Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Iran lässt entführten Journalisten hinrichten
Schnelle Exekution sollte offenbar internationale Unterstützung für Ruhollah Sam verhindern
ISTANBUL - Mit der Hinrichtung des regierungskritischen Journalisten Ruhollah Sam hat Irans Regierung demonstriert, dass ihr der Ruf des Landes egal ist, wenn es um die Macht geht. Sam lebte in Frankreich und wurde 2019 während eines Besuches im Irak von iranischen Agenten gefasst und nach Iran verschleppt. Am Samstag wurde er hingerichtet, weil er die Protestbewegung gegen die Regierung unterstützte. Sie ließ Sam töten, um die Opposition innerhalb und außerhalb Irans einzuschüchtern. Dieses Signal ist für Teheran wichtiger als der absehbare außenpolitische Schaden: Wegen europäischer Kritik an der Hinrichtung bestellte das iranische Außenministerium am Sonntag den deutschen und den französischen Botschafter in Teheran ein.
Sam war für die Regierung kein Außenseiter: Er war der Sohn eines Klerikers, der nach der Revolution dem Staat diente; seine Eltern benannten ihn nach Revolutionsführer Ruhollah Khomeini. Doch nach Protesten gegen die Regierung im Jahr 2009 musste Sam fliehen, weil ihm vorgeworfen wurde, mit ausländischen Geheimdiensten zusammengearbeitet zu haben. In seinem Exil in Frankreich baute Sam die Plattform AmadNews auf, die kritische Berichte über Iran verbreitete. Hunderttausende Iraner lasen Sams Berichte, die bei neuen Protesten im Jahr 2017 auch über über Korruptionsvorwürfe gegen Regierungsvertreter informierten.
Als Sam im Oktober vergangenen Jahres in den Irak reiste, schlug die iranische Revolutionsgarde zu und nahm ihn fest. Im Juni wurde er wegen versuchten Umsturzes der staatlichen Ordnung Irans zum Tod durch den Strang verurteilt. Vor wenigen Tagen bestätigte der Oberste Gerichtshof des Landes das Urteil gegen den 47-Jährigen, am Samstagmorgen wurde Sam gehängt.
Iran habe das Urteil offenbar deshalb so rasch vollstrecken lassen, weil es eine internationale Unterstützungskampagne für den Journalisten verhindern wollte, sagte Diana Eltahawy von Amnesty International. Die Hinrichtung ziele auf die Meinungsfreiheit und zeige das Ausmaß der „brutalen Taktik“der Behörden, mit der sie Kritiker einschüchtern wollten. Wie Sam sind auch andere Oppositionelle nach Iran verschleppt worden. Der Deutsch-Iraner Dschamschid Scharmahd wurde im Juli während einer Geschäftsreise in Dubai von iranischen Geheimagenten in das Land gebracht. Ihm wird vorgeworfen, Chef einer militanten Exil-Oppositionsgruppe und für den Tod von 14 Menschen verantwortlich zu sein.
Der iranische Nachbar Türkei wirft Teheran laut „Washington Post“vor, einen Exil-Oppositionellen aus Istanbul verschleppt zu haben. Zwei weitere iranische Oppositionelle waren demnach in den vergangenen Jahren in Istanbul erschossen worden.
Mehrere Protestwellen gegen Korruption und Misswirtschaft in den vergangenen Jahren, amerikanische Sanktionen und Behördenversagen im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben die Islamische Republik in eine schwere Krise gestürzt. Sie sieht sich selbst in einem Kampf ums Überleben, außenpolitische Überlegungen treten in den Hintergrund. Das gilt selbst jetzt, wo es für Teheran eine Chance gäbe, den internationalen Druck auf das Land etwas abzumildern: Der designierte US-Präsident Joe Biden will die anti-iranische Politik von Amtsinhaber Donald Trump beenden und wird dabei von der EU unterstützt. Sams Tod könnte die Wiederannäherung zwischen Iran und dem Westen erschweren.