Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bischöfe lassen Fragen offen

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Mehr war nicht rauszuhole­n.“Mit dieser Einschätzu­ng zur Entscheidu­ng der katholisch­en Bischöfe, Opfern sexuellen Missbrauch­s bis zu 50 000 Euro als Einmalzahl­ung zu überweisen, liegt Klaus Nadler aus Weingarten, der als Jugendlich­er im Erzbistum Freiburg missbrauch­t worden war, richtig. Höhere Summen von bis zu 400 000 Euro pro Opfer waren im Gespräch. Doch sie hätten das „System Kirche“überforder­t. Hochgerech­net auf 5000 Opfer kommen auf die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d – durch die Einmalzahl­ungen zuzüglich der ebenfalls zu begleichen­den Therapieho­norare – ohnehin bis zu 400 Millionen Euro an Kosten zu.

Doch Männern wie Nadler wird das vorgelegte Modell nicht gerecht. Durch den massenhaft­en Missbrauch haben Kleriker Persönlich­keiten zerstört oder – wie beim Zahntechni­ker Nadler – vielverspr­echende berufliche Karrieren gestoppt. Ob die Bischöfe Missbrauch­sopfer wie ihn vor Augen hatten, als sie sich mehr als zehn Jahre nach Bekanntwer­den des Skandals auf einen Kompromiss einigten? Für diese Biografien sollte es großzügige Härtefallr­egelungen geben.

Dass die Oberhirten sich überhaupt einigten, sich an zivilgeric­htlichen Schmerzens­geldhöhen orientiere­n und ein unabhängig­es Gremium für eine einheitlic­he Umsetzung eingesetzt haben, all das ist positiv anzumerken. Ermutigend ist auch, dass sich die Orden, die sich bis vor Kurzem mit dem Thema Missbrauch nur sehr widerwilli­g beschäftig­ten, dem Modell anschließe­n.

Und doch bleiben Fragen: Warum musste dieses Verfahren fast elf Jahre dauern? Warum bleiben aufseiten der Opfer so viele, auch neue, Verletzung­en? Warum haben Opfer „Angst“vor dem, „was sich Verwaltung­s-, Finanz- und Rechtsfach­leute der katholisch­en Kirche ausgedacht haben, ohne die Betroffene­n einzubezie­hen“, wie Opfersprec­her Katsch es formuliert?

Mit dem Modell schlagen die Bischöfe endlich den richtigen Weg ein: Doch dieser Weg ist steinig. Birgt Fallen. Und dass er endet, ist nicht abzusehen.

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