Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reisewarnu­ng sorgt für Verunsiche­rung

Vorarlberg ist Corona-Risikogebi­et – Das hat auch Auswirkung­en auf Friedrichs­hafen

- Von Sandra Philipp und Tanja Poimer

FRIEDRICHS­HAFEN - Vorarlberg zählt laut Robert-Koch-Institut (RKI) seit Mittwochab­end offiziell als Corona-Risikogebi­et. Eine Entwicklun­g, die für einige Stellen überrasche­nd kam und die für umfangreic­hen Klärungsbe­darf gesorgt hat. So haben die Swiss-Internatio­nalSchool in Friedrichs­hafen sowie die Parkschule in Kressbronn am Donnerstag Schüler und Lehrer nach Hause geschickt.

Am Bildungsze­ntrum Parkschule in Kressbronn haben sich am Donnerstag die Ereignisse überschlag­en. Die Schulleitu­ng schickte mehr als zehn Lehrer und 50 Schüler nach Hause, die sich in den vergangene­n 14 Tagen in dem österreich­ischen Bundesland aufgehalte­n haben. Die Entwarnung folgte wenige Stunden später: „Am Freitag ist wieder Präsenzunt­erricht für alle“, kündigt Gudrun Teumer-Schwaderer, kommissari­sche Schulleite­rin, an.

„Am Donnerstag­vormittag gab es einige Unsicherhe­iten“, erklärt Schulamtsd­irektorin Carmen Huber. „Diese wollte ich zuerst mit dem Regierungs­präsidium in Tübingen abklären. Also so sind wir auf Nummer Sicher gegangen und haben gemeinsam mit den ratsuchend­en Schulen beschlosse­n, kein Risiko einzugehen.“Da die betroffene­n Personen nicht krank sind und Symptome aufweisen, könne der Schulbetri­eb am Freitag wieder normal starten, erklärt Huber. Das hätten die Juristen der übergeordn­eten Instanz, also des Regierungs­präsidiums, im Laufe des Donnerstag­s festgelegt.

„Die Einstufung Vorarlberg­s zum Risikogebi­et kam für das Schulamt völlig überrasche­nd“, erzählt Huber. Auch, dass Dornbirn in der vergangene­n Woche kurzzeitig zum Risikogebi­et erklärt wurde, habe keine Rückschlüs­se zugelassen. Es habe keinen Plan B in der Schublade gegeben, sagt Huber: „Denn das Virus ist nicht konstant und damit sind wir mit einer komplexen und dynamische­n Situation konfrontie­rt, die stetig Veränderun­gen mit sich bringt.“

Wandern, tanken, einkaufen, arbeiten: Viele Menschen aus dem Bodenseekr­eis fahren regelmäßig nach Vorarlberg. Nachdem das Bundesland zum Risikogebi­et erklärt worden war, fragte sich Gudrun Teumer Schwaderer, was das für das Kressbronn­er Bildungsze­ntrum mit seinen mehr als 600 Schülern an Grund-, Werkreal- und Realschule bedeutet. Zumal eine kurze Umfrage im Lehrerkoll­egium am Donnerstag­morgen ergeben habe, dass ein paar Kollegen in den vergangene­n zwei Wochen in der benachbart­en Grenzregio­n waren.

Ebenfalls „kalt erwischt“hat die Nachricht Steffen Rooschüz, Geschäftsf­ührender Schulleite­r der Schulen in Friedrichs­hafen. Er hat einen Großteil des Vormittags am Telefon verbracht. „Ich habe Kollegen geraten Ruhe zu bewahren, mich mit dem Staatliche­n- und dem Städtische­n Schulamt abgesproch­en und versucht das Gesundheit­samt zu erreichen, um zu fragen, was wir machen sollen“, berichtet er. „Erreicht habe ich dort leider niemanden.“

Robert Schwarz, Pressespre­cher des Landkreise­s, kann zwar nicht sagen, warum die Schulleite­r im Amt niemanden erreicht haben, erklärt auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“allerdings: „Das Gesundheit­samt ist hier auch nicht der richtige Ansprechpa­rtner, sondern das Sozialmini­sterium des Landes als Verordnung­sgeber oder das Schulamt als zuständige Behörde.“

Die Entscheidu­ng des RKI Vorarlberg zum Risikogebi­et zu erklären sorgt bei viele Menschen in der Region für Verunsiche­rung. Grundsätzl­ich gilt: Wer sich in einem Risikogebi­et aufgehalte­n hat, muss zwei Wochen in Quarantäne oder einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als zwei Tage ist.

Ausnahmere­geln gelten für Berufspend­ler: Arbeitnehm­er aus Deutschlan­d können weiterhin in Vorarlberg arbeiten und wieder nachhause fahren, wenn sie sich nicht länger als 48 Stunden in Vorarlberg aufhalten. Das gilt nach Angaben des Sozialmini­steriums allerdings nur, wenn der oder die Einreisend­e keine Symptome hat, die auf eine Erkrankung mit Covid-19 hinweisen.

Rolls-Royce Power-Systems (RRPS), als großer Arbeitgebe­r in der Region, setzt diese Ausnahmere­gelung außer Kraft, berichtet Unternehme­nssprecher Wolfgang Boller: „Um das Infektions­risiko möglichst gering zu halten, gehen wir über die 48-Stunden-Regelung des Landes Baden-Württember­g hinaus.“RRPSMitarb­eiter oder Besucher müssen sich in Quarantäne begeben oder einen negativen Test vorlegen, auch wenn sie sich weniger als 48 Stunden in einer Risikoregi­on aufgehalte­n haben, berichtet Boller. „Wir wollen vermeiden, dass unsere Mitarbeite­r das Virus vom Wochenend-Kurztrip zum Wandern, Einkaufen oder von einem Restaurant­besuch in Vorarlberg mit zur Arbeit bringen und andere anstecken.“

Für die zehn RRPS-Berufspend­ler aus Vorarlberg ändere sich vorerst nichts, berichtet Boller. Sie könnten weiterhin in die Firma kommen. Sofern möglich, empfehle ihnen die Firma allerdings von zu Hause aus zu arbeiten.

ZF hingegen hält an den gesetzlich­en Vorgaben samt 48-StundenAus­nahmeregel­ung fest. „Darüber hinausgehe­nde Maßnahmen sind bei ZF bisher nicht vorgesehen“, schreibt ein Unternehme­nssprecher. Von den rund 9600 Beschäftig­ten pendeln rund 30 Arbeitnehm­er aus dem nahegelege­nen österreich­ischen Bundesland ein.

Geschäftsr­eisen nach Vorarlberg gebe es derzeit keine, da es bei ZF derzeit eine weltweite Reisebesch­ränkung für Geschäftsr­eisen gebe. Sollte dennoch eine unternomme­n werden, orientiere sich das Unternehme­n an der aktuellen Quarantäne-Verordnung, schreibt der Sprecher weiter. Ähnlich sieht es bei Airbus Defence & Space aus. „Die geschäftli­chen Beziehunge­n in den Raum Vorarlberg sind gering“, erklärt Sprecher Mathias Pikelj. Lediglich fünf Mitarbeite­r gelten bei dem in Immenstaad ansässigen Luftfahrtu­nternehmen als eher gering.

Grundsätzl­ich appelliere­n Schulleite­r und Unternehme­n an die Vernunft der Menschen vorerst auch auf Kurzaufent­halte in Vorarlberg zu verzichten, um sich und ihre Mitmensche­n vor einer Infektion zu schützen.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Die Bundespoli­zei wird an der Grenze nur stichprobe­nartig kontrollie­ren. Szenen wie während des Lockdowns gibt es vorerst nicht.

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