Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
EZB zieht alle Register
Notenbank stellt weitere halbe Billion Euro für Corona-Notprogramm zur Verfügung
FRANKFURT (dpa) - Christine Lagarde hat bereits im Oktober keine Zweifel gelassen: Die Europäische Zentralbank (EZB) legt im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise noch einmal nach. Am Donnerstag erfüllten die Währungshüter ihr Versprechen.
Warum handelt die Notenbank erneut?
Die Pandemie hält Europa im Griff, die Zahl der Infizierten ist in vielen Staaten in den vergangenen Wochen drastisch gestiegen, erneut werden Wirtschaft und Gesellschaft heruntergefahren. „Die EZB wird auch in der zweiten Welle da sein“, versicherte Lagarde Ende Oktober nach der Sitzung des EZB-Rates. Die Risiken für die Konjunktur nähmen eindeutig zu. „Wir werden alle Flexibilität nutzen, die wir haben“, betonte die Französin. Zwei Wochen später bekräftigte Lagarde die Entschlossenheit der Währungshüter zum Handeln: „Es ist wichtig, dass die Finanzierungsbedingungen günstig bleiben.“
Was hat die EZB in der CoronaKrise bisher getan?
Mitte März schnürte die Notenbank eilends ein neues Kaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen. Nur knapp drei Monate später verdoppelte die EZB das Volumen des PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) fast auf 1,35 Billionen Euro. Zudem wurde dessen Laufzeit um ein halbes Jahr bis mindestens Ende Juni 2021 verlängert. Nun werden sowohl das Volumen als auch die Laufzeit noch einmal ausgeweitet: 500 Milliarden mehr und damit 1,85 Billionen Euro stellt die EZB im Rahmen des PEPP zur Verfügung. Laufen sollen die Anleihenkäufe nun bis mindestens Ende März 2022.
Bis Anfang Dezember hatte die EZB im Rahmen des PEPP fast 718 Milliarden Euro investiert. Vorteil des Programms: Die EZB ist bei Käufen extrem flexibel. Während ältere Kaufprogramme an den Kapitalschlüssel der Notenbank gebunden sind, der sich nach Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft der Euroländer bemisst, behält sich die EZB bei ihrem Corona-Notprogramm PEPP vor, von diesem Schlüssel abzuweichen. Sie kann somit mehr Anleihen besonders betroffener Staaten kaufen. Darüber hinaus laufen noch andere EZB-Kaufprogramme für Wertpapiere.
Welches Ziel verfolgt die EZB mit ihren Anleihenkäufen?
Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben, die es zu finanzieren gilt.
Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau. Das sieht die Zentralbank am ehesten gewährleistet, wenn die Preise im Euroraum mit seinen 19 Ländern moderat steigen. Mittelfristig wird eine Teuerungsrate knapp unter 2,0 Prozent angestrebt. Denn dauerhaft niedrige oder gar auf breiter Front sinkende Preise könnten Verbraucher und Unternehmen verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Konjunktur bremsen. Über Anleihenkäufe kommt indirekt viel Geld in Umlauf, was normalerweise die Inflation anheizt.
Hat das viele billige Geld nicht auch Nebenwirkungen?
Seit Jahren ist die EZB im Anti-Krisen-Modus. Davon profitieren zwar Kreditnehmer, weil es Geld von der Bank vergleichsweise günstig gibt. Wer jedoch Geld bei der Bank anlegen will, hat das Nachsehen. Tagesgeld und Sparbuch werfen im Grunde keine Zinsen mehr ab. Und bei besonders hohen Summen drohen sogar Negativzinsen, das Guthaben auf dem Konto schrumpft also. Lagarde ist mit der Zusage angetreten, die Nebenwirkungen der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik genauer unter die Lupe zu nehmen. Derzeit läuft eine umfassende Überprüfung der geldpolitischen Strategie der EZB. Dabei setzt Lagarde unter anderem auf den Dialog mit Kritikern.