Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die längste Vorbereitung aller Zeiten
Mit drei neuen Youngsters – und vorerst 170 Zuschauern – wollen die TTF Ochsenhausen wieder angreifen
OCHSENHAUSEN - Wer dachte, dass Ochsenhausens Tischtennisspieler unendlich traurig, frustriert und gelangweilt sind, weil sie in den letzten sechs Monaten nur zwei Wettkämpfe bestreiten durften, der irrt. „Es war wirklich seltsam. Wir haben in den vergangenen Jahren nur gespielt, waren stets auf Turnieren und auf Achse, dann kam plötzlich der Break. Aber es war gut für uns, auch mal zu Hause zu sein, vor allem, wenn du ein kleines Kind hast“, sagte der Franzose Simon Gauzy. Kanak Jha, der 20-jährige Neuzugang aus den USA, bestätigte die Gefühle: „Die Pause war sehr erholsam. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals so lange zu Hause bei meiner Familie in Kalifornien war.“Schon mit 15 zog der Sohn zweier Inder in die Fremde ins schwedische Halmstad, um Profi zu werden, die drei letzten Jahre hatte er für den TTC Grenzau gespielt, wo er zu einem starken Bundesligaspieler reifte und zur Nr. 27 der Welt. Seit sechs Wochen aber ist nun auch Jha ständiges Mitglied der TTF-Familie und will dort „der beste Tischtennisspieler werden, der ich sein kann“.
Tatsächlich haben die Ochsenhausener, die Mitte Juni im Bundesliga-Finale mit 1:3 gegen Saarbrücken verloren und ihren Meistertitel einbüßten, das Beste aus der coronabedingten Wartezeit gemacht. Sie haben sich noch besser kennengelernt – neben Jha stießen auch die hauseigenen polnischen LMC-Studenten Maciej Kubik (17) und Samuel Kulczycki (18) zum Team. Sie lernten die Ansprüche des Chinesen Fu Yong kennen, der bereits seit fünf Jahren TTF-Coach ist und nun die Nachfolge von Cheftrainer Dmitrij Mazunov antrat. Und sie trainierten offenbar auch die Sprache, so dass ihr Anführer Hugo Calderano, die Nr. 6 der Welt aus Brasilien, sich plötzlich traute, deutsch zu sprechen bei der Pressekonferenz. „Nein, großartige Unternehmungen in meiner Freizeit gibt es eigentlich nicht. Ich trainiere von morgens bis abends, zum Spazieren bin ich da viel zu müde“, gab der 23-Jährige kund.
„So gut vorbereitet wie noch nie vor einer Saison“seien die TTF, erklärte Präsident Kristijan Pejinovic, „es wird auch höchste Zeit, dass es losgeht. Keiner will nur trainieren oder organisieren. Man macht das wegen der Wettkämpfe, auch als Manager, das ist der Sinn dahinter.“Insofern haben die TTF genau das richtige Kaliber für den Saisonauftakt erwischt: Meister 1. FC Saarbrücken gastiert am Sonntag (15 Uhr) in der Hans-Liebherr Sporthalle, in die die TTF nach dem dortigen Wasserschaden und einer zweijährigen Stippvisite in Ehingen wieder zurückkehren. Und im Gegensatz zum Finale in Frankfurt werden sie diesmal nicht allein sein: 170 Zuschauer (und 80 Teamangehörige) sind in der offiziell 650 Menschen fassenden Halle bis auf Weiteres laut Ordnungsamt erlaubt, Maskenpflicht besteht nur abseits der jeweils mindestens 1,5 Meter voneinander entfernten Sitzplätze. In Ehingen betrug der Zuschauerschnitt 430, das bedeutet: „Wer Karten will, sollte rechtzeitig im Internet vorbestellen“, sagt Teamkoordinator Manuel Pfender.
Ausverkauft dürfte es künftig also fast immer sein in Ochsenhausen, vor allem gegen Saarbrücken, das mit China-Ass Shang Kun und dem deutschen Nationalspieler Patrick Franziska erneut den Titelfavoriten stellt. Eine Revanche
ist das Duell für die TTF nicht. „Ein Finale ist ein Finale, das kann man nicht wiederholen“, sagt Gauzy, „das letzte Spiel ist immer wichtiger als das erste“, findet Calderano, und Pejinovic fügt an: „Letztes Jahr sind wir mit einem 0:3 gegen Saarbrücken gestartet und standen doch in zwei Finals. Aber: Das Spiel wird ein wichtiger Gradmesser, wo man nach einer so langen Pause steht.“Am Ende sollen es in jedem Fall wieder die Play-offs sein für die TTF, das Pokal-Final-Four in Neu-Ulm.
Von Titeln sprach am Mittwoch keiner in Ochsenhausen, von zu viel Unwägbarkeiten geprägt ist die Saison. Die vier Turniere, die der Weltverband ITTF im Herbst in einer abgeschirmten Blase in China plant, die inklusive Quarantäne sechs Wochen Zeit beanspruchen und in Europa für einen Aufschrei in der Szene sorgen, lassen auch die TTF nicht kalt. „Wir sind mit drei Spielern betroffen, am härtesten von allen in der Liga“, sagt Pejinovic, dennoch beteiligten sich Calderano, Gauzy und Jha nicht am Spielerprotest. Das Trio will und darf in China laut Club spielen, zumindest die Grand Finals und den World Cup, die wichtigsten Turniere. Die Liga werde dann pausieren, sagt Pejinovic. „Wir brauchen diese Turniere, um bei Olympia in Tokio möglichst weit vorn gesetzt zu sein. Es ist kompliziert, das hat man bei den US Open im Tennis gesehen“, räumt Gauzy ein.
„Dass die Liga bis dato erst die Hinrunde terminiert hat, zeigt, wie knifflig das Jahr werden könnte“, ahnt Pejinovic. „Und sollte es Corona-Fälle geben, müssen im schlechtesten Fall gleich drei Spiele verschoben werden.“Schon der Auftakt hat das gezeigt: Weil der Saarbrücker Tomas Polansky Ende August positiv war und die Gefahr weiterer Infektionen bestand, starten beide Teams mit zwei Wochen Verspätung in die Saison.
Waldschmidt verliert, Dorsch trifft: Für Fußball-Nationalspieler Luca Waldschmidt und Julian Weigl ist der Traum von der Champions-League-Teilnahme geplatzt. Das deutsche Duo verlor mit Benfica Lissabon in der dritten Qualifikationsrunde beim griechischen Vizemeister PAOK Saloniki mit 1:2 (0:0). Der für zwölf Millionen Euro vom SC Freiburg geholt Waldschmidt saß 90 Minuten auf der Bank, Weigl stand in der Startelf. Besser lief es für Niklas Dorsch und Tim Kleindienst, beide im Sommer vom 1. FC Heidenheim nach Belgien gewechselt, mit KAA Gent. U21-Nationalspieler Dorsch erzielte beim 2:1 (0:0) gegen Rapid Wien per Kopf sein erstes Tor für seinen neuen Club, der nun in den Play-offs auf Dynamo Kiew trifft.
Bitteres Finish für Theis: Basketball-Nationalspieler Daniel Theis und die Boston Celtics haben ihr Auftaktspiel in der Halbfinalserie der NBA verloren. Gegen die Miami Heat unterlag der Rekordmeister mit 114:117 nach Verlängerung. Theis, der auf vier Punkte und vier Rebounds kam, musste in der Overtime nach seinem sechsten Foul vorzeitig vom Feld. In der zweiten Best-of-SevenSerie duellieren sich die Los Angeles Lakers und die Denver Nuggets um das Finalticket.
Islanders verkürzen nach Krimi: Die New York Islanders haben das vorzeitige Halbfinalaus in der Eishockey-Profiliga NHL verhindert. Ohne die deutschen Nationalspieler Thomas Greiss und Tom Kühnhackl gewannen sie Spiel fünf der Best-of-Seven-Serie gegen die Tampa Bay Lightning mit 2:1 in der zweiten Verlängerung. Insgesamt steht es nun 3:2 für Tampa Bay. New Yorks Siegtreffer schoss Jordan Eberle in der 93. Minute.
EM-Start geglückt: Julius Thole und Clemens Wickler haben bei der BeachvolleyballEM in Lettland einen Auftakt nach Maß erwischt. Die Vizeweltmeister aus Hamburg besiegten das Gastgeber-Duo Solovejs/ Samoilovs in Jurmala mit 2:0 (21:11, 20:12).