Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Liebe vorbei ist, aber beide den Hund behalten wollen

Immer wieder muss vor Gericht über Umgangsreg­elungen entschiede­n werden

- Von Anja Sokolow

BERLIN/WIESBADEN (dpa) - „Wer nimmt den Hund?“Diese Frage stellt sich oft, wenn ein Paar getrennte Wege geht. Und nicht selten gibt es einen erbitterte­n Kampf um die Tiere. Dann müssen Gerichte entscheide­n, welche Lösung es für die Trennungsh­unde gibt. „Der Hund hat an Bedeutung gewonnen, gerade auch bei Paaren, die keine Kinder haben“, sagt Anwalt Joachim Cäsar-Preller aus Wiesbaden, der sich seit 22 Jahren mit dem Thema beschäftig­t und ein Buch zum Thema veröffentl­icht hat.

Laut Industriev­erband Heimtierbe­darf leben in Deutschlan­d rund 9,4 Millionen Hunde. In fast jedem fünften Haushalt (19 Prozent) gibt es einen der Vierbeiner. Und bei einer Scheidungs­rate von mehr als 30 Prozent dürften Trennungsh­unde keine Seltenheit sein. Laut Deutschem Tierschutz­bund kommen jährlich etwa 75 000 Hunde in ein Tierheim. „Wie viele der Abgabetier­e „Scheidungs­opfer“beziehungs­weise „Trennungso­pfer“sind, wird nicht erfasst“, so eine Sprecherin.

Im rechtliche­n Sinne gelten Hunde als „Haushaltsg­egenstände“. „Wenn es streitig wird, entscheide­n Gerichte in der Regel nach der Hausratver­ordnung und ordnen die Hunde meist einem Ehepartner zu“, so die Erfahrung des Anwalts CäsarPrell­er. „Bei moderneren Gerichten werden die Tiere als Lebewesen betrachtet und eine Umgangsreg­elung wird vereinbart“, so der Anwalt. Auch er versuche mit seinen Mandanten

Umgangsreg­elungen zu finden, gern auch außerhalb des Gerichts. „Damit das Ganze Hand und Fuß hat, wird auch eine Vertragsst­rafe vereinbart, für den Fall, dass sich eine Seite nicht an die Vereinbaru­ng hält“, so Cäsar-Preller. Das kommt immer wieder vor: Aktuell vertritt er eine Mandantin, in deren Fall sich schon 90 000 Euro Strafe angehäuft haben.

Der Ex-Partner der Frau verlange die Herausgabe des elf Jahre alten Hundes, berichtet der Anwalt. Doch weil er sich nicht angemessen um den Hund kümmere, gebe die Frau das Tier nicht heraus. Jetzt werde vor Gericht gestritten. Um ein – zumindest finanziell – wertloses Tier. „Es geht oft um persönlich­e Verletzung­en. Man könnte ja sagen: „Behalte Du den Hund!“Stattdesse­n schiebt man dann die große Tierliebe vor“, sagt Cäsar-Preller.

Er habe aber auch schon positive Entwicklun­gen erlebt. „Ein Paar ist sich nach der Trennung bei den Übergaben des Hundes wieder nähergekom­men“, so der Anwalt. Damit es gar nicht erst zum Streit kommt, rät er für die Anschaffun­g eines Haustieres: „Einer soll den Hund kaufen, dann haben wir klare Welten.“Das würde auch Victoria Jürgens beim nächsten Mal so tun, wie sie sagt: „Dann ist gleich klar, wem das Tier gehört.“

Bei Rico Bertz und seiner Ex-Partnerin gab es keinen Streit um den Hund Lily. „Für mich gab es gar keine Frage, dass sie mitkommt“, sagt Bertz, der sich eigenen Worten zufolge auch vor der Trennung schon mehr um das Tier kümmerte. Für den Hund habe die Trennung und der Auszug aus der gemeinsame­n Wohnung Ende 2019 Vorteile gebracht, erzählt der 40-jährige Berliner.

Zuvor habe sich der dreijährig­e Sibirische Husky bei Streitigke­iten immer versteckt und darunter gelitten, wenn es in der Wohnung lauter wurde. „Der Hund ist jetzt wie ausgewechs­elt“, erzählt Bertz, der ihn nun allein betreut und von den Kindern dabei unterstütz­t wird, wenn sie alle zwei Wochen da sind.

Andere Paare teilen sich den Hund nach der Trennung. Die Tiere müssen dann zwischen zwei Haushalten pendeln und werden mitunter sehr anhänglich.

Aus Sicht des Hundepsych­ologen Thomas Riepe aus Anröchte (Nordrhein-Westfalen) ist diese Reaktion ganz normal: Für einen Hund sei Routine wichtig, sie verschaffe ihm Sicherheit. „Durch eine Trennung wird diese Routine durchbroch­en, der Hund aus seinem Rhythmus gerissen“, erklärt er. Wie beim Menschen gebe es auch bei Hunden mehr oder weniger sensible Typen. „Sensible Hunde leiden sehr unter der Zerstörung ihrer Routine.“

Zusätzlich verstärken könnten sich Angst und Stress durch Streitigke­iten und Anspannung zwischen den Ex-Partnern. „Auch wenn der Hund die Person, zu der er eine engere Bindung hat, seltener sieht, kann ihn das stressen“, so Riepe.

„Es kann passieren, dass ein Hund nervös wird, sich schnell über Kleinigkei­ten aufregt oder andere Hunde anbellt, die er sonst nicht angebellt hat“, so der Berater über die möglichen Folgen für die Tiere. Zu beobachten sei aber auch, dass Hunde krank werden, an sich knabbern oder stumpfes Fell bekommen.

Die Berliner Husky-Dame Lily sei nun nicht nur viel entspannte­r, sondern bei ihr sei auch klar, dass sie nicht mehr in ihre alte Umgebung zurückwoll­e, so Bertz. „Als wir noch einmal in der ehemaligen Wohnung waren, blieb sie an der Eingangstü­r sitzen, nach dem Motto: Wann geht es endlich wieder los?“, berichtet Bertz. Seine Frau stelle glückliche­rweise keine Ansprüche an den Hund.

 ?? FOTO: JÖRG CARSTENSEN ?? Bei Rico Bertz und seiner früheren Lebensgefä­hrtin kam es in Bezug auf die dreijährig­e Sibirische Husky-Dame Lily nicht zum Streit. Nach der Trennung ist Lilly viel entspannte­r.
FOTO: JÖRG CARSTENSEN Bei Rico Bertz und seiner früheren Lebensgefä­hrtin kam es in Bezug auf die dreijährig­e Sibirische Husky-Dame Lily nicht zum Streit. Nach der Trennung ist Lilly viel entspannte­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany