Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bischöfe lassen Fragen offen
Mehr war nicht rauszuholen.“Mit dieser Einschätzung zur Entscheidung der katholischen Bischöfe, Opfern sexuellen Missbrauchs bis zu 50 000 Euro als Einmalzahlung zu überweisen, liegt Klaus Nadler aus Weingarten, der als Jugendlicher im Erzbistum Freiburg missbraucht worden war, richtig. Höhere Summen von bis zu 400 000 Euro pro Opfer waren im Gespräch. Doch sie hätten das „System Kirche“überfordert. Hochgerechnet auf 5000 Opfer kommen auf die katholische Kirche in Deutschland – durch die Einmalzahlungen zuzüglich der ebenfalls zu begleichenden Therapiehonorare – ohnehin bis zu 400 Millionen Euro an Kosten zu.
Doch Männern wie Nadler wird das vorgelegte Modell nicht gerecht. Durch den massenhaften Missbrauch haben Kleriker Persönlichkeiten zerstört oder – wie beim Zahntechniker Nadler – vielversprechende berufliche Karrieren gestoppt. Ob die Bischöfe Missbrauchsopfer wie ihn vor Augen hatten, als sie sich mehr als zehn Jahre nach Bekanntwerden des Skandals auf einen Kompromiss einigten? Für diese Biografien sollte es großzügige Härtefallregelungen geben.
Dass die Oberhirten sich überhaupt einigten, sich an zivilgerichtlichen Schmerzensgeldhöhen orientieren und ein unabhängiges Gremium für eine einheitliche Umsetzung eingesetzt haben, all das ist positiv anzumerken. Ermutigend ist auch, dass sich die Orden, die sich bis vor Kurzem mit dem Thema Missbrauch nur sehr widerwillig beschäftigten, dem Modell anschließen.
Und doch bleiben Fragen: Warum musste dieses Verfahren fast elf Jahre dauern? Warum bleiben aufseiten der Opfer so viele, auch neue, Verletzungen? Warum haben Opfer „Angst“vor dem, „was sich Verwaltungs-, Finanz- und Rechtsfachleute der katholischen Kirche ausgedacht haben, ohne die Betroffenen einzubeziehen“, wie Opfersprecher Katsch es formuliert?
Mit dem Modell schlagen die Bischöfe endlich den richtigen Weg ein: Doch dieser Weg ist steinig. Birgt Fallen. Und dass er endet, ist nicht abzusehen.