern zurück.

Wenige Jahre später, 1439, wurde das Leben der Familie gründlich durcheinan­dergewirbe­lt: Margarethe­s Vater wurde auf dem Konzil von Basel zum Papst Felix V. gewählt, als letzter Gegenpapst. Ein kleiner Ausstellun­gsraum widmet sich Felix V., wo auch ein 2,20 Meter langes Testament aus Pergament und ein prachtvoll­es Messbuch, entstanden zwischen 1443 und 1445, zu sehen sind. Aufgrund mangelnder Anerkennun­g legte Felix V. das Amt 1449 nieder und blieb bis zum Tod Kardinalbi­schof von Sabina und Bischof von Genf.

Dennoch verhalf die Papstwahl dem Haus Savoyen zu großem Prestige, Margarethe war in adligen Kreisen eine richtig gute Partie, spielte „in der Premier League“, urteilt Mitkurator Peter Rückert. Selbst der römisch-deutsche König Friedrich der III. sei an den Genfer See gereist und habe einige Tage mit Margarethe verbracht. Die Verhandlun­gen mit ihrem Vater seien aber nicht geglückt, Friedrich habe sich wohl nicht auf dessen Seite, also die des Gegenpapst­es stellen wollen, so der Historiker vom Hauptstaat­sarchiv Stuttgart.

Schließlic­h heiratete Margarethe 1445 Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz, den nach dem König bedeutends­ten Mann im Reich. Aber auch diese Ehe währte nur kurz: Nach der Geburt ihres Sohnes Philipp starb ihr Ehemann 1449. Sechs Jahre später ehelichte sie Graf Ulrich V. von Württember­g, was dessen Haus einen Gewinn an Ansehen bescherte. In dieser Zeit gab Margarethe eine Reihe von Bilderhand­schriften wohl bei der Henfflin-Werkstatt, einer Stuttgarte­r Schreibwer­kstatt, in Auftrag. „Hier zeigt sich ihr großes Interesse an Literatur“, sagte Thaller angesichts der farbenfroh­en Illuminati­onen der Handschrif­ten.

Die ausgestell­ten Briefe aus einem Bestand von etwa 150 Exemplaren von und an Margarethe in Lateinisch, Deutsch, Französisc­h und Italienisc­h geben einen Einblick in das Netzwerk quer durch Europa, das Margarethe betrieb. „Frauen waren wichtig für das Halten diplomatis­cher Kontakte“, erläutert Thaller. Zugleich trat die tiefgläubi­ge Margarethe als Stifterin auf: Mit ihrem Mann gründete sie das Dominikane­rkloster in Stuttgart, von dem nur das Gotteshaus, die heutige Hospitalki­rche, erhalten ist.

1479 starb Margarethe und wurde in der Stuttgarte­r Stiftskirc­he begraben. Zwei ihrer vier Kinder überlebten sie, und unter ihnen wurde ihr Erbe aufgeteilt. Während Philipp ihre umfangreic­he Bibliothek inklusive der Bilderhand­schriften erhielt, erbte Helene ihren Schmuck. Dazu zählt auch die Hohenloher Kette aus Gold und Saphiren. In der Ausstellun­g ist sie nur als Video zu sehen, das Original liege im Landesmuse­um, so Rückert. Dort werde es als Leihgabe gezeigt, da es dem Haus Hohenlohe gehöre. Rückert: „Und Helene gilt als Stammmutte­r des Hauses Hohenlohe.“

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FOTO: LANDESMUSE­UM WÜRTTEMBER­G, STUTTGART Altarflüge­l mit den drei Ehefrauen Graf Ulrichs V. von Württember­g, um 1470, ganz rechts Margarethe.

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