Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Das Thema elektrisiert die Menschen“
Der SPD-Abgeordnete Gerster kämpft für den Verbleib der „Landshut“am Bodensee
FRIEDRICHSHAFEN - Der einstige Luftshansa-Jet „Landshut“ist 1977 durch seine Entführung nach Mogadischu und die Geiselbefreiung durch die GSG 9 bekannt geworden. Nach langen Diskussionen soll die Maschine nun endgültig einen Platz in Friedrichshafen erhalten. Für diese Entscheidung setzt sich unter anderem der aus Biberach stammende Bundestagsabgeordnete Martin Gerster (SPD) ein. Mit ihm sprach unser Redakteur Martin Hennings.
Friedrichshafen stand in der öffentlichen Wahrnehmung in Sachen „Landshut“-Museum nicht mehr auf der Tagesordnung. Dann plötzlich die Wende: 15 Millionen im Bundesetat für das Projekt. Warum haben Sie sich so sehr dafür eingesetzt?
Wie viele andere auch war ich begeistert von der Landung der „Landshut“im September 2017. Die Welt hat an dem Tag nach Friedrichshafen geblickt. Was dann folgte, war ein dreijähriges, unwürdiges Trauerspiel. Ich empfand das als peinlich gegenüber den Zeitzeugen, den Einsatzkräften und allen Angehörigen der Opfer des „Deutschen Herbsts“. Man kann die Maschine doch nicht einfach ungenutzt herumliegen lassen. Hinzu kamen öffentliche Initiativen ehemaliger Geiseln, die sich an die Politik und die Medien gewandt haben. Deshalb habe ich eine neuerliche Initiative gestartet, mich auf den Koalitionsvertrag berufen und offenbar viele Kolleginnen und Kollegen überzeugt.
Es gab aber Widerstände, oder?
Ja, auf den letzten Metern sind allerlei Standortalternativen in den Raum gestellt worden. Gatow, Tempelhof, Hamburg, Potsdam, Landshut, München. Den Vorschlag, die Landshut auszuschlachten und einzelne Teile an verschiedenen Orten auszustellen, halte ich übrigens für völlig abwegig. Letztes Jahr habe ich die Maschine in Friedrichshafen betreten. Das beklemmende Gefühl, dass hier Menschen als Geiseln tagelang in Todesangst festgehalten wurden, kann nur authentisch nachgestellt werden, wenn die Maschine so in Gänze erhalten bleibt.
Sie waren und sind aber überzeugt von Friedrichshafen als Standort für ein „Landshut“-Museum? Jeder andere Standort würde einen Transport nötig machen und hohe Kosten erzeugen. Zudem gibt es in Friedrichshafen und drumherum Menschen, die für das Thema brennen und die in der Lage sind, das Projekt zu stemmen. Wenn wir uns im Beschluss des Haushaltsausschusses nicht auf einen Standort festgelegt hätten, dann wäre die Debatte noch ewig weitergegangen.
Nun sagen viele, dass es keinen besonderen Bezug der Stadt Friedrichshafen oder der Bodenseeregion zur RAF-Thematik gebe. Das ist ja nicht von der Hand zu weisen. In jedem Fall gibt es mit dem Prozess und der Inhaftierung der RAF-Terroristen in Stuttgart-Stammheim einen deutlichen Bezug zu Baden
Württemberg. Ansonsten gibt es zahlreiche Museen zu vielen Themen, ohne dass es einen direkten Bezug zu ihrem Standort gibt. Oft entstehen solche Einrichtungen dort, wo es engagierte Leute gibt. David Dornier ist unzweifelhaft ein Motor dieses Projekts und meines Wissens nach der Einzige, der ein Konzept vorgelegt hat. Friedrichshafen sollte seine Skepsis überwinden und die Chancen sehen. Ich glaube, dass das „Landshut“-Museum ein echter Besuchermagnet werden kann.
Aber wäre nicht Bonn als damalige Bundeshauptstadt der stimmigere Ort?
Ich sehe dort keinen, der sich der Sache annehmen würde. Und – anders als in Friedrichshafen – auch kein Grundstück, das verfügbar wäre. Das Thema elektrisiert die Menschen und weckt Emotionen. Das sieht man doch an der Debatte jetzt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns der Sache annehmen und uns mit unserer Geschichte auseinandersetzen. Es hätte mich jedenfalls tief getroffen, wenn die Entscheidung die Menschen kalt gelassen hätte.
Die Kommunalpolitik und der Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen sehen das Projekt bislang sehr skeptisch. Kann aus dieser Gemengelage überhaupt Gutes entstehen?
Ich finde es schade, dass vor allem die Probleme betrachtet werden und nicht die Chancen. Es gibt doch jetzt 15 Millionen Euro vom Bund. Die Sorgen, dass die Stadt auf irgendwelchen Kosten sitzenbleibt, sind damit vom Tisch.
Die Betriebskosten sind zehn Jahre lang gesichert. Und dann?
Dann hat sich das Haus etabliert und kann sich selbst tragen.
Was soll denn Ihrer Ansicht nach entstehen: ein echtes „Landshut“Museum
oder etwas Übergreifendes, das die RAF-Zeit, vielleicht das Thema Terror insgesamt ins Blickfeld rückt?
Wir werden dort nicht einfach nur ein Flugzeug ausstellen. Wir werden die Geschehnisse in ihre Zeit einbetten und erklären. Wir werden zeigen, was Terror mit Menschen, Opfern, Einsatzkräften macht und wie schwer die damaligen politischen Entscheidungen gefallen sind. Und wir werden einen Bogen spannen zur Gegenwart. Terror, Gewalt und Polarisierung in der Gesellschaft sind ja eher gewachsen. Allein für das museumspädagogische Konzept haben wir eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Zudem ist das Thema jetzt bei der Bundeszentrale für politische Bildung, welche ja wiederum im Innenministerium angesiedelt ist. Ich glaube, dort ist dieser Zeitzeuge deutscher Innenpolitik gut aufgehoben. Dort arbeiten hochqualifizierte Leute mit enormem Renommee.
Wie geht es jetzt weiter?
Man muss zunächst klären, wie die Trägerstruktur und die Rechtsform des Museums aussehen können. Es gibt den Vorschlag David Dorniers, eine neue Stiftung zu gründen. Es kann aber auch Weiteres geben. Und wir müssen ein gutes Konzept der politischen Bildung erarbeiten. Das alles muss nun sondiert werden. Es sind ja einige neue Beteiligte dabei, die eine neue Dynamik und neue Ideen entwickeln werden. Ich würde mich freuen, wenn sich auch bisherige Kritiker öffnen und beteiligen würden.
Wann wird das „Landshut“-Museum eröffnet?
Dazu kann ich jetzt keine Aussage treffen. Das ist zu früh. Ich hoffe aber, dass zum 45. Jahrestag der Entführung bzw. Befreiung im Oktober 2022 erste Erfolge beim Aufbau der Ausstellung sichtbar sind.